An einem hochsommerlichen Tag wandert eine Frau auf einem schmaler werdenden Bergweg durch den Wald. Sie ist von hintern zu sehen, unter und zwischen viel Grün der Bäume.
Die Wanderung am Tegelberg führt durch Wald. Foto: AdobeStock
Zwischen Urwald, Bannwald und Forst

Ein Who is Who der Wälder

In den Alpen unterwegs sein – das bedeutet fantastische Ausblicke von Gipfeln. Und vielfach auch, sich erst einmal im Wald zu bewegen. Wer dabei genauer hinschaut, bemerkt: Wald ist nicht gleich Wald. Mal monotone Schotterwege durch ebenso monotone Fichtenplantagen, mal schmale Steige entlang sich selbst überlassener, wilder Waldhänge. Und wer länger und immer aufs Neue beobachtet, merkt: einiges ist im Wandel.

Europäische Wälder – damals und heute

Einst war Europa nahezu komplett bewaldet; bis der Mensch über Jahrhunderte immer mehr Bäume rodete, um die frei gewordenen Flächen zu besiedeln und zu bewirtschaften. Als Rohstoff wurde Holz immer konsequenter aus dem Wald entnommen.

Heute wird vor allem im Tourismus euphemistisch von „Urwald“ und „Wildnis“ gesprochen, kaum dass ein paar Bäume sich selbst überlassen werden. Fakt ist: In den allerwenigsten Wäldern Europas wurde seit Jahrhunderten kein Baum mehr gefällt. Seit einigen Jahren richtet sich das Augenmerk aber darauf, mehr Wälder wieder sich selbst zu überlassen.   

Ab wann sind Bäume ein Wald?

Eine international geläufige Definition ist die der Welternährungsorganisation (Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen/FAO):

Demnach spricht man dann von einem Wald, wenn ausgereifte Bäume in winterkalten Gebieten (also vor allem zwischen dem 40. und 50. Breitengrad) mindestens drei Meter hoch sind, im gemäßigten Klima (also in unseren Breiten) sollten sie mindestens sieben Meter erreicht haben. Die Baumkronen müssen wenigstens ein Zehntel der Bodenfläche überschirmen. Die baumbestandene Fläche muss mindestens 0,5 Hektar/5000 Quadratmeter groß sein, um als Wald zu gelten.

Wald – einfach wild oder Hochleistungs-Holzlieferant?

Schaut man darauf, inwiefern ein Wald sich selbst überlassen oder ob er doch eher als Holzlieferant genutzt wird, lassen sich drei Grundtypen unterscheiden:

Urwald/Primärwald

Ein Wald, der noch nie (oder seit Jahrhunderten nicht mehr) vom Menschen beeinflusst und genutzt wurde. Abgesehen von (schrumpfenden) Regenwaldflächen rund um den Äquator gibt es nur noch extrem wenige tatsächlich unberührte Wälder. In Europa findet man kleine Waldstücke in schwer zugänglichen Bergregionen auf dem Balkan, in den Karpaten. Waldparzellen im Nationalpark Biogradska Gora in Montenegro oder im Rothwald in den österreichischen Kalkalpen gelten als die ursprünglichsten des Kontinents.

Sekundärwald/Naturwald

Wo der Mensch oder auch Naturereignisse wie Vulkanismus oder Hochwasser einen Primärwald zerstört haben, die Fläche dann aber wieder sich selbst überlassen ist, kann ein Sekundärwald entstehen. Genügend Zeit vorausgesetzt, siedeln sich hier auch wieder Arten aus Primärwäldern an. Der (tropische) Sekundärwald ähnelt nach (nur) knapp 70 Jahren sehr dem Urwald und hat etwa 90 Prozent von dessen Biomasse. Naturnahe Wälder mit Urwaldcharakter sind daher sehr wertvoll, jedoch oft nicht dauerhaft vor Abholzung geschützt; häufig fehlen genaue Kartierungen.

Forst

Ursprünglich wurde dieser Begriff für einen königlichen Wald oder Bannwald verwendet; heute sind mit dem Begriff ganz allgemein bewirtschaftete Wälder gemeint. Die Unterscheidung von „Wald“ und „Forst“ ist dabei selten trennscharf, häufig werden die Begriffe synonym verwendet. 

Geschützter Wald, der schützt

Bis etwa Mitte des 19. Jahrhunderts waren in mitteleuropäischen, ursprünglich gewachsenen Wäldern Laubbäume vorherrschend, vor allem Rotbuchen kamen hier vor. Heute machen Laubbäume nur noch etwa ein Drittel des hiesigen Baumbestands aus. Der Grund: Der Mensch verbraucht viel Holz. Nadelbäume, wie beispielsweise Fichten oder Kiefern, sind ertragreicher und anspruchsloser als die meisten Laubbäume, die wirtschaftlich genutzt werden. Daher hat der Mensch die Laubbäume im Laufe der zurückliegenden zweihundert Jahre immer häufiger durch Nadelbäume ersetzt.

Doch Wald spielt für den Menschen auch anderweitig eine wichtige Rolle: Er kann vor verschiedenen Naturgefahren schützen oder schlichtweg der Erholung dienen. In den zurückliegenden Jahren wurde außerdem immer deutlicher, dass gesunde und vielfältige Wälder eine wichtige Rolle für den Erhalt der Biodiversität und gegen die Klimaerwärmung spielen. – Gute Gründe, solche Wälder kleinteilig oder großflächig zu schützen, beispielsweise als Natur- oder Wasserschutzgebiet. Auch gibt es immer mehr Flächen, die bisher intensiv forstwirtschaftlich genutzt wurden und die sich nun wieder naturnäher entwickeln sollen und dürfen.

In Deutschland schützt zum einen das Bundeswaldgesetz Waldgebiete; außerdem hat jedes Bundesland eigene Gesetze, mit denen Wälder der reinen forstwirtschaftlichen Nutzung entzogen werden. Bäume können hier nicht ohne weiteres gefällt werden, mitunter ist auch die Freizeitnutzung eingeschränkt. In Bayern beispielsweise sieht das Bayerische Waldgesetz zahlreiche Schutzwälder, Bannwälder, Naturwaldreservate oder auch Erholungswälder vor – viele von ihnen befinden sich auch in den Alpen und Voralpen.

Am Breitenberg bei Pfronten – unten dicht bewaldet, oben harren nahezu ausschließlich Krüppelkiefern aus. Foto: AdobeStock

Schutzwald

Als Schutzwald sind vor allem Waldgebiete ausgewiesen, die vor Lawinen, Steinschlägen und Felsstürzen, Murenabgängen, Hochwassern und Sturmschäden schützen sollen. Ein Schutzwald ist daher meist ein Bergwald oberhalb von Ortschaften, Straßen und Eisenbahngleisen; in Kamm- oder Hochlagen der Alpen oder auch von Mittelgebirgen.

Im bayerischen Alpenraum beispielsweise ist etwa die Hälfte der Fläche mit Wald bedeckt – 260.000 Hektar. Davon wiederum mehr als die Hälfte – 147.000 Hektar – sind als Schutzwald ausgewiesen.

Übrigens: Jedes Jahr veranstaltet der Deutsche Alpenverein in Zusammenarbeit mit den Bayerischen Staatsforsten und der Bayerischen Forstverwaltung freiwillige, einwöchige Arbeitseinsätze im alpinen Schutzwald.

Intakte Bergwälder bieten Schutz vor Schneelawinen und anderen Naturereignissen. Foto: DAV/Arvid Uhlig

Bannwald

Der Begriff „Bannwald“ bedeutete ursprünglich, dass dem jeweiligen Landesherrn die Nutzung des Waldes vorbehalten war. Heute wird der Begriff überwiegend für ein als Ganzes erhaltenswertes Waldstück verwendet, das ganz konkrete Schutz- oder Erholungsfunktionen erfüllen soll.

So ist dies nach dem Bayerischen Waldgesetz der Fall, wenn der Wald eine besondere Bedeutung für das Klima, den Wasserhaushalt oder für die Luftreinigung hat – rund um München beispielsweise der Deisenhofener, Ebersberger, Grünwalder und Perlacher Forst. Bäume dürfen in Bannwäldern meist nur unter strengen Auflagen gerodet werden. Auch in den (Vor-)Alpen gibt es stadtnah Bannwälder, beispielsweise bei Bad Reichenhall am Thumsee.

Übrigens: Der Begriff „Bannwald“ wird in verschiedenen Alpen- und Bundesländern nicht einheitlich verwendet. So geht in Baden-Württemberg der Bannwald-Status damit einher, dass ein solcher Wald sich komplett selbst überlassen ist, oft schon seit Jahrzehnten nicht mehr bewirtschaftet wurde und ein „Urwald von morgen“ entstehen soll, also ein Sekundär- bzw. Naturwald.

Forstwälder, wie hier der Perlacher Forst südlich von München, können als Monokultur viel Holz liefern – oder wichtige andere Funktionen erfüllen. Foto: AdobeStock

Naturwald

In Bayern – insbesondere entlang der Alpen zwischen Berchtesgaden und Garmisch-Partenkirchen – werden solche Wälder, die sich wieder ohne lenkenden Einfluss des Menschen weiterentwickeln sollen, inzwischen als „Naturwälder“ geführt: Umgestürzte Bäume bleiben dort nunmehr liegen, einzelne Bäume sterben ab, es entstehen Lücken ... und im besten Fall finden zunehmend mehr Arten wieder wertvolle Nischen zum Leben. Teils sind diese Wälder schon lange nicht mehr bewirtschaftet und schon wieder stark verwildert. Wer bewusst eintaucht, nimmt wahr, dass die Wälder schon heute ein ganz eigenes Aussehen haben, dass sie eigen klingen, eigen riechen.     

Gut zu wissen: ganz bewusst ist das Betretungsrecht in diesen Naturwäldern nicht eingeschränkt. Wichtig ist, sich den Naturwäldern mit Bedacht zu nähern und sich freiwillig im Verzicht zu üben, um besonders empfindliche Standorte und Lebensgemeinschaften nicht zu schädigen. Zum eigenverantwortlichen Unterwegssein gehört auch, auf mögliche Gefahren zu achten, beispielsweise nach starken Stürmen oder Schneefällen (Windbruch oder Schneebruch).

Sich einen Überblick über die Naturwälder in Bayern zu verschaffen, ist ganz einfach mit dem Bayernatlas.  

Im Lattengebirge (mit Blick auf die Berchtesgadener Alpen): auch hier haben mehrere Waldstücke den Naturwald-Status. Foto: AdobeStock

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