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Sandpartie: unterwegs auf dem Fishermen's Trail
Oh nein! Schon wieder Sand im Getriebe. Schritt für Schritt haben sich die Schuhe abermals gefüllt. Es knirscht und schabt unangenehm zwischen den Zehen. Hinsetzen, ausleeren – und durchatmen. Es ist ganz schön warm für Ende April und diese Dünenlandschaft kommt einer Wüste gleich. Die Strauchgewächse mit ihren bunten Blüten erfreuen zwar das Auge, doch weniger den klebrigen Rest des Körpers. Schatten? Fehlanzeige. Aber der extra angeschaffte Wanderhut erledigt seinen Job. Und überhaupt: Was gibt es eigentlich zu jammern?
Eine Mehrtageswanderung direkt am Meer, das klang verheißend. Die lang gehegten Träume wurden Realität, als sich am Ortsende von Porto Covo die Weite öffnete. Über Holzbohlenwege in Richtung Ozean, im tiefblauen Wasser die pittoreske Ilha de Pessegueiro mit ihrer Festungsruine. Im Norden grüßten noch schemenhaft die Hafenanlagen von Sines. Bye-bye Zivilisation: Unser Weg führt entgegengesetzt. Geradezu euphorisch stimmen die ersten Meter auf dem Fishermen's Trail. Wer einen genussvollen Strandspaziergang erwartet, liegt allerdings falsch. Mit dem Rucksack auf den Schultern und dem klobigen Schuhwerk geht es über den Sand beschwerlich vorwärts. Langsam sammeln sich die Schweißperlen auf der Stirn. Nach ein paar Kilometern staksen wir ächzend hinauf in die Dünen. Die Geräuschkulisse wechselt abrupt, das Grollen des Atlantiks schwillt ab zu einem leisen Rauschen, Vogelgezwitscher erfüllt die Luft. In die Nase steigen Gerüche zwischen Kräuterküche, Parfümerie und Fischmarkt. Die Dünen sind Heimat teils endemischer Pflanzenarten, die Klippen Brutstätten zahlreicher Vögel. Hier und da weisen Schilder geschützte Bereiche aus.
Wie viele Menschen verträgt diese fragile Landschaft? „Wir sind schon fast am Limit“, schätzt Marta Cabral, Managerin und Initiatorin der Rota Vicentina. „2017 waren 23.000 Wanderer unterwegs, die meisten davon auf dem Fishermen's Trail.“ Das Projekt Rota Vicentina startete im Jahr 2011 mit dem Ziel, in der wenig erschlossenen Region im Südwesten Alentejos naturschonende Angebote für Touristen zu entwickeln. Die Einnahmen sollten den hier lebenden Menschen zugute kommen. Der Fishermen's Trail wurde quasi als „Appetitmacher“ eingerichtet und gewann schnell an Popularität. Dass der Weg so viele Fans hat, überrascht keinesfalls. Der wilde Atlantik und die unverbaute Küste mit ihrem Artenreichtum lassen jedes naturverbundene Herz höherschlagen. Wer wahre Einsamkeit sucht, für den gibt es Alternativen. Nur etwa zehn Prozent der Wanderer nehmen den „Historical Trail“ in Angriff. Er verläuft durchs hügelige Hinterland, über Felder, durch Korkeichenhaine, vorbei an Flüssen, Schluchten und verträumten Dörfern.
Beide Wege, nebst einigen Tagestouren, führen durch den Parque Natural do Sudoeste Alentejano Costa Vicentina. „Es war schwierig, die Leute davon zu überzeugen, dass der Naturpark die wirtschaftliche Entwicklung nicht bremst, sondern dass jeder von ihm profitieren kann“, erzählt Marta. Doch der Wind drehte sich. Die lokale Wirtschaft florierte dank der Rota Vicentina. Für die kommenden Jahre bleibt die Hoffnung, dass auch der Historical Trail mehr Besucher anziehen wird. Zumal dieser sogar mit dem Mountainbike befahren werden kann. Das erlauben die empfindlichen Pfade des Küstenwegs nicht.
Viel Mühe wurde auf deren Markierung verwendet: Holzpfähle mit einer blauen und einer grünen Linie fügen sich harmonisch ins Farbspektrum ein. Die Wartung übernehmen Freiwillige. Das Büro der Rota Vicentina lädt regelmäßig zu „Maintenance Hikes“ ein. Und die Pläne gehen weiter: Im Frühjahr 2019 wird an der Südwestspitze Portugals eine neue Sektion des Fishermen's Trail eröffnet. Durch die Auszeichnung sollen insbesondere sensible Bereiche an der Algarve geschützt werden, in denen bereits Wanderer unterwegs sind. Wie der Name sagt, verläuft der Fishermen's Trail über Wege, die Angler hinab zum Meer nutzen. Fischfang ist immer noch fester Bestandteil der hiesigen Kultur – weniger aus ökonomischen Gründen als aus Tradition. In kleinen Hafenbuchten locken die gedeckten Tische vor den Restaurants. Der Speiseplan des Wanderers sieht bereits mittags gegrillten Fisch vom Tagesfang, Oktopus oder Muscheln vor, als Beilage frittierte Süßkartoffeln. Selig kauend, schweift der Blick über die im Wasser schaukelnden Boote.
Bei Vila Nova de Milfontes setzt die Kapitänin Maria Besucher über die breite Mündung des Rio Mira. Tuckernd nähert sich der blumenbemalte Kahn dem Steg unterhalb der alten Burg. Eine kläffende Promenadenmischung hüpft von Bord und wacht mit großem Eifer über den geordneten Ablauf des Einstiegs.
Maria setzt uns am Praia das Furnas ab. Über den Strand und schließlich durch Buschland, entlang an Feldern und durch herrliche Dünen erreicht man Almograve. Südlich des Dorfes wird die Szenerie immer wilder. Mehr als hundert Meter erheben sich die Klippen über dem Meer, an deren Rand sich der schmale Pfad klammert. Links das Blütenmeer, rechts die blaue Weite. Unten locken Buchten mit goldenem Sand und türkisfarbenem Wasser. Viele sind unzugänglich, aber hier und da schlängeln sich schwindelige Steige hinunter. Das Spätnachmittagslicht bringt die Ockertöne im Gestein zum Leuchten. Abgelagerte Sedimentschichten zeichnen Strukturen in die Felsen, manche sehen aus, als seien sie fein säuberlich gestapelt. Durch grün überwucherte Klippen plätschern kleine Wasserfälle. Schwalbennester kleben an überhängenden Dächern, und auf frei stehenden Felstürmen brüten Störche friedlich inmitten der tosenden Brandung. Wir stapfen mit durchgewalkten Waden durch rostroten Sand. Irgendwann zweigt der Weg ab in einen Pinienwald und die nächste Unterkunft auf einem Pferdehof ist nicht mehr fern.
Bevor wir am nächsten Tag ins Inland schwenken, öffnet sich oberhalb der Mündung des Seixe noch einmal ein erhabenes Panorama. Richtung Süden reihen sich schier endlos Steilklippen aneinander, unter uns liegt der belebte Praia de Odeceixe. Schließlich bleibt der Blick am Horizont haften. Ziehen bald dunkle Wolken auf? Die Lizenzen sind verkauft, die Pläne liegen auf dem Tisch: Fünfzig Kilometer vor der Küste könnten bald Ölbohrinseln gebaut werden. Die Folgen für den Nationalpark wären dramatisch. „Das Thema wird im Dunkeln verhandelt“, erzählt Marta. „Auch deshalb regt sich kaum Widerstand in der Bevölkerung. Alle verharren und wollen es nicht wahrhaben.“ Am Ufer des Flusses heißt es raus aus den Hosen. Das hüfthohe Wasser erlaubt eine Abkürzung zum Strand. Zwischen lässigen Surfern und Sonnenbadenden im knappen Dress kommen wir uns in unserer Wanderkluft reichlich deplatziert vor.
Zeit für einen Szenenwechsel: Es wartet eine Etappe auf dem Historical Trail. Von Odeceixe Richtung Süden geht es über Farmland entlang eines Bewässerungskanals – zwar kein schmuckes Viadukt, aber in dem glasklaren Wasser tummeln sich Frösche, Wasserschlangen und sogar eine Schildkröte. Ab und zu schiebt sich im Westen ein blauer Streifen Ozean ins Bild. In Aljezur nimmt uns die Altstadt mit ihren engen kopfsteingepflasterten Gassen gefangen. Darüber thront eine maurische Burgruine. Die abendliche Einkehr im Restaurante Pont’ a Pé versteht sich von selbst. Bei Süßkartoffelkuchen und einem hervorragenden Wein aus dem Alentejo fällt der Abschied besonders schwer. Schon jetzt vermissen wir den knirschenden Sand zwischen den Zehen.
Info & Wandersaison
Weitwandern in Portugals Südwesten: Die Rota Vicentina bietet insgesamt 750 Kilometer Wanderwege und gliedert sich in zwei Hauptwege. Der Fisherman Trail führt entlang der Südwestküste. Er startet südlich von Sines und endet in Lagos an der Algarve. Mit 13 Etappen und zusätzlichen Schleifen verläuft er über insgesamt 226 Kilometer. Der Historical Trail ist aufgeteilt in 12 Etappen über 230 Kilometer. Er führt durchs vergleichsweise stille Hinterland, ist weniger populär als der Küstenpfad, bietet aber viel Landschaft und Kultur zum entdecken. Es können Abschnitte beider Wege miteinander kombiniert werden. Zusätzlich gibt es mehrere Rundwege, die in eine längere Tour eingebaut, oder zum Beispiel aus Halbtagesausflug begangen werden können.
Wandersaison auf der Rota Vicentina ist zwischen den Monaten September und Juni. In den Sommermonaten ist es zu heiß. Auch im Winter können beide Wege begangen werden - die Temperatur fällt tagsüber selten unter 10 Grad.
Die besten Infos findet man unter www.rotavicentina.com. Man findet hier die GPS-Tracks zum Download und kann man eine Karte und einen Führer (auch auf Deutsch) bestellen.
Anspruch und Ausrüstung
Die Tour ist insgesamt leicht, manche Passagen sind als mittelschwer einzustufen. Stellenweise ist Trittsicherheit erforderlich. Auch wenn der Weg direkt an den Klippen entlang führt, gibt es keine heiklen Passagen. Eine gute Kondition sollte man mitbringen, manche Etappen sind lang und das Gehen auf Sand ist recht anstrengend.
Für gewohnte, trittfeste Bergwanderer reichen Trekking-Halbschuhe oder robustere Zustiegsschuhe, da die Klippen teilweise scharfkantig sind. Wanderstöcke mit einem kleinen Teller (Sand) sind zu empfehlen. Da es auf dem Fishermen's Trail kaum Schatten gibt, gehört ein Sonnenhut ins Gepäck. Auch Wind- und Regenschutz darf nicht vergessen werden.
Unterkünfte
Entlang des Weges sind viele sehr gute Unterkünfte zu finden. In den Ortschaften gibt es kleinere Hotels oder Hostels. Aber auch die vielen Privatunterkünfte haben ihren Reiz. Oft werden Zimmer und Appartments mit einer Gemeinschaftsküche oder einer Kochecke angeboten. Manche Unterkünfte bieten auch Fahrräder zum leihen.
Auf der Website www.rotavicentina.com sind die Partnerunterkünfte verzeichnet. Sie können gleich dort gebucht werden. Am einfachsten ist die Suche über die Karte, damit man gleich die Etappen planen kann. Ansonsten finden sich auch viele gute Unterkünfte über Airbnb.
Restaurants
Auf dem Fisherman Trail und im Inland lässt es sich vorzüglich und preisgünstig speisen. Hier ein paar Empfehlungen (alle selbst getestet):
Porto das Barcas, nördlich von Vila Nova de Milfontes (Fishermen's Trail)
A Barca Tranquitanas, nördlich von Zambujeira do Mar (Fishermen's Trail)
Museu da Batata Doce, Rogil (Historical Trail)
Pont' a Pé, Aljezur (Historical Trail)