Illustration: Ein Wanderer liegt der Länge nach auf dem Weg. Er hat die weiße Fahne gehisst und gibt auf.
Bedrängnissituation am Berg: Tourabbruch. Illustration: Marmota Maps/Lana Bragin
Tourenplanung

Tourabbruch

Kennst du das?: Ich musste die Tour aufgrund von Zeit, Wetter, Verhältnisänderungen und/oder Überforderung abbrechen.

Theoretischer Hintergrund

Hast du dich entschieden eine Tour abzubrechen, bist du zunächst sicher enttäuscht über den Ausgang. Doch wahrscheinlich hast du richtig gehandelt. Denn äußere Einflüsse (Zeit, Wetter, Verhältnisse) oder eine persönliche Überforderung haben in deiner Risikoanalyse dazu geführt, dass du umgedreht bist.

Es ist mental sehr schwierig, von einem zuvor gesteckten Ziel abzuweichen; sich einzugestehen, dass es keinen Sinn macht, weiterzugehen. Ebenso schwierig ist es, dieses Handeln nicht als eigenes Versagen zu verbuchen, sondern als Erfolg und richtiges Handeln zu bewerten.

Prävention

Verschiedene, im folgenden erläuterten Szenarien können zum Abbruch einer Tour führen. Analysiere, was auf deine Situation zutraf:  

Zu spät aufgebrochen:

Diese Erfahrung kann mit einer richtigen Zeitplanung vermieden werden, inklusive Berechnung der benötigten Zeit, einer guten Struktur beim Aufstehen, Rucksack packen usw.. Um pünktlich aufzubrechen, braucht man eine realistische Vorstellung, des eigenen Zeitbedarfs bzw. Zeitbedarfs der Gruppe zwischen Aufstehen und Aufbruch vor Ort. Mit einbeziehen solltest du: alle Handlungen vom Aufstehen, Frühstücken, Toilettengang, Bezahlen der Hütte, Packen des Rucksacks, Orientieren vor der Hütte (Wetter, Richtung) bis zum Losgehen. Bei der genauen Berechnung der Tourenlänge, abhängig von der Kondition und dem Können der Teilnehmenden, rechnen wir bergauf mit 400 Höhenmetern und 4 Kilometern in der Stunde. Für deine Tour bekommst du also zwei Werte: einen für die horizontale Distanz und einen für die vertikale Distanz. Nun addierst du die Hälfte des kleineren Wertes zum größeren Wert dazu. Das ergibt deine Gehzeit ohne Pausen. Für die Pausen kannst du noch einmal ein Drittel der Gehzeit hinzurechnen. Bei ungeübten oder gemütlichen Personen kannst du sogar die Hälfte der Gehzeit als Pausenzeit annehmen. Deine Gesamtzeit ist also die Summe aus der Gehzeit und der Pausenzeit.

Sonnenaufgang. – Bei (besonders) langen Bergwanderungen ist ein (besonders) früher Start ratsam. Foto: AdobeStock

Wetter: Regen – Gewitter – Nebel:

Der Wetterbericht ist bei der Tourenplanung das A und O. In den für den Alpenraum zuständigen Wetterberichten (alpenverein.de/Bergwetter, zamg.ac.at, meteoschweiz.ch) werden zusätzlich zu den allgemeinen Wetterinformationen Aussagen über das spezifische Bergwetter getroffen. Zudem gibt es auf den Wetterportalen auch Gewitterwarnungen und Regenradare, um noch besser die Lokalität eines Gewitters einzuschätzen. Sei dir bewusst, dass sich die Bewölkung im Verlauf eines Tourentages stark verändern kann. Beispiel: klarer Morgen, aufziehende Quellwolken am Mittag, verhangene Berge am Nachmittag. Diese Informationen musst du dir vor jeder Tour tagesaktuell einholen. Wettervorhersagen, die einen Vorhersagezeitraum von drei Tagen und mehr angeben, werden i.d.R. immer unzuverlässiger.
Daneben ist es wichtig, den Himmel und aufziehende Bewölkung während der gesamten Wanderung zu verfolgen, um entsprechend reagieren zu können. Z.B. ein GPS oder Handy zur Navigationshilfe mitnehmen, wenn man mit Nebel rechnen muss, die Tour aber trotzdem gehen möchte. Oder du entscheidest dich für eine Alternativtour.

Bei totaler Nebelsuppe: bleibe stehen, vergewissere dich über deinen Standort, verlangsame dein Tempo, sodass du dich exakt an den Wegverlauf halten kannst, bleibe als Gruppe zusammen und lasse dich nicht beunruhigen.

Bei Regen: Checke für dich ab, ob du die geplante Tour auch bei Nässe durchführen willst und kannst! Triff Vorkehrungen wie: Regenkleidung, trockene Wechselwäsche (im wasserdichten Rucksack, Rucksack mit Regenhülle oder Plastiktüte verstaut), Mütze einpacken. Den besten Schutz vor Regen bietet nach wie vor ein Regenschirm. Je nach Höhenlage gehören Handschuhe dazu. Es ist wichtig zu wissen, dass bei Nässe und leichtem Wind die Gefahr der Unterkühlung drastisch steigt, auch wenn du noch bei Plusgraden unterwegs bist. Wobei die Nässe Auskühlung viel stärker beeinflusst als der Wind.

Bei Gewitter: Früh aufbrechen – rechtzeitig Schutz suchen und den Rückzug antreten, ist die erste Devise! Insbesondere zwischen Mai und August ist die Gewittergefahr am größten und es gibt eine hohe Neigung zu nachmittäglichen Wärmegewittern. Bei Hinweisen auf Gewitter solltest du schon bei der Tourenvorbereitung einen möglichen Schutz (Almen, Hütten ...) oder Notabstieg einplanen und die Tour möglichst früh beginnen. Daneben ist es wichtig, den Himmel und die Wetterentwicklung während der gesamten Wanderung zu verfolgen, um entsprechend reagieren zu können. Beobachte sich rasch auftürmende Quellwolken oder eine heranziehende Wolkenfront genau. Besonders aufpassen sollte man bei hoher Gewitterwahrscheinlichkeit wie schwüler, feuchter Luft und Dunst am Morgen. Die wichtigsten Verhaltensregeln sind: Gipfel, Grate und exponierte Geländepunkte sofort verlassen, alleinstehende Bäume, Drahtseile, Liftstützen, Wasserläufe meiden, Metallgegenstände in sicherer Entfernung ablegen.

Überforderung – war es eher eine konditionelle oder eine psychische Überforderung?

Stelle dir im Vorfeld einer Tour immer zwei Fragen: Bin ich der Tour konditionell, motorisch und psychisch gewachsen? Und: Möchte ich mich dieser Tour jetzt wirklich aussetzen?

Im Nachhinein ist es wichtig, zu überlegen, was zur Überforderung geführt hat. Falls tatsächlich mangelnde Kondition zu dieser Bedrängnissituation geführt hat, ist es wichtig, sich beim nächsten Ziel mit einer weniger anspruchsvollen Tour zu begnügen oder den Körper zu trainieren und fitter zu werden. Siehe Kondition aufbauen.

War es hingegen eher eine psychische Überforderung, dann macht es einen Unterschied, ob die psychische Überforderung bei einer Tour aufgetreten ist und vorher bereits klar war, dass man an die eigenen Grenzen herangehen würde, oder ob die Tour nach der eigenen Selbsteinschätzung psychisch nicht überfordernd hätte sein dürfen.

Im ersten Fall zeigt die psychische Überforderung eine persönliche Grenze an, über die nicht einfach hinweggegangen werden sollte. Will man entsprechende Touren auch zukünftig unternehmen, sollte man genau überlegen, wie man das Gefühl psychischer Souveränität stärken kann.

Zeitnot und Überforderung als Gründe dafür, Touren abbrechen zu müssen, können auch mit Gruppeneffekten und nicht kommunizierten eigenen Bedürfnissen zu tun haben.

Schwierige Wegverhältnisse:

Die Natur verändert sich täglich – respektiere die Grenzen und kehre im Zweifel um. Die rein technischen Schwierigkeiten einer Tour sind das Eine, das Andere sind die aktuellen Verhältnisse. Damit ist gemeint, dass alle äußeren Einflüsse einen Weg schwieriger begehbar machen können, als er eigentlich ist.

Typische Überraschungen können sein: Vereiste Wegpassagen in Schattenlagen im Herbst, Altschneefelder in Rinnen und Mulden im Frühsommer, starke Wasserführung von Bachläufen in der Schmelzperiode, Lawinenreste, Felsstürze oder Muren (Schlammlawinen), die Wege versperren, nach Unwettern weggerissene Brücken, abgerutschte Wegpassagen, fehlende Wegmarkierungen, fehlende Drahtseile, gefährlich unterspülte Schneedecken im Frühsommer, undurchdringliche Wegpassagen nach Windwürfen oder nach Holzbruch nach schweren Wintern.

Einige dieser Überraschungen sind als Gefahr offensichtlich, andere müssen gewusst werden (wie z.B. unterspülte Schneedecken). Ist die Gefahr erkannt, muss bewertet werden, wie mit ihr umzugehen ist. Wege im Gebirge nehmen meistens das günstigste Gelände. Umgehungen von Wegpassagen müssen im anspruchsvollen Gelände genau abschätzbar sein. Auch muss bewertet werden, ob die vorliegende Überraschung nur diese Passage betrifft, oder vermutlich auch weitere (wie z.B. bei Vereisung). Dann kann entschieden werden: Weiter auf dem Weg (der dann schwieriger ist), Umgehung oder Abbruch der Tour.

Entwicklungsperspektive

Im Nachhinein kannst du nochmals analysieren, welche Faktoren zu deiner Entscheidung auf Tour geführt haben. Diese Einflussgrößen – wie zum Beispiel mangelnde Fitness oder eine unzureichende Tourenplanung – kannst du beim nächsten Mal stärker beachten, damit du deine neuerliche Tour mit größerer Wahrscheinlichkeit zu Ende bringen kannst. 

Manchmal ist aber auch schon zu Beginn klar, dass die Tour nur bei optimalen Bedingungen vollständig durchgeführt werden kann. In diesem Fall kommt der Abbruch wenig überraschend. Und einen Versuch war es wohl trotzdem wert. Nimmst du dir eine solche Tour vor, denke immer in verschiedenen Optionen und halte dir Rückzugsmöglichkeiten offen.