Mensch steht auf Bergkuppe vor weiter Landschaft
Der Expedkader war für seine Abschlussexpedition in Grönland. Foto: DAV/Expedkader
Abschlussexpedition

DAV-Expedkader Männer kehrt erfolgreich aus Grönland zurück

Der DAV Expeditionskader der Herren ist gesund und erfolgreich von seiner Abschlussexpedition aus Grönland zurückgekehrt. Vom 29. Juni bis zum 27. Juli ging es für die jungen Alpinisten zum Klettern in ein bisher kaum erschlossenes Areal des Tasermiutfjords im Süden der größten Insel der Welt. Das fünfköpfige Team um Trainer Christoph Gotschke kam dabei nicht mit leeren Händen zurück:

Drei schwierige Erstbegehungen und zwei Wiederholungen bestehender anspruchsvoller Routen waren im Rückreisegepäck – samt einer Riesen-Bonuskiste unauslöschlicher Erinnerungen. Damit findet der aktuelle Kader einen positiven Abschluss nach einer durchwachsenen und emotionalen Laufzeit. Was sie alles erlebt haben, gibt es hier nachzulesen.

Der Expedkader im Hohen Norden

"Come back alive, come back friends, come back with success – in this order": Diese britische Bergsteigerregel hat das Team des DAV-Expedkaders perfekt erfüllt: Erfolgreich und vor allem gesund und munter kamen Fabian Hagenauer, Thomas März, Korbinian Grünauer, Trainer Christoph Gotschke und Expeditionsarzt Dr. med Bernhard Bliemsrieder aus Grönland zurück.

Erstmals in der Kadergeschichte lag das Ziel im hohen Norden. Das überdurchschnittlich kletterbegeisterte Team versprach sich dort Alpinismus auf höchstem technischem Niveau, aber unter berechenbaren objektiven Risiken. Der bewusst eingegangene Mehraufwand, dort komplett alleine, ohne Agentur, Träger oder Küchenteam wie in anderen Regionen zurechtzukommen, gab dem Trip einen Spritzer autarkes Abenteuer. Das Motto des Trainers Christoph Gotschke "(Nur) wenn's passt, darf man Vollgas geben" war dafür eine gute Leitlinie.

Das Team. Foto: DAV Expedkader

Am Ende der Welt ist nichts einfach, schnell und unkompliziert

50 Kilometer vom offenen Meer entfernt, eine volle Fahrstunde mit dem Schnellboot, richteten die Jungs im hintersten Winkel des Fjords ihr Basislager ein; neben einem Bach, der ähnlich erfrischende Badetemperaturen wie das Meer bot. Dafür glich das Angeln (fast) "einem Gang in den Supermarkt".

Festmahl trotz Abgelegenheit. Foto: Thomas März/www.bergundbild.de

In Einzelzelten genossen sie dort eine Oase des Komforts, der wichtig ist, wenn man ins wilde Gelände aufbrechen will, mit Büchern, Unterhaltung und gutem Essen zur Regeneration.

Weniger komfortabel war der Zugang zu den möglichen Kletterzielen. Denn selbst mit gründlichster Recherche hatten sich nicht alle Finessen des Geländes vorab einschätzen lassen. Ein unüberquerbarer Fluss, ein zerfallender Gletscher, teilweise nasse Wände, kippeliges Geröll und mannshohes Gestrüpp machten die Fortbewegung mühsam bis gefährlich, und manche erhofften Ziele verschwanden von der Optionenliste. "Blutmangel" durch fleißige Mücken, so Gotschke, machte die Sache nicht leichter.

Dennoch fanden sich zwei Sektoren, die realistische und gleichzeitig anspruchsvolle Ziele versprachen: Korbinian Grünauer und Christoph Gotschke, der als Trainer selber Hand anlegen wollte, wählten für sich eine knapp fünfhundert Meter hohe Felswand ("Seacliff") direkt über dem Meer und nahe des Basislagers, um auch bei den anfangs sehr wechselhaften Wetterbedingungen aktiv sein zu können. Thomas März und Fabian Hagenauer dagegen pokerten im wahrsten Sinn des Wortes etwas höher und definierten die hohen Berge und Wände eines Hochtales als ihr Zielgebiet.

Steile Spiele

Drei Wochen Zeit hatten die Jungs für ihre steilen Spiele – und sie nutzten sie gut, bei allen Ungewissheiten, die anspruchsvolles Klettern in wildem Gelände am Rand der Welt bedeutet. Kurbi und Chris erschlossen am "Seacliff" zunächst die sinnig benannte „Der alte Mann, der junge Mann und das Meer“ (VIII, meist VII), dann legten sie mit „GG-22-02“ noch mal deutlich eins drauf: Die Schlüsselstelle im oberen neunten Grad war ein echtes Boulderproblem an Millimeterleisten.

"Die Züge sind schwer, fehleranfällig und fordern 100% Einsatz", schreibt Gotschke. Einen Tag investierten sie ins Ausbouldern der Kombination; am Durchstiegstag gelang dann zuerst Kurbi, danach auch Chris die Rotpunktbegehung.

Auch ihre erste Route hatten sie ordnungsgemäß mit einem roten Punkt versehen, nachdem sie sie mit Bohrhaken an den Ständen und nicht anders absicherbaren Stellen von unten kommend erschlossen hatten. Wiederholer sollten neben einem guten Satz Friends und Keilen aber auch gute Nerven mitbringen, empfehlen die beiden. Tom und Fabi waren von ihrem Hochlager, dem "Hotel Tinniertuup" – unter Wetterschutz-Überhang, mit Gletschersee und Premium-Aussicht –, dagegen noch etwas alpiner unterwegs.

Am Gipfel Tinniertuup IV gelang ihnen nach anfänglichem Wetterpech und einem Tag Vorarbeiten im Vorbau die Neutour „For our gone friends“ (1000m, 26 SL, VII+) in einer 26-Stunden-Nonstop-Begehung im Alpinstil (die Polarnacht bedeutet nur drei Stunden Dämmerlicht). Sie kletterten komplett clean und mit Normalhaken und hinterließen nur einige Normalhaken und die zum Abseilen nötigen Stände. Die Route widmeten sie den Freunden, die nicht mehr aus den Bergen zurückgekehrt sind.

Fabi an der Wand. Foto: Thomas März/www.bergundbild.de

Nach einigen Ruhetagen machten sie sich noch einmal auf ins Hochlager, um Routen der britischen Vorgänger-Expedition zu wiederholen – die knappe Information und der clean-trad-Stil der Erstbegeher ließen dabei genug Raum für eigene Entdeckergefühle. Am höchsten Gipfel der Gruppe, dem Hermellnberg (1970m), kletterten sie den "Nordostgrat" – die Schwierigkeitsangabe von "HVS" (hard very severe) entpuppte sich als VII+ Crux bei sonst anhaltender Kletterei im vierten bis fünften Grad und einer Routenlänge von 900 Metern. Die exponierte und beeindruckende Lage über dem Inlandeis entschädigte für 17 Stunden harte Arbeit. Fabi erinnert sich: "Gegen vier Uhr morgens ging über dem Inlandeis die Sonne auf und der Wind ließ etwas nach. Das war so schön, dass wir unsere Müdigkeit und die Sorgen um den Abstieg für ein paar Momente vergessen haben.“ Zuletzt gelang ihnen noch eine Wiederholung der Route "Scorpion Groove" (800m, E3 5c, ca. VIII-) am Tinniertuup II – der Abschluss sehr erfolgreicher drei Wochen in einer unglaublichen Umgebung zwischen Inlandeis, hohen Wänden und dem Fjord.

Topo der Tour "For our gone friends". Topo: Thomas März/www.bergundbild.de

Das Ende eines beeindruckenden Trips

Die Grönlandexpedition setzt den Schlusspunkt an einen Kaderturnus mit Höhen und Tiefen. Alpine Erfolge und sportliche Leistungen, aber auch ein Todesfall, Wechsel und Ausfälle im Team und der Trainerposition sowie eine Corona-Pandemie mit ihren Beschränkungen werden diese fast vier Jahre im Rückblick charakterisieren. Viel gelernt haben in jedem Fall alle Beteiligten.
- Fazit des Trainers Christoph Gotschke

Ihn persönlich freut es, dass er am "Seacliff" selbst klettern und Rotpunkt-Erfolge feiern durfte: "Ich bin dankbar für diese Chance, ein turbulentes Kaderjahr und eine erfolgreiche und schöne Expedition mit einem persönlichen Erfolg abzuschließen. Klar, ich bin als Trainer eigentlich beruflich hier, aber man muss schon selber auch brennen, um diesen Job machen zu können." Und selbst er als abgebrühter Bergführer und Kletter-"Veteran" sagt: "Der Trip hat mich deutlich mehr beeindruckt, als ich gedacht hätte."

Die Erfolge:

Erstbegehungen

Tinniertuup IV: "For our gone friends", 1000m, VII+

Unbenanntes Seacliff beim Basislager: "Der alte Mann, der junge Mann und das Meer", 500m, VIII

Unbenanntes Seacliff beim Basislager: "GG-22-02", 500m, IX+

Wiederholungen

Hermellnberg: "Nordostgrat", 900 m, VII+

Tinniertuup II: "Scorpion Groove", 800 m, E3 5c (VIII-)

Außerdem gab es Erkundungstouren und Besteigungen einiger Gipfel der Umgebung

Wer dabei war: live – und in Gedanken

  • Fabian Hagenauer, Sektion Rosenheim

  • Thomas März, Sektion Burghausen

  • Korbinian Grünauer, Sektion Garmisch-Partenkirchen

  • Trainer Christoph Gotschke

  • Expeditionsarzt Dr. med Bernhard Bliemsrieder

Leider nicht dabei waren, weil sie kurzfristig absagen mussten:

  • Hermann Böttcher

  • Florian Storkenmaier

Frühzeitig aus dem Kader ausgestiegen war Korbinian Fischer.

Wir denken in Trauer und Freundschaft an Andreas Lindner, der 2020 tödlich abstürzte

Und wir danken Fritz Miller, der den Expedkader als Trainer von 2019-2021 leitete.

Eindrücke von der Abschlussexpedition

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