Klettern ist ein toller Sport – ganz unabhängig vom Alter. Es stärkt den gesamten Körper und fordert den Geist. Und es ist ein sozialer Sport, den man mit Partnerin oder Partner und in einer Gruppe ausüben kann. Ganz unabhängig vom Kletterniveau der einzelnen Teilnehmenden.
Gerade das Hallenklettern, dessen Risiko bei richtiger Ausführung überschaubar ist, bietet die Möglichkeit, auch im Alter noch einmal etwas Neues und Spannendes auszuprobieren. Ein Mangel an Kraft ist dabei kein Hindernis, da sich beim Klettern die Intensität durch unterschiedliche Wandneigungen und Griffgrößen gut steuern lässt. Deshalb sind individuelle Ziele leicht umsetzbar, was zu einem gesteigerten Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl führt. Die gesundheitlichen Aspekte und der Transfer in den Alltag sind weitere positive Eigenschaften. Das Klettern fördert die Hand-Augen- und Fuß-Augen-Koordination, den Gleichgewichtssinn und die Beweglichkeit der Gelenke. Zusätzlich werden viele Muskelgruppen beansprucht und insbesondere die Rumpf- und Oberkörpermuskulatur gestärkt. Diese Faktoren sind zum Beispiel wichtig bei der Vorbeugung gegen Stürze und wirken sich auch allgemein positiv auf die Anforderungen des Alltags aus. Nicht umsonst wird Klettern seit Längerem als therapeutische Maßnahme eingesetzt.
Sport wirkt generell positiv auf den Kreislauf und fördert die Leistungsfähigkeit, was wiederum zur Widerstandsfähigkeit des gesamten Organismus beiträgt. Um der bekannten Problematik der Osteoporose entgegenzuwirken, ist auch im Alter ein entsprechendes Krafttraining sinnvoll. Denn je kräftiger die Muskeln sind, umso besser werden die Knochen gestützt. Klettern kann dabei eine gute Alternative zum Gerätetraining sein: Weil beim Klettern keine Route einer anderen gleicht, ist ein vielfältiges Bewegungsrepertoire gefragt, was ein abwechslungsreiches Muskeltraining ergibt.
Das Alter allein ist kein Hindernis oder Ausschlusskriterium beim Klettern. Wie aber bei anderen Sportarten auch, sollten man sich vor dem Einstieg das medizinische Okay im Hinblick auf das Herz-Kreislauf-System geben lassen. Und bei Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems wie Bandscheibenschäden oder bei neurologischen Einschränkungen ist ebenfalls eine medizinische Abklärung sinnvoll.
Gruppen und Kurse
Kletterkurse gibt es bei allen Sektionen mit einer Kletterhalle, in vielen Sektionen gibt es auch spezielle Seniorengruppen, die regelmäßig gemeinsam klettern. Unabhängig vom Alter gilt bei Kursen: Bei Anfängern ist eine Gruppengröße von vier bis maximal sechs Teilnehmenden günstig, hier können Trainer*innen auf tagesabhängige Schwankungen bezüglich Konzentration und Aufmerksamkeit eingehen. Teilnehmende in Kursen unterscheiden sich oft stark in Sachen Bewegungserfahrung, Körpergefühl, persönliche Fitness oder Mut. Zu Beginn eines Kurses ist deshalb eine gute Gelegenheit, über persönliche Einschränkungen, generelle Bedenken oder Wünsche zu sprechen, damit die anderen und vor allem die Kursleitung sich darauf einstellen können. Klettern hat schließlich, wie bereits erwähnt, den Vorteil, dass sich die Intensität sehr gut steuern und damit an die eigenen Möglichkeiten anpassen lässt. Das heißt, dass niemand höher klettern muss, als es das eigene Wohlbefinden zunächst zulässt. Die Seilsicherung von oben über den Umlenker (Toprope-Sicherung) ermöglicht es außerdem, sich jederzeit ins Seil zu setzen.
Essenziell in einem Anfängerkurs und eigentlich wichtiger als die eigene Klettertechnik sind ohnehin das Erlernen und die korrekte Anwendung der Sicherungstechnik. Hier sollten Trainer*innen viel Zeit für die richtige Handhabung des Sicherungsgerätes, das Erlernen der Sicherungsbewegung und das Anwenden der gängigen Seilkommandos einplanen. Mit Vorübungen am Boden und regelmäßigen Wiederholungen zu Beginn jeder Kurseinheit wächst das Vertrauen in die eigene Sicherungskompetenz und die der Kletterpartner.
Wer sich vom Klettern ganz bestimmte positive Auswirkungen erhofft, sollte das im Kurs oder später auch in einer Klettergruppe ansprechen, damit das Training in diese Richtung gesteuert wird. Wenn das Ziel ist, allgemein Muskelmasse aufzubauen, damit im Alltag wieder mehr Kraftressourcen zur Verfügung stehen, ist es sinnvoll, Routen zu klettern, in denen Krafteinsatz von Beinen und Armen benötigt wird. Möchte man das Gleichgewicht schulen, etwa um Stürzen vorzubeugen, sind Übungen und Routen wichtig, bei denen man in der Wand seinen Körperschwerpunkt finden und ihn immer wieder verlagern muss. Geht es um die Steigerung des Selbstbewusstseins oder die Bekämpfung von Ängsten, sind ebenfalls die Routenauswahl, aber vor allem auch die Kommunikation in der Gruppe von großer Bedeutung.
Klettern und Bouldern
Kletteranfänger mögen denken, dass das Klettern ohne Seil in Absprunghöhe mit weniger Risiko verbunden ist als das Klettern mit Seil an hohen Wänden. Da im Alter die Knochendichte abnimmt, ist es aber ratsam, auf solche Absprünge zu verzichten. Ein unfreiwilliger Abgang lässt sich beim Bouldern allerdings nicht immer vermeiden; dann ist die Gefahr von Bänderverletzungen oder
Knochenbrüchen durchaus gegeben. Gewöhnungsbedürftig sind auch die speziellen, stark nachgebenden Weichbodenmatten in Boulderräumen – vor allem für ältere Menschen, bei denen der Gleichgewichtssinn bereits weniger ausgeprägt ist. Hier ist ein ausgiebiges Aufwärmen auf den Matten sinnvoll, um sich an das Nachgeben des Bodens zu gewöhnen. Das Traversieren, also seitliches Klettern in Bodennähe, eignet sich sehr gut, um Klettertechniken zu üben – größere Griffe und Tritte und eine anfängerfreundliche, nicht zu stark überhängende Wand vorausgesetzt.
Der Artikel ist ursprünglich in der DAV Panorama 6/2016 erschienen. Autoren: Klaus Marterbauer (Studium „Sport und Bewegung“) und der Sportwissenschaftler Markus Karner. Sie haben seinerzeit in Österreich das vom dortigen Sportministerium geförderte Projekt „Klettern als Bewegung im Alter“ mit initiiert.
Tipp: In vielen DAV-Sektionen gibt es Klettergruppen speziell für ältere Mitglieder. Eine Übersicht findet sich hier, nach möglichen weiteren Angeboten auch direkt bei der Sektion anfragen.