Auf Tour zur Weißseespitze.
Auf Tour zur Weißseespitze. Foto: Wolfgang Lauschensky
App zum Gipfel - digitale Tourenplanung

Der rote Faden

Die klassischen Alpenvereinsführer sind ins Archiv gewandert. Heute werden Bergerlebnisse mit Tourenportalen und Apps geplant – so auch rund um die Wildspitze.

140 ehrenamtliche, geschulte Autorinnen und Autoren der Alpenvereine erstellen die Routenbeschreibungen auf alpenvereinaktiv.com, dem Tourenportal der Alpenvereine. Rund um die Wildspitze haben sie bis zum Frühjahr 2022 insgesamt 107 Touren veröffentlicht, davon 18 Skitouren, 53 Hochtouren, 26 Bergtouren, sechs Wanderungen, zwei Mehrtageswanderungen, eine Freeride-Abfahrt und eine Eisklettertour. Aber wie funktioniert digitale Tourenplanung eigentlich und warum nutzen sie fast alle, auch wenn es ihnen vielleicht gar nicht bewusst ist?

In die Berge gehen wir, um Abstand vom Alltag zu bekommen, der Natur näher zu sein und etwas über den Dingen zu stehen. Und weil unser Alltag häufig von elektronischen Geräten und dem Internet beeinflusst wird, fühlt es sich am Berg oft stimmig an, das Smartphone im Rucksack zu verstauen und überhaupt die digitale Technik auszublenden. Eigene Entscheidungen treffen zu können und damit einen schönen Tag in den Bergen zu verbringen tut gut. Aber tun wir das wirklich?

Fakt ist, dass eine Tourenplanung ganz ohne Internet und elektronische Geräte fast nicht mehr vorkommt. Daran ist grundsätzlich nichts auszusetzen. Auf den diversen Tourenplanungs-Webseiten im Internet wie etwa alpenvereinaktiv.com finden sich Wetterberichte, Tourenvorschläge, Links zu Webcams, ein Tourenplanungstool mit automatischem Routing, Distanz- und Höhenmeterberechnung, GPS-Tracks, Hütten inklusive Informationen zur Auslastung und Link zum Online-Hüttenreservierungssystem, Hinweisen zu aktuellen Bedingungen, Sperrungen, Lenkungsmaßnahmen und vieles mehr: lauter nützliche Informationen für die Tourenplanung – online verfügbar und somit immer aktuell. Auch bieten Tourenportale die Möglichkeit, Fragen zu stellen oder Informationen direkt beim Toureneintrag auszutauschen.

Zum Tourenportal gibt es dann die passende App, mit der auch noch vor dem Abmarsch die letzten Checks gemacht werden können. Ob dann unterwegs das Smartphone auch zur Orientierung und zur Aufzeichnung verwendet wird, ist Geschmackssache und hängt von der Tour und den Wetterbedingungen ab.

Berichte über Bergtouren in Österreich und anderen Alpenländern sind schon immer ein wichtiger Bestandteil des Vereinslebens und auch der frühen Vereinsnachrichten gewesen. Tipps zu Anreise, Unterkünften im Tal, Schlafmöglichkeiten am Berg, aber vor allem zur Routenwahl und zu den damit verbundenen Schwierigkeiten waren die wichtigsten Inhalte. Zur Besteigung der Wildspitze findet man im ersten Jahrbuch des Österreichischen Alpenvereins 1865 einen Bericht von Anton von Ruthner, der im Jahr 1861 mit zwei Bergführern und einem weiteren Gefährten den Gipfel erreicht hatte – siehe den vorangegangenen Beitrag. Dieser Bericht enthält Hinweise zu Ausgangsort, Aufstiegsroute und zu den lokalen Führern. Anfangs handelte es sich bei solchen Tourenbeschreibungen fast ausschließlich um Texte, später kamen Skizzen und dann sogar Übersichtsfotos dazu.

Was lange blieb, war der beschränkte Platz in einer gedruckten Publikation. Die legendären Alpenvereinsführer des Bergverlags Rother in München – erstmals 1951 für das Karwendelgebirge veröffentlicht – wurden etwa seit den 1990er-Jahren zugunsten von Auswahlführern aufgegeben, nicht zuletzt weil der Anspruch auf Vollständigkeit bei der rasch wachsenden Zahl von Neutouren in bestimmten Gebieten nicht zu erfüllen war. Der Alpenvereinsführer für die Ötztaler Alpen wurde 2006 in der 14. Auflage zum letzten Mal gedruckt. Auch hier trifft Moderne auf Geschichte, denn so wie dieser sind nun alle AV-Führer digitalisiert und über das Internet kostenlos verfügbar.

Trügerisch-schöne digital-analoge Tourenwelt: Die steile Firnrinne unter der Nordflanke der Petersenspitze – oben der Gipfelblick auf Wildspitze und Brochkogel – ist in der 2D- und 3D-Darstellung der App ausgeapert. Foto: ÖAV/Michael Larcher

Vereinsnachrichten und AV-Führer

Die ersten digitalen Tourenportale gingen um die Jahrtausendwende 2000 online, anfangs fast ausschließlich als Hobby-Projekte von bergbegeisterten Webexperten, die quasi ihre persönlichen Tourenbücher für alle sichtbar im Internet führten. Im Lauf der Zeit ist die Zahl der Plattformen gewachsen und viele haben sich für Community-Content geöffnet – also für Inhalte, die Benutzerinnen und Benutzer der Plattformen hochladen und damit veröffentlichen. In den letzten Jahren ist eine zunehmende Professionalisierung und Konsolidierung zu beobachten. Die kleinen, persönlichen Seiten verschwinden zusehends, einige wenige große Anbieter bleiben übrig. Eine moderne Webseite und zugleich zwei Apps (für Android/Google und iOS/Apple) zu betreiben und aktuell zu halten, bedeutet nämlich einen sehr hohen Aufwand.

Wie kommen die Touren ins Portal?

Im Jahr 2015 entschied sich Wolfgang Lauschensky von der DAV-Sektion Braunau, eine Schulung für ehrenamtliche Autorinnen und Autoren zu besuchen. Sieben Jahre später, bis zum April 2022, hat er 636 Touren veröffentlicht, allesamt gut recherchiert und selbst begangen, wie es für die AV-Autoren üblich ist. Das macht ihn zu einem der produktivsten Autoren von alpenvereinaktiv.com. (Insgesamt haben alle ehrenamtlichen AV-Autorinnen und Autoren zusammen bisher über 14.680 hochwertige Tourenbeschreibungen veröffentlicht.)

Als Teilnehmer von Kursen des Österreichischen Alpenvereins hat Wolfgang im Jahr 2000 mit dem Skitourengehen begonnen. Schon damals veröffentlichte er Beschreibungen auf alpintouren.com und später auch auf outdooractive.com. Über die letztgenannte Webseite, das Mutterportal von alpenvereinaktiv.com, wurde er dann auch auf das gemeinsame Tourenportal der Alpenvereine aufmerksam. Daneben postet er im Winter regelmäßig auch noch aktuelle Bedingungen auf dem Portal des Lawinenwarndienstes Salzburg.

Wenn Wolfgang mit seiner Frau in die Berge fährt, verbringt er möglichst gleich mehrere Tage in einem Gebiet. Er plant seine Touren mit alpenvereinaktiv.com, verwendet dort die unterschiedlichen Karten (OpenStreetMap, Outdooractive-Karte, AV-Karte, offizielle Topokarten) mit verschiedenen Layern – Zusatzebenen für Wanderwegenetz, Wintersportaktivitäten, Hangsteilheiten, Sperrungen und Hinweise, die auf der Karte eingeblendet werden – sowie die Tourenbeschreibungen. Und er freut sich, wenn er gute Beschreibungen findet, die ihm die Tourenplanung erleichtern. Macht er dann eine Tour, die so noch nicht auf alpenvereinaktiv.com beschrieben wurde, veröffentlicht er sie anschließend selbst. Das tut er, „um etwas zurückzugeben“ und „weil ich mich freuen würde, wenn ich selbst genau so eine Tourenbeschreibung finden würde“.

Auch im digitalen Online-Tourenportal lebt also der Ehrenamtsgedanke der Alpenvereine. Die Leistung, die dahintersteckt, ist beachtlich: Zu jeder Tour gibt es etwa zehn bis 20 Fotos, die zuerst aussortiert und beschriftet werden müssen, dann werden die Detaildaten zur Tour ergänzt und am Ende die Beschreibungstexte. Über mehrere Tage verteilt sind das pro Tour ungefähr vier bis fünf Stunden Arbeitszeit.

Für Wolfgang bedeutet der Erlebniswert viel mehr als die objektive Schwierigkeit. Auf den Bergen rund um die Wildspitze war er nur im Schnee unterwegs, denn „das sind Skitourengipfel, und die mache ich viel lieber im Winter“. Erfahrungen sammeln, die Schwierigkeit langsam steigern – das ist Wolfgang wichtig. Er sieht es kritisch, wenn in den Tourenportalen immer auch GPS-Tracks verfügbar sind. Das verleite manche Menschen dazu, einfach dem Track nachzugehen, ohne sich genau zu überlegen, ob sie den Anforderungen gewachsen sind.

Dass Tourenportale mit Bildern, Tracks, Texten und Karten umfassende Information bieten, bedeutet nicht, dass jede und jeder diese Touren auch machen kann. Wolfgang hat immer schon mit digitalen Unterlagen gearbeitet und nimmt fast nie physische Karten auf Tour mit, obwohl er mit ihnen selbstverständlich umgehen kann. Auch in der digitalen Welt ist es sehr wichtig, gut und rasch Karten lesen und sich vor dem Bildschirm eine Vorstellung davon machen zu können, wie das Gelände tatsächlich aussieht. Durch die umfassende Planung daheim am Bildschirm hat Wolfgang die Karte gewissermaßen in seinem Kopf abgespeichert – und für den Notfall auf dem Smartphone offline dabei. Benutzte er früher zusätzlich ein GPS-Gerät für Touren bei schlechtem Wetter, folgt er heute einem anderen Ansatz: Ist die Wetterprognose schlecht, geht er einfache Touren.

Gesicherter Abstieg einer Dreierseilschaft: „Bergführergelände“ am Südgrat des Pitztaler Urkund. Foto: ÖAV/Michael Larcher

Kenne deine Grenzen – und die der digitalen Welt

Für alle meine digitalen Geräte gilt: „Ohne Strom ka Musi“, ganz besonders unterwegs. Ist der Smartphone-Akku leer, kann ich auch keinen Notruf mehr absetzen. GPS-Tracks vor allem von Winter- und Gletschertouren können bei ganz anderen Verhältnissen entstanden sein, als ich sie gerade auf meiner Tour vorfinde. Wie immer brauche ich einen validen Plan B: Was tun, wenn die digitalen Helferlein ausfallen, runterfallen, einfrieren? Die gefundenen Informationen gilt es kritisch zu hinterfragen: Wie aktuell sind die Daten und von wem kommen sie? Ist die Tour wirklich so supereinfach und leicht nachzumachen wie beschrieben? Bei der Planung kann ich mich nicht darauf verlassen, dass ein automatisch gerouteter Weg auch unter den ganz aktuellen Bedingungen stimmt.

Ein wichtiger Vorteil – die Verknüpfung von vielen unterschiedlichen, für die Tour relevanten Daten – wurde schon erwähnt. Unabhängig davon, ob sie selbst erarbeitet wurde oder auf einer gefundenen Beschreibung basiert, kann eine digitale Tourenplanung einfach geteilt werden. Alle Personen, die auf die Tour mitkommen, verfügen so über ähnliche Informationen. Auf dem Smartphone, der GPS-Uhr oder dem GPS-Gerät sehen sie jederzeit, wo genau sie sich befinden. Das hilft sehr bei der Navigation. Dennoch ist es weiterhin unerlässlich, eine Karte gut lesen zu können und den eigenen Orientierungssinn einzusetzen.

Für die optimale Taktik auf Tour kann man viel von Wolfgang lernen: zuerst zu Hause gründlich planen, Tourenbeschreibungen finden und unterschiedliche Karten verwenden; die geplante Tour beziehungsweise den geplanten Track dann auf das Smartphone übertragen; dort alle Daten offline speichern, damit sie auch ohne mobile Datenverbindung verfügbar sind; unterwegs mit offenen Augen durch die Landschaft gehen und die geplante Tour immer wieder mit den tatsächlichen Gegebenheiten abstimmen; das Smartphone oder GPS-Gerät nur hin und wieder verwenden, zur Überprüfung; dem Gerät nicht blind hinterherlaufen; bei Interesse den eigenen Tourenverlauf auch aufzeichnen und so die tatsächliche Route dokumentieren; im Zweifel besser einen Akkupack für das Smartphone oder Ersatzbatterien für das GPS-Gerät mitnehmen; im Winter Geräte verwenden, die auch mit Handschuhen bedient werden können.

Wie für alle Bergsportaktivitäten gilt es zuerst in sicherer Umgebung und bei gutem Wetter zu üben, damit in kritischen Situationen der passende Ablauf rasch umgesetzt werden kann.

Gute Tourenplanung für eine möglichst sichere Tour. Foto: ÖAV/Michael Larcher

Am Ötztaler Weißkamm

Die hochalpine Landschaft ist im ständigen Wandel begriffen, und nicht alle Veränderungen sind natürlicher Art. Manche Alpenvereinsmitglieder sind zwiegespalten, andere eher pragmatisch: Sie wollen keinen weiteren Ausbau von Skigebieten, wenn allerdings die Liftanlagen schon da sind, werden diese gerne genutzt. Zum Beispiel in den Ötztaler Alpen, wo Wolfgang die Überschreitung des Linken Fernerkogels veröffentlicht hat. Die Pläne zur Verbindung der Gletscherskigebiete in Ötz- und Pitztal hätten massive Auswirkungen auf diesen Gipfel. Das berührt auch Wolfgang, der froh ist, dass der Linke Fernerkogel weiterhin ein Skitourengipfel ohne abgesprengte Felsen und Seilbahnstation ist – wenn auch auf zwei Seiten vom Pistenbetrieb dicht umlagert.

Gleichwohl beschreibt er den Zustieg zur Vernagthütte nicht „klassisch“ von Vent, sondern vom „Pitztaler Gletscher“ aus, der auf der Alpenvereinskarte noch seinen eigentlichen Namen trägt: Mittelbergferner. So erfolgt der Zustieg über das Mittelbergjoch, die Wildspitze wird dabei im wahrsten Sinn des Wortes links liegengelassen. Die Gletscherabbrüche auf der Nordseite der Wildspitze verändern sich laufend, und es bedarf jedes Jahr einer neuen Spurensuche. Auch sind die sanften Gletscherhänge durch den Eisrückgang teilweise deutlich steiler geworden. Eine Gipfeloption bietet dieser Zustieg ebenfalls: Über den stellenweise luftigen Südostgrat geht es auf den Brochkogel, von dessen Gipfel sich ein großartiger Blick über das Tourengebiet der Vernagthütte bietet. Außerdem kann man vor der steilen Abfahrt vom Brochkogeljoch – je nach Bedingungen ist hierfür auch eine Seilsicherung sinnvoll – noch die nahe, einfache Petersenspitze „mitnehmen“. Vom Brochkogeljoch geht es dann über das riesige Becken des Vernagtferners zur Hütte. Je nach Motivation kann die steile Moräne unter dem Schutzhaus bereits möglichst früh mit weniger Gegenaufstieg oder erst nach längerer Abfahrt südöstlich der Hütte mit einem längeren Schlussaufstieg erreicht werden.

Wer hier zwei oder drei Tage bleiben möchte, stellt vielleicht die Überschreitung der Mittleren Guslarspitze mit ihrem beeindruckenden Ausblick Richtung Hintereisferner auf den Tourenplan. Ob freilich zum Hochjochhospiz abgefahren werden kann, hängt von der Zeit und den Schneeverhältnissen ab: Die Südhänge apern schon früh in der Saison aus – und es kann dort auf dem Weg zurück über die Hintere Guslarspitze sehr warm werden.

Als „Königstour“ von der Vernagthütte aus gilt die Kombination von Fluchtkogel und Weißseespitze. Wie Wolfgang schreibt, ist die Weißseespitze von dieser Seite aus nichts für die abfahrtsorientierten Skitourengeher, ihr Reiz liegt vielmehr in der Weite der Landschaft, deren Durchquerung vor allem auf dem gewaltigen Gletscherplateau des Gepatschferners ein beinahe arktisches Expeditionsgefühl aufkommen lässt. Wichtig für diese Tour ist in jedem Fall sicheres Wetter mit guter Sicht, sonst wird es rasch mühsam – oder gar gefährlich. Auch hier sind die Veränderungen spürbar: Der Guslarferner wird jedes Jahr kleiner, eine passende Spur zum Oberen Guslarjoch zu legen, ist jedes Mal eine neue Herausforderung.

Von der Vernagthütte geht es schließlich über das Taschachjoch, den Urkundsattel und den exegertenferner am Taschachhaus vorbei wieder zurück zum Ausgangspunkt im Pitztal. Apropos Taschachhaus: Dieser Stützpunkt bietet sich besonders für sommerliche Hochtouren und Ausbildungskurse an. Rund um die Hütte hat Michael Larcher, Bergführer, Leiter der Bergsportabteilung im ÖAV und Autor auf alpenvereinaktiv.com, drei Tourentipps veröffentlicht. Einer ist die sehr schöne Überschreitung des Pitztaler Urkund über den Nord- und den Südgrat. Auf dem Felsgrat selbst haben sich die Bedingungen zwar kaum verändert, beim Abstieg über die Nordflanke unterhalb des Urkundsattels ist der Gletscherrückgang aber deutlich zu bemerken. Gerade beim Übergang zwischen Gletscher und Schneefeldern oder zwischen Eis und Fels gilt es Acht zu geben.

Als eine „großartige Tour mit Westalpenflair“ bezeichnet Larcher dagegen die Nordflanke der Petersenspitze. Vom Taschachhaus startet man auf dem gut bezeichneten Bergweg Richtung Taschachferner, steigt aber nicht auf den Gletscher ab, sondern folgt Steinmännchen und wenigen Holzstangen, bis auch diese Markierungen enden. Durch eine steile Firnrinne neben dem Gamsköpfle wird der balkonartige Gletscher der Taschachwand erreicht und über diesen zur Gipfel-Eisflanke der Petersenspitze aufgestiegen. Dort darf man noch fünf Seillängen in maximal 50 Grad steilem Eis genießen: ein Erlebnis, das in den sommerlichen Hochalpen selten wird.

Der Abstieg von der Petersenspitze zurück zum Taschachhaus – über den ausgesetzten Firngrat hinunter zum Taschach-Hochjoch, dann südlich absteigend auf den Vernagtferner bis unter das Taschachjoch und mit leichter Kletterei über das Taschachjoch und über den rasch flacher werdenden Gletscher zum Urkundsattel – folgt über weite Strecken der Winterroute von Wolfgang Lauschensky. Im Sommer ist hier vor allem das Stück zwischen dem sich immer weiter zurückziehenden Sexegertenferner und dem Talboden anspruchsvoll: Auf etwa 2800 Meter beginnt eine Steilstufe, die aufgrund des Gletscherrückgangs in den letzten Jahren durch Blankeis und Steinschlag immer problematischer geworden ist. Ein versicherter Steig, der rechts an den Felsen eingerichtet wurde, erleichtert nun diesen Abstieg wesentlich. Je nach Firnauflage muss hier die Spur spontan gewählt werden.

Weil es auf Tourenportalen keine Seitenbeschränkung gibt wie in Büchern, finden sich dort immer wieder solche Routen abseits der Standards: Überschreitungen, Kombinationen von mehreren Gipfeln beziehungsweise Aufstiegen und Abfahrten, abschnittsweise im weglosen Gelände. Doch am Ende wählen die meisten Benutzerinnen und Benutzer dann doch wieder den Klassiker – in diesem Fall also die Wildspitze. So groß die Auswahl für ein sehr breites Publikum mit unterschiedlichen Voraussetzungen ist, so wichtig ist es, bei den Beschreibungen den richtigen Ton zu treffen; oder wie Wolfgang es sagt: „Ich schreibe ja nicht, um zu zeigen, wie toll ich auf einer Tour war, sondern ich schreibe so, wie ich es gerne selbst erklärt bekäme, wenn ich mich nach einer Tour erkundige.“

Auf der Hinteren Guslarspitze. Foto: Wolfgang Lauschensky

In Zukunft Veränderung

Gletscher werden kleiner, Permafrost verschwindet, Routenverläufe müssen angepasst werden – wie bleiben da die Tourenbeschreibungen aktuell? Bei Druckwerken ist es relativ klar: Der Informationsstand wird zum Zeitpunkt des Drucks „eingefroren“. So dokumentiert die aktuelle Neuausgabe 2022 der Alpenvereinskarte 30/6 (Ötztaler Alpen, Wildspitze) die Gletscherabgrenzung aus dem Jahr 2020. Von digitalen Beschreibungen erwarten Benutzer dagegen größtmögliche Aktualität, deshalb vermerkt alpenvereinaktiv.com zu jeder Tour, wann diese ursprünglich veröffentlicht und wann sie zuletzt aktualisiert wurde. Wolfgang Lauschensky ist sich auch einer anderen Herausforderung bewusst: Er ist kein Einheimischer, sondern wohnt in der Nähe von Braunau am Inn – also im „Flachland“. Damit hat er den Vorteil, nicht auf eine Region beschränkt zu sein, sondern sich Tourenziele aus den ganzen Ostalpen herauspicken zu können und im Lauf der Zeit viele unterschiedliche Gebiete kennenzulernen. Andererseits wäre es für die Aktualisierung aber besser, vor Ort zu sein wie die Hüttenwirte oder lokalen Bergführer. Hier nützt dem Autor ein weiterer Aspekt der digitalen Tourenplanung: Ist eine Tourenbeschreibung nicht mehr aktuell, wird dies oft in den Kommentaren vermerkt. Der Autor wird dann automatisch benachrichtigt, er kann recherchieren, ob der Kommentar stimmt, und die Informationen gegebenenfalls auf den neuesten Stand bringen. Auch gezielte Fragen sind möglich. So arbeiten Nutzerinnen und Nutzer mit den Autoren zusammen, wovon alle etwas haben.

Technisch wird sich in den nächsten Jahren noch einiges tun. Die Möglichkeiten der Datenverknüpfung und der individualisierten Informationsanpassung werden zunehmen, und es wird neue Ausgabegeräte geben, Stichwort: Datenbrille.

Verharrt man in der alten Zeit oder lässt man den Algorithmus entscheiden? Oder begreift man Altes und Neues am besten nicht als Widerspruch, sondern als ein im besten Sinn zweckdienliches Nebeneinander? Immer wieder mal ganz ohne Smartphone in die Berge gehen bleibt dennoch eine gute Übung. Wolfgang wünscht sich, dass es bei den Tourenportalen weniger um Effekthascherei und noch mehr neue Elemente geht und dafür die wenigen wirklich wichtigen Features verlässlich funktionieren. Mit seiner Frau auf Tour zu gehen und diese dann zu beschreiben, ist Leidenschaft und Hobby. Schöne Stunden am Berg und die positiven Kommentare unter seinen Beschreibungen sind der Lohn. Und weil seine Frau so oft auf den Bilder zu sehen ist, werden die beiden nicht selten auch ganz analog am Berg gefragt: „Ja seid‘s ihr die von alpenvereinaktiv?“

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