Alpengarten mit Blick Richtung Hochblassen und Alpspitze
Blütenpracht im Alpengarten am Schachen mit Blick Richtung Hochblassen und Alpspitze. Foto: Jenny Wainwright-Klein
In neuer Blüte

Alpengärten

„Alpengärten – braucht’s denn das? Die Alpen sind doch ein einziger Garten!“, möchte man meinen. Und trotzdem freuen uns die kleinen Botanischen Gärten im Gebirge, wo alles „live“ und kompakt nebeneinander blüht und am besten gleich das Schild mit dem „richtigen“ Namen steht.

Renaissance der Alpengärten

Lange im Dornröschenschlaf, mancherorts aufgelassen, woanders fehlte der Nachwuchs im ehrenamtlichen Gartenteam, werden nun sogar neue Gärten angelegt. Dabei haben sie nicht nur die Aufgabe, die Vielfalt und Schönheit der Alpenpflanzen zu zeigen, sondern auch die Sensibilität für den Schutz und die Bewahrung der Bergwelt zu fördern. Oft liegen die Alpengärten direkt neben Berghütten und bieten so eine zusätzliche Attraktion für die Hüttengäste.

Schon einmal waren Alpengärten und die Alpenflora en vogue: in den 1880er Jahren gab der Deutsche und Österreichische Alpenverein (DuÖAV) erstmals einen aufwändigen „Atlas der Alpenflora“ heraus. Alpenblumen wurden damals nicht nur für die Liebste gepflückt, sondern auch schwunghaft gehandelt. Nicht nur als Blumenstrauß: Lebende Pflanzen wurden gewerbsmäßig ausgegraben und bis nach England versandt – für das eigene Alpinum daheim. Dieser Raubzug an der Alpenflora und das gleichzeitige Fehlen von Naturschutzgesetzen führte schließlich zur Gründung des „Vereins zum Schutze und zur Pflege der Alpenpflanzen“ (heute: Verein zum Schutz der Bergwelt) im Jahr 1900, der es sich unter anderem damals zur Aufgabe machte, Alpengärten anzulegen. Zunächst als „Pflanzenhort“ gedacht, sollten sie der wissenschaftlichen Forschung und der Umweltbildung dienen. Alsbald wurden mehrere Gärten angelegt oder finanziell unterstützt, von denen heute noch drei existieren: der Alpengarten auf dem Schachen, der Alpengarten bei der Lindauer Hütte und der Alpenpflanzengarten Vorderkaiserfelden.

Blaublühender Scheinmohn am Schachen. Foto: Jenny Wainwright-Klein

Alpengarten am Schachen

Der Alpengarten auf dem Schachen im Wettersteingebirge war von Anfang an eng mit dem Botanischen Institut in München verbunden und ist heute eine Außenstelle des Botanischen Gartens München. Seine Höhenlage bestimmt die klimatischen Voraussetzungen. Dort droben auf 1850 m ist es kühl und schneereich – gute Voraussetzungen für hochalpine Pflanzenarten. Maßgeblich ist auch die Geologie: Wettersteinkalk und Raiblersandstein stehen hier an. Dies eröffnet die Möglichkeit, sowohl Pflanzen aus Kalkgebiete als auch aus Silikatgebirgen zu kultivieren. Im Schachengarten sind daher alpine Pflanzenarten aus allen Gebirgen der Welt zu sehen – von den Alpen bis hin zum Himalaya, gegliedert nach Vegetationstypen.

  • Alpengarten auf dem Schachen (Wettersteingebirge/D), seit 1901

  • Botanischer Garten München-Nymphenburg

  • auf 1850 Meter Höhe, Größe: ca. 10.000 Quadratmeter

Alpengarten an der Lindauer Hütte

Hereinspaziert: Alpengarten der Sektion Lindau im Montafon. Foto: Monika Schwämmle

Der Alpengarten bei der Lindauer Hütte entstand zunächst in enger Zusammenarbeit zwischen der Sektion Lindau und der Alpenpflanzengärtnerei Sündermann, die noch heute in Lindau ansässig ist. Der Garten liegt auf einer Kalkmoräne, aber es konnten dort auch Silikatpflanzen kultiviert werden, da sich in der unmittelbaren Umgebung bis zu dreißig verschiedene Gesteinsarten finden lassen. Anfangs zeigte man Pflanzen aus vielen Gebirgen der Welt, v. a. aus den Alpen und aus Süd- und Südosteuropa.

Bei der Rekonstruktion in den 1980er Jahren setzte man dann neue Schwerpunkte. Seitdem findet man im Garten „Biotopnachbauten“, die die Pflanzenwelt des Montafon widerspiegeln. So werden beispielhaft Pflanzen der Bergmähderwiesen, Hochstaudenfluren, Schuttfluren oder des alpinen Fichtenwaldes gezeigt. Auf diese Weise erleben die Besucher die Flora in einer ähnlichen Umgebung wie auf ihren Wanderungen. Seit der Rekonstruktion haben Ehrenamtliche die Pflege des Alpengartens übernommen. Der Garten ist während der Blühzeit von Juni bis Mitte August fast durchgehend betreut, so dass die Gäste meist einen Ansprechpartner finden.

  • Alpengarten bei der Lindauer Hütte (Montafon/A), seit 1907

  • DAV Lindau

  • auf 1750 Meter Höhe, Größe: 1900 Quadratmeter

Alpenpflanzengarten Vorderkaiserfelden

Praktisch: Heimische Alpenpflanzen sind im Alpengarten beschildert. Foto: Heinz Staudacher

Der Alpenpflanzengarten Vorderkaiserfelden im Kaisergebirge – direkt neben der Vorderkaiserfeldenhütte gelegen – wurde gemeinschaftlich vom DAV München-Oberland und dem Verein zum Schutz der Bergwelt angelegt (VzSB) und wird seither von Ehrenamtlichen des VzSB betreut. Bald schon nach der Eröffnung 1930 war die Pflege des Gartens aufgrund von Grenzsperren und besonders dann in den Kriegsjahren erschwert. In der Nachkriegszeit wurde der Garten dann wiederhergerichtet und im Jahr 1952 das zweite Mal offiziell eingeweiht – damals mit fast tausend Pflanzenarten aus dem gesamten Alpenraum. Die ursprüngliche Gliederung des Gartens in „Ostalpen“, „Südalpen“, „Kaiser-Flora“ usw. (mit Schildern auf historischen Fotos dokumentiert) besteht immer noch und entspricht weitgehend dem heutigen Pflanzenbestand.

  • Alpengarten Vorderkaiserfelden (Kaisergebirge/A), seit 1930

  • Verein zum Schutz der Bergwelt

  • auf 1400 Meter Höhe, Größe: 600 Quadratmeter

Alpengarten Oberes Reintal

Die meisten Alpengärten werden ehrenamtlich gepflegt - hier der Garten im Oberen Reintal. Foto: Reinhard Mayer

Der Alpengarten im Oberen Reintal wurde 1988 von Ehrenamtlichen des DAV Augsburg angelegt und befindet sich in den Tannheimer Bergen zwischen der Otto-Mayr-Hütte und der Füssener Hütte inmitten bewirtschafteter Almwiesen. An flacheres Gelände mit Raiblerblöcken und einem Quellsumpf schließt sich ein Hang an, der nordseitig von einer hohen Felswand mit seilgesichertem Steig umschlossen wird. Hier wachsen und blühen rund 350 heimische Pflanzenarten der umliegenden Tannheimer Berge. Während der Saison wird der Garten mittwochs vom ehrenamtlichen Alpengarten-Team gehegt und gepflegt. Der Garten ist jederzeit offen und begehbar.

  • Alpengarten im Oberen Reintal (Tannheimer Berge/A), seit 1988

  • DAV Augsburg

  • auf 1540 Meter Höhe, Größe: 1800 Quadratmeter

Alpengarten am Kölner Haus

Der Alpengarten hinter dem Kölner Haus: Vier Stationen zeigen die Alpenvegetation. Foto: DAV Rheinland-Köln/Birgit Wesenberg

Der Alpengarten am Kölner Haus in der Samnaun-Gruppe wurde erst 2021 nach drei Jahren intensiver Vorarbeit von der DAV-Sektion Rheinland-Köln gegründet und eingeweiht. Ursprünglich handelt es sich um einen Teil der Komperdellalpe, die durch Einzäunung und sukzessiver  Aushagerung der Beweidung entzogen wird. Geologisch ist die Samnaungruppe sehr heterogen, wobei Silikatgesteine dominieren. Das Bepflanzungskonzept im Alpengarten basiert darauf, hochalpine Pflanzenarten beider Einheiten (Silikat und Kalk) zu zeigen und die natürliche Vegetation der Region in vier Stationen zu spiegeln. Pflege und Unterhalt wird in mehreren Arbeitseinsätzen pro Jahr durch Ehrenamtliche geleistet.

  • Alpengarten am Kölner Haus (Samnaungruppe/A), seit 2021

  • DAV Rheinland-Köln

  • Meereshöhe: auf 1965 Meter Höhe, Größe: 1700 Quadratmeter

Netzwerk Alpengärten

Warum werden hier diese fünf Gärten vorgestellt? Der Verein zum Schutz der Bergwelt knüpft an seine Ursprünge an und hat eine Vernetzungsplattform für Alpengärten ins Leben gerufen – insbesondere für Sektionen, die selbst bereits einen Alpengarten betreiben oder die Anlage vorhaben. Im März 2022 fand online ein erstes Vernetzungstreffen statt, bei dem die Gartenteams der fünf genannten Anlagen „ihren“ Garten präsentierten. Weitere Treffen sollen in jährlichem Abstand folgen, zu denen auch weitere Sektionen oder andere Organisationen gerne dazukommen sollen (Kontakt: info[Klammeraffe]vzsb[Punkt]de).  Darüberhinaus gibt es ein Netzwerk der Arktisch-Alpinen Gärten in Europa. Es wurde 2001 von Dr. Andreas Gröger (Botanischer Garten München-Nymphenburg) gegründet und trifft sich etwa alle drei Jahre.

Autorin: Dr. Sabine Rösler ist Botanikerin und Erste Vorsitzende des Vereins zum Schutz der Bergwelt.

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