Mit Plan durch den Winter

So geht das: Tourenplanung-Basics für den Winter

Der Winter naht mit großen Schritten. Egal, ob Skitourengehen, Freeriden oder Schneeschuhgehen: Wer sich ins weiße Vergnügen stürzt, sollte seine Ausflüge akkurat planen! Denn: „Wer genauer plant, irrt genauer!“, scherzte der Lawinenexperte Werner Munter.

Lawinenkundliche Planung

Für diesen im Winter entscheidenden Schritt ist immer der aktuelle Lawinenlagebericht (LLB) die Basis. Als Hilfsmittel dienen topographische Gebietskarte (ideal 1:25 000) und DAV Snowcard.

Tourenplanung im Winter Mantra Illustration: Georg Sojer

Schritt 1

Einschätzung des Unfallrisikos mittels ’30°-Methode‘, LLB und Snowcard. So geht´s im Detail:

  1. Potenzielles Lawinengelände erkennen: Schneebrettlawinen können sich ab 30° Hangneigung lösen, daher stellen alle Steilhänge >= 30° auf oder in Einzugsbereichen oberhalb der geplanten Route potenzielles Lawinengelände dar. Dieses gilt es, zunächst für die gesamte Route aus Hangneigungskarten oder den Höhenlinien mittels Böschungsmaßstab zu ermitteln. Viele Tourenplanungs-Apps markieren steilere Hangbereiche in den Farben gelb (30-35°), orange (35-40°) und rot (>40°).

  2. Schlüsselstellen finden: Alle Hänge, welche nach SnowCard ein erhöhtes Risko (d. h. gelbe, orangefarbene oder ggf. rote Risikobewertung nach Snowcard) aufweisen. Zu diesen Schlüsselstellen aus der SnowCard-Analyse kommen generell noch alle Steilhänge, die steiler als 30° sind und sich in der Kernzone laut LLB befinden, sowie Bereiche offensichtlich großer Konsequenzen (z.B. Hang über Felsabbruch) hinzu und ergeben in Summe die Anzahl der Schlüsselstellen für die geplante Tour.

  3. Im sicheren Bereich vor jeder Schlüsselstelle werden Checkpunkte festgesetzt.

  4. Dann wird ein Szenario für jeden Checkpunkt erstellt, in dem Kriterien zum Weitergehen/Abbruch/Plan B/Anwenden von Vorsichtsmaßnahmen (z.B. Einzeln Fahren) definiert werden

Die SnowCard ist das Werkzeug für die erste Risikoabschätzung: Auf der senkrechten Linie der LLB-Gefahrenstufe zeigen die Farben das statistische Risiko je nach Hangsteilheit an. Für Gelände, das nicht zu den „Gefahrenstellen“ des LLB zählt, darf man die SnowCard kippen – und die dann sichtbare Zuordnung für „günstig nach LLB“ verwenden. Gebrauch Snowcard

Einschätzung des Lawinenrisikos nach Hangneigung, Gefahrenstufe und Gelände mit der Snowcard. Quelle: DAV

Schritt 2

Analytische Gefahrenbeurteilung: Nicht immer wird es möglich sein, bereits in der Planung detaillierte Infos zur lokalen Ausprägung auftretender Lawinenprobleme, d.h. zur Schneedecke und Auslösewahrscheinlichkeit von Lawinen einzubeziehen.

Wenn sie aber zur Verfügung stehen, können sie zur Konkretisierung von Schritt 1 hilfreich sein (Beispiele: Aussage zur Auslösbarkeit von Lawinen im LLB, Schneedeckeninfos aus der nahen Umgebung, vorangegangener Touren, anderen Bergsportler*innen, etc.

Schritt 3

Die Einschätzung des individuellen Unfallrisikos in einer konkreten Situation ist nur möglich, wenn die Konsequenzen einer eventuellen Lawinenauslösung berücksichtigt werden:  Drohen ernstzunehmende Verschüttung oder gar fatale Verletzungen schon während des Lawinenabgangs? Welche Konsequenzen bezüglich der involvierten Personen ergeben sich (z. B. Verschüttung als Einzelgänger*in versus notfallkompetente, nichtverschüttete Gruppe)?

Schritt 4

Wenn bislang die Entscheidung auf „weitergehen“ steht, überlegt man, ob dabei Vorsichtsmaßnahmen (Entlastungsabstände, einzeln fahren/gehen) nötig sind. Für den Fall, dass die Tendenz Richtung „nicht gehen“ ausfällt, sollte man einen Plan B in der Tasche haben!

Schritt 5

Entscheidender Faktor des letztlichen Handelns bleibt immer der Mensch. Neben Erfahrung und Intuition spielen vor allem Wahrnehmungsfallen und Gruppenprozesse eine wesentliche Rolle für das Verhalten im Gelände. Dies sich bereits in der Planungsphase bewusst zu machen und mögliche Fallen zu erkennen senkt nachweislich das Unfallrisiko. Aber auch Gruppengröße und -können sowie die Kenntnisse der einzelnen Teilnehmenden sind wichtige Fragen im Rahmen der Tourenplanung.

Vor Ort und am Einzelhang wiederholt sich dieses Vorgehen Mantra-gleich. Hier lassen sich meist differenziertere Aussagen zu den verschiedenen Punkten treffen. Exakte Planung soll vor bösen Überraschungen schützen, endgültig entschieden wird vor Ort!

Anforderungen und Ausrüstung

Neben dem Lawinencheck sind in der Planungsphase die Anforderungen ans technische Können in Aufstieg und Abfahrt abzuklären. Wie steil, wie lang, wie schwer? Dazu sind Führerliteratur und Tourenforen in der Regel gute Infoquellen. Die gewählte Tour sollte niemanden in der Gruppe überfordern, die Ausrüstung muss passen (und beherrscht werden). Die Notfallausrüstung aus VS-Gerät, Lawinenschaufel und Sonde braucht jedes Gruppenmitglied. Rechnet man mit längeren Steilhängen oder sehr harten Schneebedingungen, müssen Harscheisen in den Rucksack. Als Gruppenausrüstung sollte je zwei Personen immer ein Biwaksack und ein Erste-Hilfe-Set dabei sein.

Zeitplanung

Die Zeitplanung verläuft analog zum Sommer. Aus Karte und Führer oder Tourenplanungs-Apps (z.B. alpenvereinaktiv, skitourenguru.com) ermittelt man die vertikale und horizontale Distanz. Eine Skitouren- oder Schneeschuhgruppe sollte ca. 300-400 Höhenmeter im Aufstieg und 4-5 Kilometer Strecke pro Stunde schaffen, je nachdem, ob Spurarbeit oder Tragepassagen angesagt sind. Die Gehzeit ist die Summe der beiden Werte, wobei man den niedrigeren Wert vorher halbiert. Zu diesem Wert kommen Pausen-, Umbau- und Abfahrtszeiten dazu. Der Zeitbedarf für die Abfahrt hängt stark ab von Fahrkönnen und Schneeverhältnissen, als Richtwert veranschlagt man ein Drittel der Aufstiegszeit (mit Schneeschuhen die Hälfte). Startzeit mit ausreichend Puffer (ca. 2 Stunden) wählen, so dass man vor Einbruch der Nacht sicher wieder zurück ist. Bei längeren Touren mit mehreren Auf- und Abfahrtspassagen ist ein Etappen-Zeitplan sinnvoll; dann kann man bei jedem Teilstück checken, ob man noch „im Plan“ ist.

Zwei moderne Möglichkeiten der Online Tourenplanung: Links Alpenvereinaktiv Karte mit Hangneigungslayer: Schlüsselstellen und Checkpunkte wurden händisch eingezeichnet. Rechts Skitourenguru: anhand des aktuellen LLB wird für ausgewählte Touren ein Lawinenrisiko berechnet, dabei werden auf der Karte statistisch errechnete lawinentypische Gefahrenstellen angezeigt. Der hier unterlegte Kartenlayer zeigt eine Abstufung (weiß bis rot) von lawinentypischem Gelände (eine flachere Stelle, die unterhalb eines Steilhang exponiert liegt wird hier somit auch als typisches Lawinengelände miteinbezogen) Quelle: DAV

Tipps zum cleveren Planen

  • Alle Hänge >30°  = potentielles Lawinengelände. 

  • Bereiche ab gelb nach SnowCard sowie Steilhänge > 30° in LLB-Kernzone und Bereiche offensichtlich großer Konsequenzen = verbleibende Schlüsselstellen. In diesen Bereichen ist besondere Vorsicht geboten, i.d.R. sollten Vorsichtsmaßnahmen angewendet werden bzw. auf rote Bereiche (hohes Risiko) verzichtet werden

  • Checkpunkte im sicheren Bereich vor jeder Schlüsselstelle

  • Szenario für jeden Checkpunkt erstellen (Kriterien für Gehen ja/nein; wenn ja, wie (Vorsichtsmaßnahmen) und Abbruch/Plan B definieren)

  • Können & Ausrüstung müssen zur Tourenanforderung passen

  • Zeitplan mit Puffer erstellen

  • Unterwegs „auf Unvorbereitetes vorbereitet sein“

Zuerst erschienen in DAV Panorama 01/19, aktualisiert von Markus Fleischmann & Lukas Fritz (01/2023)