Es gibt viele Gründe, warum es nicht immer möglich ist, so viel Zeit in den Bergen oder Kletterhallen zu verbringen, wie man gerne möchte. Sei es die Arbeit, die Erreichbarkeit des Zielorts, die Familie oder eine weltweite Pandemie. Für alle, die nicht auf ihre geliebten Bewegungsabläufe verzichten und ihre Fitness aufrecht erhalten wollen, haben wir hier ein paar Tipps zusammengestellt, wie ihr euch daheim optimal auf künftige Berg- oder Klettertouren vorbereitet.
Deine Bergsportart zuhause nachbilden
Klar: Das offene Fenster ersetzt nicht die frische, klare Luft der Berge. Kein noch so schöner Film am Breitwandbildschirm gleicht der realen Aussicht vom Gipfel. Und Kunststoffgriffe fühlen sich einfach nicht so echt (rau, speckig, schmerzhaft) an wie Kalk oder Sandstein.
Dennoch kann man zumindest einige Bewegungserlebnisse auch in den eigenen vier Wänden nachvollziehen – und mit motivierender optischer Begleitung unterlegen: Ein schönes Klettervideo, ein aufgezeichneter Weltcup-Livestream oder ein Beitrag aus der Mediathek von Bergauf-Bergab oder Bergwelten hilft bei der Ausdauersession durchzuhalten.
Radfahren
Wer einen Rollenständer hat, kann mit dem eigenen Rad fahren, sogar ohne den oft störenden (Fahrt-)Wind oder Schlaglöcher. Rad-Hometrainer fühlen sich schon deutlich anders an als echtes Radfahren, erlauben aber eine bessere Steuerung der Belastung. Die Anschaffung solch teurer Geräte lohnt sich am ehesten, wenn man sich vorstellen kann, sie auch in künftigen Jahren regelmäßig zu nutzen – billiger als das Abo im Fitnessstudio sind sie allemal.
Wandern/Laufen
Die gleiche Überlegung ("will ich das Gerät auch später nutzen?") gilt für Laufbänder und Crosstrainer (siehe Foto), die eher dem Geh- und Laufgefühl entsprechen. Während man auf dem Rad-Hometrainer sitzt, bewegt man sich auf dem Laufband aufrecht, beim Crosstrainer hat man zwei Handstangen, die mit den Plattformen für die Füße gekoppelt sind und eine natürliche Armbewegung fördern (ähnlich dem Langlauf oder Nordic Walking). Lässt man beim Crosstrainer die Hände weg und bewegt sich frei stehend, bringt die kreisförmige Bewegung ein nettes Gleichgewichtstraining.
Klettern
Um in den eigenen vier Wänden sinnvoll fürs Klettern zu trainieren, braucht man zumindest ein Griffbrett. Die "große Lösung" ist eine Eigenbau-Kletterwand; dafür findet man im Internet viele Tipps zum Bau. Was es noch braucht: ein gewisses handwerkliches Geschick, ein paar hundert Euro - und Wohnverhältnisse, die das Bauprojekt zulassen. Vorsicht mit offenem Magnesia: Empfindlichen Hausrat fernhalten! Auch wer Eisklettert, kann an der Kletterwand trainieren; am besten bohrt man Löcher rein und schraubt Leisten auf, an denen man mit den Geräten hooken kann.
Zuhause trainieren für den Bergsport
Natürlich ist selbst die beste Imitation nie so gut wie das Original. Doch auch wenn man den Bergen (un)freiwillig eine Weile fernbleibt, kann man aus dieser Zeit gestärkt hervorgehen. Die folgenden Trainings-Tipps können aber auch dazu dienen, die Freizeit sinnvoll zu nutzen oder einen gezielten Aufbau zu betreiben. Zu bedenken ist allerdings: Wirklich wirksam trainieren bedeutet, dass man parallel keine große Leistung erwarten darf - wer über Winter fürs Klettern gezielt an der Finger- oder Blockierkraft arbeiten möchte, kann nebenher höchstens "Wellnessklettern".
Zur sinnvollen Planung und Steuerung eines Trainings gibt es jede Menge Literatur (siehe Tipps). Generell analysiert man dafür zuerst die persönlichen Stärken und Schwächen; legt dann fest, wo man sich verbessern will; bestimmt anschließend die dafür geeigneten Übungen und die angemessene Belastungshöhe – und muss das zuletzt "nur noch" durchhalten. Das ist erfahrungsgemäß der Knackpunkt für den Trainingserfolg...
Vor allem Ausdauertraining hilft übrigens auch, gesund und fit und damit widerstandsfähig gegen Krankheit zu bleiben – Übertraining dagegen macht den Körper anfälliger. Also hört auf die Signale aus Eurem Inneren! Und tut was geht – nicht mehr, auch nicht zwingend weniger.
Ausdauer
Wer? Ausdauer ist für alle, die wandern, bergsteigen, radeln oder Skitouren gehen, wichtig. Aber auch beim alpinen (Sport-)klettern freut man sich, wenn man unter dem Kletterrucksack beim 1200-HM-Zustieg ins Schüsselkar nicht allzu sehr leidet.
Wie? Zum Ausdauertraining sind die oben genannten Hometrainer (Rad, Laufband, Crosstrainer) klassische Mittel; sie kosten allerdings Geld und Platz. Ein möglicher Ersatz ist eine Stepper-Kiste. Die kann man sich aus Kanthölzern zusammenschrauben. Zur Not tut's aber auch ein Bierkasten, eventuell mit einer eingelegten, passenden Holzplatte, oder eine Truhe oder sonstige Kiste passender Höhe. Die beträgt je nach Beinlänge und Kraft 20-40 Zentimeter. Fuß draufstellen, Gewicht drüber verlagern, möglichst ohne Abdruck des anderen Beins und möglichst langsam aufrichten und genauso langsam wieder zurück. Wiederholen bis zur Ermüdung, dann das Bein wechseln, das ganze drei Mal.
Kraft
Wer? Beim (Eis-)Klettern braucht es einen starken Oberkörper, Schultergürtel und Finger; die Finger sind für Kletternde essenziell. Rumpfkraft („Core“ = Bauch und Rücken) hilft allen Sportler*innen, haltungsbedingte chronische Schäden (Bandscheiben) zu vermeiden – und gibt mehr Stabilität und Qualität in der Bewegung.
Wie? Zum Fingerkrafttraining gibt es eine unüberschaubare Anzahl von Trainingsgeräten. Ein Klassiker ist der "Beastmaker", ein Griffbrett aus Holz mit verschiedenen Löchern, Leisten und Slopergriffen, das man über dem Türrahmen an jede Wand schrauben kann. Schmirgelpapier, mit zweiseitigem Klebeband auf die Sloper geklebt, macht sie leichter zu halten und raut die Haut auf, um vor der Felssaison Hornhaut aufzubauen. Besonders rau und felsähnlich ist auch das Trainigsboard von Eva Lopez mit vielen schmalen Leisten. Die "Rock Rings" von Metolius lassen sich überall aufhängen (Balken, Ast, Deckenhaken) und bieten vier Greifmöglichkeiten. Wichtig ist immer: Finger möglichst "lang" halten, nicht aufstellen. Und die "Schulterblätter in die Hosentasche": nicht passiv am langen Arm hängen. Mit zwei übereinander angebrachten Griffbrettern lassen sich auch Blockierübungen (halten und weitergreifen) machen; zur Entlastung steht man mit den Beinen auf einem Stuhl, der Stepper-Kiste oder in einem Gummiband (Deuserband o.ä.).
Zum Coretraining (Rumpfkraft) gibt es vielerlei Übungen. Immer ist es dabei wichtig, während der gesamten Übung den "Bauchnabel zur Wirbelsäule" zu ziehen, also die "Press"-Muskulatur im Unterbauch anzuspannen, um die Bandscheiben der Lendenwirbelsäule zu schützen. Der "Bergsteiger" startet im Liegestütz oder Unterarmstütz, gerader Rücken von den Fersen bis zur Schulter. Ein Bein abheben und neben dem Körper Richtung Schulter bringen wie zum hoch antreten. Zurückstellen und mit dem anderen Bein wiederholen. Ziel sind drei Serien mit je 10-15 Wiederholungen pro Seite. Die andere Körperseite bearbeitet die "einbeinige Schulterbrücke": Rückenlage, Füße angewinkelt auf dem Boden, Arme neben dem Körper; Po abheben, bis der Körper zwischen Schulter und Knie eine freie, gerade Linie bildet. Ein Bein abheben, ausstrecken und abspreizen, dabei die Zehen anziehen. 10-30 Sekunden halten, 10-20 Sekunden Pause, dann das andere Bein – jeweils dreimal.
Das schöne an diesen Übungen, wie auch bei den folgenden für die Beweglichkeit: Man muss sich nicht in Unkosten stürzen. Eine Isomatte oder auch ein weicher Teppich genügen als Unterlage. Und Zusatzgewichte braucht’s auch nicht unbedingt; meist sind das Körpergewicht und die innere Trägheit genug Belastung.
Gut für die Rückenmuskulatur ist auch die sogenannte Adlerübung, hier ausgeführt und beschrieben von Nils Schützenberger, Klettertrainer im DAV.
Beweglichkeit und Koordination
Wer? Von einem beweglichen, gut abgestimmten Körper profitiert man bei allen Bergsportdisziplinen. Je technisch anspruchsvoller, desto wertvoller. Wer viel klettert, sollte sich hier einen Satz passende Übungen zusammenstellen, die Spaß machen. Aber auch wer öfter auf holprigen Wanderwegen oder im Schrofengelände unterwegs sein will, freut sich, wenn in der einbeinigen Kniebeuge noch Kontrolle über die Bewegungen vorhanden ist. Viele dieser Übungen sind auch sinnvoll als Ausgleichs- und Präventionstraining, also zur Vermeidung von einseitigen Überbelastungen.
Wie? Den Einbeinstand kann man wunderbar beim Zähneputzen (oder beim Warten auf den Bus) machen, durch Variationen wird er zur Koordinationsübung: Freies Bein im Wechsel vorne hochziehen und nach hinten strecken; Standwaage; freies Bein über dem Knie anstellen und Arme über den Kopf (Yoga-"Baum") – auf Kissen oder Wackelbrett wird's noch reizvoller.
Komplexe dynamische Bewegungsabläufe wie das "Sonnengebet" oder der "Turkish Getup" schulen Koordination, Beweglichkeit und Kraft gleichermaßen. Im Internet finden sich dazu jede Menge Videos – auch hier gilt: mehrere verschiedene anschauen, vergleichen und rausfinden, was sich persönlich am besten anfühlt. Am allerbesten wäre natürlich, es sich vom Profi erklären zu lassen…
Wenn man zu wenig Bewegung bekommt, ist es wichtiger, die Beweglichkeit zu trainieren – beim Klettern ist eine mobile Hüfte ganz entscheidend, um Kraft an die Wand zu bringen. Das "Hoch antreten" sieht schon von der Übung her ganz ähnlich aus wie eine Klettersituation: Man braucht ein Möbelstück passender Höhe (Tisch, Regal…); hebt einen Fuß aktiv oder mit Handhilfe drauf und genießt die Dehnung; verstärken durch Beugen des Standbeins.
Auch der "Spreizsitz" hilft beim Klettern: wichtig dabei ist, den Rücken gerade und aufgerichtet zu halten und den "Bauchnabel an die Wirbelsäule" zu ziehen.
Übungen wie die "Taube" dehnen die Glutäen, die Gesäßmuskeln, die vor allem beim Wandern und Radfahren viel zu arbeiten haben. Und der durch langes Sitzen oft verkürzte Hüftbeuger (Iliopsoas) wird gedehnt beispielsweise durch den "Ausfallschritt": Vorderes Bein gebeugt, Unterschenkel senkrecht, Oberschenkel waagerecht zum Boden; Oberkörper gerade und aufrecht, darunter steht das hintere Bein mit dem Knie senkrecht auf dem Boden; dann mit "Bauchspannung" die Hüfte nach vorne schieben; nicht ins Hohlkreuz gehen! Alle Dehnübungen lange halten, wenn man sich verbessern will: ein bis zwei Minuten, gerne mit Wiederholungen.
Eine gut koordinierte Schulter ist zentral fürs Klettern. Da die meisten Klettermuskeln nach vorne innen ziehen, kommen viele Kletter*innen mit einem Rundrücken daher und entwickeln mit der Zeit Schulterprobleme. Die wichtigste Ausgleichsübung dazu ist das Training der Außenrotatoren mit dem Theraband (weichste Version, weiß): Band vom Handrücken her nach innen um die Hände wickeln, Länge so einstellen, dass das Band leicht gestreckt ist, wenn die Hände schulterbreit sind und die Handflächen zueinander zeigen. Finger überstrecken, Ellbogen seitlich am Körper anlegen. Schultern und Ellbogen als Scharnier denken und die Unterarme wie einen Türflügel um dieses Scharnier nach außen führen – mit der Ausatmung, in Zeitlupe. Zurück ebenfalls in Zeitlupe mit Einatmen, das Ganze 15-20 Mal wiederholen, drei Serien.
Achtung! Alle Übungen sind hier nur knapp beschrieben – für eine wirksame und gesunde Ausführung und zur Trainingsplanung geben die folgenden Bücher gute Tipps. Am besten ist eine persönliche Schulung durch Trainer*innen.
Zum Nachlesen
Eric Hörst: The Rock Climber’s Exercise Guide (modern, systematisch, umfassend von Trainingsplanung bis zu Übungen, leider nur auf Englisch erhältlich)
Bernd Bachfischer: Athletiktraining fürs Klettern und Bouldern, Riva Verlag (gut beschriebene Übungs-Auswahl)
Alberto Milani: Yogascent, Versante Sud Verlag (gute Beschreibungen wichtiger Yogaposen mit ihrer Wirkung)
Fabian Allmacher: Animal Athletics (witzige Ausgleichsübungen mit Tier-Bewegungen)
Irmgard Braun: Panorama-Artikel "Frauen klettern anders" (siehe Downloads unten)
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Panorama-1-2019-Fitness-Gesundheit-Frauen-klettern-anders_31405.pdf | 1.03 MB |