Gut bepackt am Isarstausee hinter Landshut. Foto: Arnold Zimprich
Gut bepackt am Isarstausee hinter Landshut. Foto: Arnold Zimprich
Bike-Packing

Mit dem Gravelbike in den Bayerischen Wald

Kombiniert man den Isarradweg mit der Besteigung eines Berges im Bayerischen Wald, wird ein veritables Outdoor-Abenteuer daraus. Für Hartgesottene auch in den Wintermonaten eine machbare Tour - achten sollte man dann auf jeden Fall auf sichere Straßen- und Wegbedingungen und - je nach Gusto - komfortable Unterkünfte.

Silbern glitzert die Isar im Spätnachmittagslicht, Sprachfetzen wehen vom anderen Ufer herüber, die Menschen genießen nach dem wechselhaften Wetter der letzten Tage die Sonne. Der Fluss ist Erholungsort während der Pandemie – ob zu Fuß oder auf dem Rad.

Ich konzentriere mich an diesem Montag wieder aufs Radeln, bin gegen 8 Uhr morgens im oberbayerischen Königsdorf aufgebrochen, will über den Isarradweg in den Bayerischen Wald fahren, dort den 1373 Meter hohen Lusen besteigen und auf einer anderen Route über den Inn und die Mangfall wieder zurückfahren.

Unterwegs wird dreimal gezeltet – so es der Grundeigentümer erlaubt. Deshalb bin ich ganz gut beladen, habe mir extra ein kleines Bikepacking-Zelt organisiert und die komplette Koch- und Übernachtungsausrüstung dabei. Besondere Umstände, in diesem Fall die Corona-Pandemie, machen eben auch beim Graveln erfinderisch – und es müssen ja nicht immer die gewohnten Berge vor der Haustür Kulisse für ein Radabenteuer sein. In meinem Fall wären das die Voralpen rund um den Isarwinkel.

Der Stadtplatz in Deggendorf, Foto: Arnold Zimprich

Isarradweg in a Nutshell

Schon immer wollte ich den Isarradweg, der quasi vor meiner Haustür vorbeiführt, bis zur Mündung der Isar in die Donau hinunterfahren. Ab der Quelle im tirolerischen Hinterautal kenne ich ihn bereits, weiter als bis Freising bin ich jedoch noch nie gekommen.

In der Domstadt muss ich jedoch prompt eine “Notlandung” bei meinem Freund Christian einlegen, der in einem Fahrradladen arbeitet. Der Hinterreifen sitzt nicht richtig, auch nach mehrfacher Demontage läuft es unrund. Christian hat das Problem mit wenigen Handgriffen beseitigt und ich schlängele mich durch die erstaunlich belebte Stadt zurück an die Isar.

Bald wird Landshut erreicht - eine Kiesbank lädt zum Pause machen ein. Der Isarradweg besteht größtenteils aus Schotter (etwa 70 Prozent), ein Gravelbike ist also das ideale Gefährt, ihn schnell hinunterzudüsen. Nach dem beeindruckend illuminierten, etwas bedrohlich wirkenden Atomkraftwerk Isar beginnt es zu dämmern, kurz vor Dingolfing ist Feierabend und es gibt ein kalorienreiches Abendessen.

Am nächsten Morgen geht es um viertel nach sieben weiter, über Plattling erreiche ich Deggendorf und hole Kaffee und Kuchen, die ich auf dem Oberen Stadtplatz vertilge und dabei die Sonne genieße.

Jetzt geht’s nauf!

Der Weg von Deggendorf zum Lusen ist – zumindest wenn man ihn möglichst schnell hinter sich bringen will – klar vorgezeichnet, und so geht es die gut ausgebaute Straße entlang der Rusel zum gleichnamigen Absatz hinauf – einem Pass auf rund 850 Metern Höhe. Durch Bauarbeiten herrscht wenig Verkehr, ab etwa 600 Meter Höhe passiere ich Schneefelder, genieße den Blick auf das Donautiefland und verschwinde schließlich das erste Mal so richtig im "Woid". Über teils noch vereiste Fahrwege und Straßen, durch Waldstücke, Hochmoore und landwirtschaftlich geprägtes Land schlängelt sich die von Komoot vorgeschlagene Route bis nach Spiegelau, dem Tor zum Nationalpark Bayerischer Wald. Beim Dorfladen werden die Essensvorräte wieder aufgefüllt, vor der verwaisten Touristeninformation kann ich meine Sachen aufhängen und trocknen.

Nach einem kurzen Kiesstraßen-Intermezzo geht es endlich zur Sache – der finale Anstieg zur Ortschaft Waldhäuser hat es in sich. Ab einem Wanderparkplatz auf 1000 Metern Höhe ist die Lusenstraße nicht geräumt – im Winter wird hier dem Langlaufsport gefrönt und entsprechend gewalzt. Ich wage es einfach und schiebe das Rad über die mit breiigem Nassschnee bedeckte Straße weiter bergan, bis ich endlich die Abzweigung des Winterwegs auf den Lusen erreiche. Bloß keine Zeit verlieren, ich will heute ja noch weiter Richtung Passau!

So wechsle ich aus den Rad- in die Laufschuhe und sause so schnell es geht Richtung Gipfel. Nach einer markanten Wegbiegung erscheint das Lusenhaus, vor dem nur wenige Leute sitzen und schließlich der aussichtsreiche Lusen selbst. Die Sonne scheint von einem makellosen Himmel – ich genieße die Aussicht auf die im Vergleich zu den heimatlichen Alpen lieblichen, aber nicht minder beeindruckenden Gipfel des Bayerischen Waldes und lasse die Seele baumeln.

Ein bisschen Schnee und viel Aussicht auf dem Lusen. Foto: Arnold Zimprich

Runter nach Passau - oder auch nicht?!

Fährt man vom Lusen einigermaßen direkt Richtung Passau, ist ein gewisses Auf und Ab unumgänglich, und so ist bereits vor Hutthurm der Ofen aus. Beispielsweise kostet der Gegenanstieg zwischen Sägmühle und Hohenau ganz ordentlich Körner. Die Strecke ist jedoch – Gegenanstiege hin oder her – wunderschön. Der Komoot-Algorithmus hat hier eine sehr angenehme Mischung aus Teer und Kies zusammengestellt.

Anstrengende und doch wunderschöne Anfahrt nach Passau. Foto: Arnold Zimprich

An einem kalten Morgen geht es schließlich weiter nach Passau. Die steigende Anzahl der Pendler verrät, welche Bedeutung die Domstadt für Ostbayern hat. Ich gönne mir einen Kaffee vor der Residenz, es ist - coronabedingt - wenig los.

Kurz noch das WLAN an der Uni genutzt - und schon zieht es mich weiter, die Ferne ruft, diesmal in Form des Innradwegs. Vor zwanzig Jahren bin ich ihn schonmal entlang geradelt, damals innabwärts. Ich hangele mich von Kraftwerk zu Kraftwerk, die Sonne wird intensiver, das Radeln müheloser. An einigen Stauseen gibt es kilometerlange Geraden, ich falle fast in Trance, das ist meditatives Radfahren in Reinform.

Das Ende einer großartigen Tour

An der Salzachmündung wird für 20 Kilometer von der bayerischen auf die oberösterreichische Seite des Flusses gewechselt – die Idealroute führt östlich der Salzach auf Burghausen zu, ein Städtchen, das man aufgrund seiner Lage gesehen haben muss.

Allein die Burg – mit über einem Kilometer Länge eine der größten Europas – ist einen Besuch wert. Ich muss jedoch weiter, Komoot lotst mich über kleine Nebenstraßen, Pfade und Feldwege nach Trostberg. Es beginnt zu dämmern, ich habe enormen Hunger, der Einkauf fällt daher fast zu groß aus und ich habe Mühe, alles zu verstauen.

Wo schlafen? In einem Wäldchen zwischen Trostberg und Kloster Seeon finde ich einen Platz. Ich bin zu müde, um noch um Erlaubnis zu fragen. Auch das gehört dazu, sollte aber nicht die Regel sein...

Nächster Tag - Finale! Pingelig ordentlich hinterlasse ich meinen Schlafplatz. Ganz so, wie ich ihn vorgefunden habe, oder beinahe: eine weggeworfene Weinflasche nehme ich auch noch mit. Nur noch rund 60 Kilometer sind es bis nach Hause. Gleich am Morgen besuche ich das pittoreske Kloster Seeon. Die Gegend bezaubert durch ihre unzähligen Seen, hin und wieder kann man bereits einen Blick auf die nahen Chiemgauer Alpen erhaschen.

Am Simsee mache ich kurz Pause, in Rosenheim gibt's einen Kaffee, schließlich nehme ich den Radweg an der Mangfall entlang. Ein längerer Berg nach Feldkirchen-Westerham wartet noch – dann ist es leider schon Zeit, sich auf das Ende dieser großartigen Tour einzustellen. Der Kilometerstand knackt fast die 550, in den dreieinhalb Tagen summierten sich die Höhenmeter auf rund 4500. Es war alles dabei – Hitze, Schnee, wunderbare Sonnenaufgänge, streckenweise dieses magische Gefühl des "Flow". Es lief einfach gut – auch dem fantastischen Gravelbike und dem Graveln an sich sei Dank, das dem Radfahren eine völlig neue Dimension hinzugefügt hat!

Nebelstimmung am Kloster Seeon. Foto: Arnold Zimprich

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