Die grauen Steinhäuschen der auf knapp 1500 Meter hoch gelegenen Alm von Moudang kauern sich eng aneinander gedrängt auf der kleinen Wiesenterrasse in das enge Tal, das von der Pont du Moudang nach Süden in Richtung der französisch- spanischen Grenze hinaufzieht.
Fast auf den Tag genau vor achtzig Jahren, am 12. Juni 1943, war Henri Cazaux, ein junger Familienvater mit drei Freunden auf dieser Route unterwegs, um sich dem drohenden Arbeitsdienst zu entziehen, den die Vichy-Regierung im Auftrag der deutschen Besatzungsmacht zur Unterstützung der Kriegsindustrie angeordnet hatte. Nach der erfolgreichen Flucht nach Spanien, wurde er von den Truppen Francos gefangen genommen und erreichte erst wieder im April 1945 seine Heimat.
An sein Schicksal erinnert der nach ihm benannte „Freiheitsweg“, auf dem im Mai 2023 insgesamt 44 Schüler*innen aus je zwei französischen und zwei deutschen Schulen gemeinsam nach etwa zwei Stunden Aufstieg die Alm erreichen. Doch während Henri Cazaux in ständiger Furcht, von den deutschen Gebirgsjägern entdeckt zu werden, deckungssuchend bergauf geeilt war, wandern wir entspannt in kleinen Grüppchen durch die enge Schlucht nach oben.
Eine knappe Woche wollen wir gemeinsam hier in den Pyrenäen Sport treiben, klettern und uns angesichts der von Krieg und Besatzung geprägten Zeit vor achtzig Jahren immer wieder vor Augen führen, wie wichtig das gegenseitige Kennenlernen und das miteinander aktiv sein für die Entwicklung persönlicher Beziehungen und individueller Freundschaften ist. Und erst auf dieser Basis können schließlich grenzüberschreitende Freundschaften zwischen Nationen wachsen und ein friedvolles Miteinander in Europa und in der Welt möglich werden. Die Idee zu dieser Begegnung hatte die langjährige Abgeordnete im Europaparlament Mme Josette Durrieu, die schließlich vom deutsch-französischen Jugendwerk unterstützt und von Hugues Georges und der UNSS (Union National du Sport Scolaire) grandios umgesetzt wurde.
Wir verbringen zwei halbe Tage mit gemeinsamen Kletteraktivitäten, u.a in der beeindruckenden Kletterhalle „L’Usine“ in Tarbes, die in den Fertigungshallen einer ehemaligen Waffenfabrik errichtet wurde und die jetzt zusammen mit dem Paralympics-Weltmeister Romain Paynoux, dessen Großvater in der Résistance noch gegen die deutschen Besatzer kämpfte, ein gemeinsames Bouldern und Klettern ermöglicht. Ein weiterer Höhepunkt bildet dann die Abfahrt vom Col de Tourmalet nach Sainte Marie de Campan, eskortiert von der Gendarmerie und einer professionellen Begleitmannschaft. In der Mittagspause sitzen wir dort um das Denkmal der Tour-de-France-Legende Eugene Christophe, der 1913 als Gesamtführender nach einem Gabelbruch bei der Abfahrt vom Col de Tourmalet sein Fahrrad auf der Schulter zehn Kilometer zurück in den Ort trug, dort eine neue Gabel schmiedete, um anschließend die Etappe erfolgreich fortzusetzen. Denn „eine begonnene Arbeit bricht man nicht ab!“
Die abschließende offizielle Zeremonie mit Vertretern des Departements Hautes Pirenées, der Stadt Tarbes, der Region und des Olympischen Komitees steht dann nochmal ganz im Zeichen des europäischen Gedankens, den Schüler*innen aller beteiligten Schulen jeweils in beiden Sprachen mit den Worten Victor Hugos hervorheben:
Diesem Ziel sind wir alle nicht zuletzt durch die intensiven Kontakte in den Familien, die uns untergebracht, versorgt und mit vielen Eindrücken und Einblicken bereichert haben, ein großes Stück näher gekommen. Und diesen Weg wollen wir beim Gegenbesuch des COLLEGE DESAIX Tarbes und des COLLEGE BEAULIEU St Laurent de Neste mit dem Otto-Hahn-Gymnasium Landau und dem Friedrich-Koenig-Gymnasium in Würzburg fortsetzen und dabei unsere Kontakte und Freundschaften im Sinne „L’Escalade de la Paix“ weiter vertiefen.