Gruppe von Wandernden am Gipfelaufstieg
An beliebten Gipfeln kann man schon mal "im Stau stehen". Foto: AdobeStock
12 Tipps für mehr Ruhe am Berg

Wie vermeide ich Modetouren?

In den Bergen scheint das Pareto-Prinzip zu gelten: Der Großteil der Menschen drängt sich auf einigen Wegen. Den Großteil der Wege wiederum teilt man sich mit nur einem kleinen Teil der Menschen. Eine Anleitung, die übervollen Wege zu meiden.

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Du hast Lust auf eine Bergtour. Auf Instagram suchst du nach Inspirationen für Tourenziele. Die Gipfelbilder versprechen Einsamkeit und Ruhe. Genau das, was du brauchst. Außerdem hat diese Tour superviele Likes und das Essen in der Mittelstation der Bergbahn hat Top-Bewertungen. Kann also nicht schlecht sein, denkst du dir und machst dich auf den Weg.

Der Parkplatz der Bergbahn ist ziemlich voll. Naja, dieser Berg ist ja auch ganz schön groß, beruhigst du dich. Vor deinem inneren Auge siehst du dich bereits am Gipfel, nachdenklich in die Ferne schauend und über die großen Fragen des Lebens sinnierend.

Doch zuerst musst du diese Forststraße hinter dich bringen, auf der dir immer wieder Autos entgegenkommen. Das Vier-Sterne-All-Inclusive-Wellness-Berghotel, von dem du gelesen hast, scheint beliebt zu sein. Die Kennzeichen verraten, dass die Gäste aus der ganzen Republik kommen. Recht haben sie, ist ja auch schön hier, denkst du und gehst weiter.

Auf dem Forstweg ist viel los. Du überholst Familien, die Kinderwägen hochschieben. Immer wieder kommen dir Leute auf Mountainbikes entgegen. Du erinnerst dich, von einem Bike-Funpark in der Nähe gelesen zu haben. Irgendwann erreichst du die Mittelstation der Bergbahn. Die Knödel schmecken wirklich gut. Du würdest gerne noch einen Espresso auf der Terrasse genießen. Aber das klappt nicht so gut, es ist ziemlich laut hier und nach zwei Minuten bringt dir eine Bedienung ungefragt die Rechnung.

Du bezahlst und gehst weiter, überzeugt, dass jetzt der entspannte Teil der Tour kommt. Der, auf dem die tollen Bilder entstehen, die du online gesehen hast. Aber noch scheint es nicht so weit zu sein. Es geht auf dem schmalen Weg nur langsam voran. Immer wieder blockieren Menschen den Weg, um den perfekten Winkel für ein Foto zu finden. Du verstehst das, ein gutes Foto braucht nun mal Zeit. Licht, Hintergrund, Bildausschnitt: das alles macht man nicht im Gehen. Ein bisschen ärgerst du dich trotzdem über die ständige Warterei.

Der Schrecksee im Allgäu ist selten so einsam. Foto: DAV/Wolfgang Ehn

Wimmelbild statt Gipfel

Du kommst dem Gipfel immer näher. Du siehst dich bereits oben, den ganzen Trubel hinter dir. Bevor du die Einsamkeit genießen kannst, musst du dich noch einmal durch einen Pulk quetschen. Mittlerweile bist du schon ziemlich genervt, aber die Aussicht auf die Aussicht motiviert dich. Der Gipfel kommt in Sichtweite. Du bist ein wenig überrascht. Da, wo du Einsamkeit erwartet hast, geht es zu wie auf einem Wimmelbild. Muss nur ein Vorgipfel sein, denkst du dir. Auf dem echten bin ich dann allein.

Doch du täuschst dich. Der Vorgipfel ist kein Vorgipfel, sondern ein Gipfelplateau, auf dem sich gerade 200 Leute tummeln. Manche machen Brotzeit, andere beschallen ihre Umgebung mit einer dieser tragbaren Musikboxen. Einige scheinen den Gipfel mit einer Umkleidekabine zu verwechseln. Sie ziehen sich um, raus aus den verschwitzten Sachen, rein in was Repräsentativeres. Während du einen Platz suchst, an dem du deine Vesper essen kannst, fragst du dich, was es am Ende dieser Schlange geben könnte.

Voller Wanderparkplatz, Foto: DAV/Andreas Dick

Du hast noch nicht ganz aufgegessen, da musst du deinen Platz unfreiwillig räumen. Immer näher rücken die Neuankömmlinge, die unablässig heraufdrängen, an dich heran. Du wagst noch einen Blick ans Ende der Warteschlange. Dort steht ein junges Paar, das mit einem Handy Fotos jener Art macht, die du auf Instagram gut findest. Fotos mit nachdenklich in die Ferne schauende Menschen, denen man die Anstrengung des Aufstiegs nicht ansieht und die die vermeintliche Einsamkeit und Ruhe hier oben genießen. Geduldig und etwas irritiert schaust du dir die befremdliche Szenerie an. Nach wenigen Minuten überlassen die beiden ihren Fotospot den nächsten Wartenden.

Mit einem leichten Gefühl, betrogen worden zu sein, machst du dich auf den Rückweg zum Parkplatz. Beim Abstieg überlegst du dir, wie du künftig Modetouren meiden kannst:

12 Tipps um Modetouren zu vermeiden

  1. Instagram-Tourentipps meiden
    Du hast die Tour oder einen Ort auf Instagram oder einer anderen Social-Media-Plattform entdeckt, weil ein*e Influencer*in „atemberaubende Fotos” gemacht hat? Dann such dir lieber eine andere Tour aus. Denk daran, du bist nicht die einzige Person, die diesen Post sieht und die gleichen Fotos machen möchte. „Geheimtipps” in den sozialen Medien sind in aller Regel keine Geheimtipps.

  2. Bergbahn-Gipfel meiden
    Auf den Gipfel führt auch eine Bergbahn? Dann ist es unwahrscheinlich, dass du oben deine erhoffte Ruhe findest. Wenn du den Weg also ohne Bergbahn bewältigen kannst, könnte der Nachbargipfel für dich das lohnendere Ziel sein.

  3. Superlativ-Touren meiden
    Auf der Hütte, die auf dem Weg liegt, gibt’s den besten Kaiserschmarrn weit und breit? Sowas spricht sich schnell rum. Entsprechend voll sind dann auch die Zustiege zur und Gipfel um die Hütte. Du willst den Kaiserschmarrn trotzdem probieren? Unter der Woche ist oft viel weniger los als an einem sonnigen Samstag. Übrigens: Superlativ-Touren finden sich vor allem im Internet: 11 Berghütten, die man besucht haben muss; 7 Gipfel mit der großartigsten Aussicht; Die 53 schönsten Touren rund um Atlantis.

  4. Fernwanderweg-Teilstrecken meiden
    Der Weg überschneidet sich mit Strecken eines bekannten Fernwanderwegs? Dann rechne damit, dass du nicht allein unterwegs sein wirst. Besonders beliebte Fernwanderwege und Alpenüberquerungen wie der E5 von Oberstdorf nach Meran sind zu fast allen Zeiten stark frequentiert. Zugegeben, die Infrastruktur auf diesen Wegen ist gut, aber Einsamkeit braucht man da nicht zu suchen.

  5. Kinderwagenfreundliche Touren meiden
    Ist die Tour kinderwagengeeignet? Nicht viele Strecken in den Bergen kann man problemlos einen Kinderwagen hochschieben. Auf denen, wo es geht, wird es deshalb auch oft voll. Wem bei lachenden Kindern das Herz aufgeht, ist hier gut aufgehoben. Für ausgiebige Kontemplation sind diese Touren eher nicht geeignet.

  6. Wochenenden meiden
    Wo sich an den Wochenenden die Leute gegenseitig auf die Wanderstiefel treten, ist werktags oft deutlich weniger los. Es lohnt sich oft, mal einen Tag freizumachen und unter der Woche loszuziehen. Auch Züge und Parkplätze sind dann nicht so voll.

  7. Gut erreichbare Gipfel meiden
    Auf Touren, die nahe der Autobahn liegen oder gut von (Groß)Städten erreichbar sind, ist meistens mehr los. Wer sich die Mühe macht und ein Tal weiterfährt, wird oft mit Ruhe auf den Wegen und dem Gipfel belohnt. Touren mit einem Parkplatz direkt am Ausgangspunkt sind meist voller als solche, bei denen man erst eine Weile zum Startpunkt laufen muss. Eine andere Möglichkeit ist, mit dem Mountainbike tiefer ins Tal zu fahren. Idealerweise auf Strecken, auf denen keine Autos fahren dürfen oder können.

  8. Südseitige Aufstiege meiden
    Gerade in den frühen Sommermonaten sehnen sich die Leute nach Sonne. Auf der Südseite gibt es deshalb nicht nur Sonne, sondern auch viele Menschen. Mehr Einsamkeit und Ruhe gibt‘s auf der schattigeren und deshalb kühleren Nordseite, wo man auf Restschneefelder aufpassen muss. In den heißen Sommermonaten ist’s natürlich genau umgekehrt.

  9. Seenähe meiden
    Klar, nach einer anstrengenden Tour noch in einen See zu springen, klingt verlockend. Und selbst wenn man sich nicht ins kalte Wasser traut, der Anblick ist auch schon was wert. Weniger los ist aber auf Touren ohne “kristallklare Bergseen” mit “türkisblauem Wasser”. Und so ein steinernes Meer hat ja auch was.

  10. Morgenmuffel-Touren meiden
    Wer schon auf dem Gipfel steht, während andere noch am Frühstückstisch sitzen, hat einen Vorsprung. Früh aufstehen und loslaufen lohnt sich also. Achtung: frühestens mit der Morgendämmerung starten; davor gehört der Berg nachtaktiven Wildtieren. Gleiches gilt auch für Touren, die man erst am Nachmittag startet. Spätestens mit Beginn der Abenddämmerung sollten Menschen wieder im Tal sein.

  11. Kartenlesen lernen
    Wer eine Alpenvereinskarte lesen kann, kann seine Tour selbst erstellen und ist nicht auf vorgefertigte GPX-Tracks aus dem Internet angewiesen. Kartenlesen ist das Werkzeug, mit dem man tausende unbekannte Touren erstellen kann und sich selbst auf die Suche nach den wahren Geheimtipps machen kann.

  12. Überschreitungen
    Wer mit dem Auto in die Berge fährt, muss seine Tour auch wieder am Parkplatz beenden. Wer hingegen öffentlich anreist, kann an Bahnhof A ankommen und von Haltestelle B zurückfahren. Weil sich das scheinbar noch nicht herumgesprochen hat, ist man auf One-Way-Touren auch eher mal allein unterwegs.