Halbautomaten bieten eine Sicherheitsreserve...
Bei korrekter Bedienung und hundertprozentiger Aufmerksamkeit kann mit allen Sicherungsgeräten – dynamisch oder halbautomatisch – ein Bodensturz beim Sportklettern verhindert werden. Aber: Menschen machen Fehler! Die Blockierunterstützung halbautomatischer Geräte bietet im Fall eines Sicherungsfehlers eine Sicherheitsreserve. Der Nachteil der Blockierunterstützung: Die Bedienung von Halbautomaten ist komplizierter als bei dynamischen Geräten. Um das Seil einfach, schnell und sicher auszugeben, ohne dass das Gerät dabei ungewollt blockiert, sind mehr oder weniger komplexe Handgriffe notwendig (Stichwort „Gaswerkmethode“ beim Grigri).
...auf Kosten der Bedienbarkeit
Dies geht auf Kosten der Sicherheit: Ist die Bedienung komplex, sind unfallträchtige Fehlbedienungen wahrscheinlich. Auch präzises Sichern ohne Schlappseil – vor allem in Bodennähe besonders wichtig – wird durch ein komplexes Handling beim Seilausgeben erschwert. Zudem muss zum Ablassen mit Halbautomaten die Blockierunterstützung dosiert außer Kraft gesetzt werden können. Alle halbautomatischen Sicherungsgeräte sind deshalb ein Kompromiss zwischen guter Bedienbarkeit und hoher Sicherheitsreserve. Dieser Kompromiss ist in jedem Halbautomaten unterschiedlich umgesetzt.
Das optimale Sicherungsgerät?!
Man muss für sich entscheiden, welches Sicherungsgerät optimal ist für den gewünschten Einsatzbereich, das persönliche Sicherungskönnen und den Ausbildungsstand. Wo liegen nun diese individuellen Stärken und Schwächen der Halbautomaten? Wie unterscheiden sie sich? Wir haben uns die etablierten Geräte und die Neulinge auf dem Markt genauer angeschaut und dabei betrachtet: wie komplex das Handling beim Seilausgeben und Ablassen ist, wie anfällig die Geräte auf Verletzung des Bremshandprinzips reagieren, welche Rolle die Bremshandposition spielt und welche typischen Fehlbedienungen auftreten – jeweils bezogen auf Körpersicherung mit Einfachseil beim Sportklettern im Vorstieg, Toprope und beim Ablassen.
Die untersuchten Geräte
Betrachtet man die Motorik beim Seilausgeben und -einnehmen sowie die Abhängigkeit von der Bremshandposition, ist es sinnvoll, die Halbautomaten nach zwei Funktionsprinzipien zu unterscheiden:
A) Bremshandpositionsunabhängige Halbautomaten („Funktionsweise Grigri“) mit Klemm-Mechanik im Gerät wie Grigri2 und Matik – nach Norm EN 15151-1 „Bremsgeräte mit manuell unterstützter Verriegelung“. Optimal zum Seilausgeben und -einnehmen ist die Tubehandhabung. Damit der Blockiermechanismus anspricht, benötigen diese Geräte – wenn das Bremshandprinzip verletzt wird – einen „Auslöseruck“. Ein derartiger Impuls kommt aber nicht nur bei einem Sturz „erwünscht“ zustande, sondern möglicherweise auch beim schnellen Seilausgeben. Um das zu vermeiden, muss man beim Sichern eine komplexe Spezialmethode beherrschen. Hier ist insbesondere das Sichern in Bodennähe anspruchsvoll, wo ein schneller Wechsel zwischen Seilausgeben und -einnehmen wichtig ist, um gefährliche Schlappseilmengen zu vermeiden.
B) Halbautomaten, deren Funktion von der Bremshandposition abhängt und deren Blockierunterstützung durch das Einklemmen des Seils zwischen Karabiner und Gerät erzeugt wird, wie Ergo, Mega Jul, Jul2 und Smart („Autotubes“) nach der Norm EN 15151-2 „Manuelle Bremsgeräte“. Die Blockierunterstützung spricht bei all diesen Geräten bereits bei einem kleinen Seilzug an. Deshalb muss sie zum Seilausgeben gehemmt werden, was allerdings mit einem motorisch einfacheren Bewegungsablauf möglich ist (siehe Abb. 3). Das Clickup gehört auch zu dieser Halbautomaten-Kategorie, wird aber wie ein Tube bedient. Zum Seilausgeben muss die Blockierfunktion hier lediglich nach dem Blockieren des Gerätes gelöst werden. Weil der Karabiner die Klemmwirkung erzeugt, ist bei allen Autotubes eine Karabinerabhängigkeit gegeben. Bei manchen kann die Kombination mit ungeeigneten Karabinern sogar die Blockierfunktion ausschalten („starke“ Karabinerabhängigkeit). Einige Hersteller berücksichtigen dies, indem sie ihr Gerät als Set mit Karabiner verkaufen. Unserer Meinung nach die beste Lösung, denn so können ungünstige Kombinationen von Sicherungsgerät und Karabiner ausgeschlossen werden.
Weitere Testkriterien
Gemeinsam mit dem TÜV Süd haben wir die quasi-statischen Bremskräfte ermittelt. Dazu wurde das Gerät in den Blockiermodus gebracht und dann gemessen, bei welcher Last das Seil durchläuft, wenn es nicht festgehalten wird – zwecks Vergleichbarkeit haben wir alle Geräte mit dem gleichen Seil getestet (Durchmesser 8,9 mm). Die Ergebnisse erklären unter anderem die niedrige Sicherheitsreserve einiger Autotubes bei Verletzung des Bremshandprinzips, besonders in Kombination mit dünnen Seilen. Das verwendete Seil (Seildurchmesser, Steifigkeit und Oberflächenbeschaffenheit) spielt bei allen untersuchten Halbautomaten eine große Rolle. Mit dicken, aufgepelzten Seilen verschlechtert sich das Handling besonders beim Seilausgeben mit allen Geräten mehr oder weniger.
Beim Matik, für das Camp einen Seildurchmesser von 8,6 mm bis 9,6 mm empfiehlt, bestätigte sich, dass es ausschließlich ein Gerät für dünne Seile ist. Besonders zum schnellen Seilausgeben muss man die Blockierunterstützung des Halbautomaten aktiv hemmen. Wie viel Sicherheitsreserve bleibt also dann, wenn ein Sturz beim Seilausgeben passiert? Dazu haben wir in Sturzversuchen ausprobiert, ob und wie leicht die Blockierunterstützung bei korrekter Handhabung fälschlicherweise offen gehalten werden kann. Das „Bremshandprinzip“ muss beim Sichern mit jedem Gerät zu jedem Zeitpunkt eingehalten werden! Denn auch bei Halbautomaten gibt es Szenarien, bei denen ein Sturz auf dem Boden endet, wenn die sichernde Person das Bremsseil nicht festhält. Aber ein Steinschlagtreffer oder der Schutzreflex gegen Anprall an der Wand kann dazu führen, dass man das Bremsseil loslässt. Dann wird der Sicherheitspuffer bei einer Verletzung des Bremshandprinzips wichtig.
"Weicher" und "harter" Sturz
Dazu testeten wir zwei Grenzszenarien: „weicher“ Sturz unterhalb der Umlenkung mit viel Seilreibung und ohne großen „Ruck“, und „harter“ Sturz ohne Seilreibung – jeweils fälschlicherweise ohne Hand am Bremsseil. Bei Versagen eines Gerätes in einem dieser Extremfälle wurden differenzierende Zwischenszenarien getestet. Ein weiterer wichtiger Handling-Aspekt ist das Ablassen. Jeder fünfte der Bodenstürze, die in den DAV-Kletterhallen zwischen 2012 und 2014 einen Rettungswageneinsatz nötig machten, geschah beim Ablassen. Dabei sind die Halbautomaten mit 50 % überproportional zu ihrer Verbreitung von ca. 40 % beteiligt. Unsere Kriterien für die Bewertung sind a) wie gut das Deblockieren zu dosieren ist, b) ob die Ablassgeschwindigkeit kontinuierlich zu regeln ist und c) ob die menschlichen Reflexe berücksichtigt werden (z.B. Panikfunktion). Hierzu haben wir zwei Szenarien getestet: Ablassen einer schweren Person bei geringer Seilreibung und einer leichten bei viel Reibung. Aus gemeldeten Unfällen und aus verschiedenen Studien zum Sicherungsverhalten in Kletterhallen liegen uns viele Informationen zu geräteabhängigen typischen Fehlbedienungen vor.
Die wichtigsten Erkenntnisse dazu haben wir am Ende der Tabelle (s.o.) aufgelistet. Denn generell darf man nie vergessen: Halbautomatische Sicherungsgeräte können zwar bei manchen Fehlern ein Sicherheitsplus bieten, aber nicht bei allen – das entscheidende Element der Sicherungskette bleibt der Mensch, der auf seine*n Seilpartner*in aufpasst.
Download des DAV Panorama Artikels:
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Panorama 5/2015: Halbautomaten-Test | 1.13 MB |