Auf der Liberty Ranch züchtet und trainiert Albert Leichtfried mit seiner Frau Berberpferde nach den puristischen Prinzipien von Natural Horsemanship. Seit fast zehn Jahren leitet er die österreichische Bergführerausbildung - und dass er auch noch studierter Meteorologe ist, ging in diesem Gespräch leider völlig unter...
Eins mit den Pferden sein
Malte Roeper: Du hast mal gesagt, aus der Arbeit mit euren Pferden kannst du viel fürs Führen übernehmen, wie kann man sich das vorstellen?
Albert Leichtfried: Die Arbeit im Sinne von Natural Horsemanship ist der natürliche Zugang zum Pferd, nach diesen Grundsätzen bilden wir unsere Pferde aus. In einer Pferdeherde gibt es eine Leitstute, das ist das mental stärkste Tier, diese Rolle wird auch eigentlich nie ausgekämpft. Und die versucht der Horseman quasi nachzumachen. Man muss zu hundert Prozent authentisch sein, wenn man wirklich ein Pferd führen will. Wenn man da mit einer Kleinigkeit an Unsicherheit kommt, wird das Tier die Führung infrage stellen.
Bei anderen Herdentieren wie Wölfen oder Hirschen wird die Rangordnung ziemlich erbittert ausgefochten - bei Pferden nicht?!
Es gibt schon Rangkämpfe, aber vor allem bei den Hengsten. Es gibt ja auch einen Leithengst, der zur Leitstute dazugehört. Und bei den Hengsten gibt es Rangkämpfe, die können auch tödlich enden. Wenn man jetzt zum Beispiel zu unseren Hengsten von außen ein männliches Tier dazu gibt, dann wird das wahrscheinlich nicht so gut ausgehen.
Aber schlussendlich betrifft das, was ich gesagt habe, vor allem die Leitstute. Sie trifft wirklich die Entscheidungen, wo die Herde hinzieht, welches Tier gedeckt wird, wie die Jungpferdeaufzucht vonstattengeht. Das entscheidet alles die Leitstute. Und der Leithengst ist quasi dazu da, dass er die Sachen umsetzt und Ordnung in der Herde wiederherstellt. Das wirkliche Leittier ist die Stute.
Das heißt, du als Horseman imitierst eigentlich Horsewoman?
So kann man es sehen...jedenfalls bist du als Mensch, egal ob Mann oder Frau, natürlich nicht so akzeptiert wie ein anderes Pferd, das musst du dir erarbeiten und natürlich macht ein Mensch immer wieder Fehler, die eine Leitstute nicht machen würde.
Du versuchst, die Leitstute zu imitieren, so dass du in einer kritischen Situation trotzdem Ruhe bewahren und Entscheidungen treffen kannst, ohne dass du Emotionen zeigst. Emotionen sind einfach der Killer für Führung: alles, was mit Zorn, Ärger, Druck - mit Gewalt sozusagen vonstattengeht, ist keine qualitative Führung. Und natürlich wird der Mensch immer wieder auch Dominanz einsetzen, wie der Leithengst auch.
Das wird nicht ausbleiben, aber wenn ich jetzt über Jahre diese Führungsqualität am Pferd zeige, wird es wirklich zu meinem Partner werden. Über die Dominanz wird es zwar gehorchen, aber es wird nie diese Partnerschaft entstehen, wie wenn man die qualitative Führung einer Leitstute nachahmt.
Das Ziel ist nicht möglichst großer Gehorsam, sondern eine möglichst enge Verbindung?
Genau, das Ziel ist die Einheit zwischen Mensch und Pferd, so dass es dann nur noch eine Bewegung und einen Gedanken gibt, das ist echte Partnerschaft. Du kannst mit Dominanz ein Pferd kontrollieren, du kannst es gefügig machen, dass es all das tut, was es tun soll.
Aber wenn der Druck aufhört, dann wird das Pferd versuchen wieder weg von dir zu gehen. Und der echte Partner, der bleibt bei dir. Das ist das Spannende und da ist auch die Verbindung zur Bergführerei oder zur Führung von Menschen allgemein.
Das Faszinierende ist, wie schnell das Pferd reagiert, wenn deine Bewegungen, deine Handlungen nicht ganz mit deinen Gedanken zusammenpassen. Viele Reiter werden das gar nicht erkennen können, weil sie es nicht gelernt haben oder nicht spüren können, aber das ist eine ganz große Aufgabe, eine ganz große Schule des Lebens.
Das funktioniert ja auch: am rechten Zügel ziehen, das Pferd spürt den Schmerz, will dem Schmerz ausweichen und wird nach rechts gehen. Und wenn es merkt, dass der Schmerz dann nachlässt, wird es nächstes Mal dem Schmerz wieder ausweichen - das ist Dominanz.
Echte Partnerschaft geht in die Richtung, dass du nach rechts denkst und deine Gedanken in deinem Körper eine gewisse Gewichtsverlagerung machen oder wie auch immer das geht, ich weiß es nicht. Aber es kann wirklich auf deine Gedanken reagieren.
Und dann bleibt noch die Freiheit des Pferdes, ob es diesen Gedanken folgen will oder eben nicht. Und das macht es dann nur, wenn diese innige Partnerschaft als Art von Führung vorhanden ist.
Man zieht also nicht am Zügel, sondern verlagert sein Gewicht ganz leicht nach rechts?
So wie du die Bewegung vormachst, ist es viel zu stark... es sollte von außen nicht sichtbar sein, so dass du wirklich selber denkst, hm, habe ich jetzt echt nur daran gedacht und es hat schon reagiert? Du weißt selber nicht genau, wie das jetzt funktioniert hat. Aber es gibt irgendwas zwischen den Körpern, was das Pferd spüren kann.
Hast du gleich mit dieser puristischen Methode angefangen oder bist du irgendwann umgestiegen?
Ich habe direkt so angefangen. Ich habe bei meiner Frau zugeschaut und mir das natürlich auch ganz anders vorgestellt, nämlich so, wie du es beschrieben hast. Aber bei ihr begann die Arbeit gar nicht am Sattel, sondern am Boden: Verbindung, Respekt, Kontrolle aufbauen.
Und erst wenn die Beziehung stimmt, wird aufgestiegen. Das hat mich sofort begeistert, ist aber in einer Zeit passiert, wo ich noch sehr viel mit dem Eisklettern unterwegs war. Wo ich gewusst habe, das braucht so viel Zeit, das passt momentan einfach nicht. Und ein paar Jahre später war es dann so weit, dass ich das anfangen wollte.
Ihr habt ihr euch also über das Reiten kennengelernt?
Nein, '97 auf einem Skilehrerkurs, wir haben dann miteinander am Arlberg gearbeitet und sind auch durch diese Bergverbundenheit immer wieder auf Reisen gegangen, Vroni ist ja auch eine begeisterte Kletterin. Und angefangen hat es dann, als wir in die Nähe von Innsbruck umgesiedelt sind.
In der Nachbarschaft waren Pferde, da hat sie das wieder entdeckt, sie ist als junges Mädchen schon geritten. Und so richtig angefangen hat es mit einer Sizilienreise, da hat Vroni eine Berberzüchterin kennengelernt. Und zwei Jahre später hat sie ein Pferd von dieser Züchterin genommen.
Ursprünglich waren wir nur zum Klettern auf Sizilien, sind aber dann immer wieder auch Reiten gegangen. Und da habe ich so ein bisschen angefangen. Und über die Jahre hat sich das fortgesetzt, bis wir eben auf dem Platz angekommen sind, wo wir jetzt leben: in einem Bergbauernhof, wo wir unsere Berberpferde züchten.
Pferde züchten auf 1800 Metern Höhe
Eure Ranch liegt auf achtzehnhundert Metern - um das ganze Jahr dort zu leben, ist das verdammt hoch...
Eigentlich war die Idee ja auch, dass wir nur über den Sommer bleiben, es hat uns aber dann so gut gefallen, dass wir gesagt haben, probieren wir das mal über den Winter. Haben dann einige Umbauten am Hof gemacht und mittlerweile sind wir eigentlich in einem Paradies. Auch weil im Sommer die Temperatur nicht allzu extrem wird, für die Pferde ist das sehr angenehm.
Verstehe, diese Klimawandelsommer mit permanent fünfunddreißig Grad sind natürlich nicht optimal...
Genau - und hier haben wir meistens so zwischen 15 und 25 Grad im Sommer, das heißt auch, das ganze Thema mit Insekten und Ungeziefer ist ein anderes als im Tal. Und über den Winter funktioniert es gar nicht so schlecht, wir haben unseren Auslauf, den wir räumen müssen, aber den können wir auch dann konstant reitbar halten, wenn er schneebedeckt ist.
Auch da haben wir einen Vorteil gegenüber Außenplätzen im Tal, die dann irgendwann zufrieren und eigentlich nicht mehr reitbar sind. Bei uns gibt es eigentlich von Dezember bis März normalerweise keine Plustemperaturen, also der Sand friert natürlich, aber die Schneebedeckung drüber bleibt eigentlich immer trocken und so, dass man reiten kann.
Und Neuschnee wird einfach flach getrampelt, indem ihr täglich mit den Pferden rausgeht?
So einfach ist es leider nicht, wenn du ihn immer liegen und zusammentrampeln lässt, dann entsteht schon Eis. Vor allem wenn viel Neuschnee kommt, fräsen wir den Platz aus. Man muss schon was tun, sonst wird es eine Buckelpiste.
Wie hat sich das mit der Zucht entwickelt?
Wir haben jetzt vier Zuchtstuten, die Hengstlinie noch dazu, das sind ausgewählte algerische Berber aus dem Atlasgebirge. Die Vorfahren von eigentlich fast allen Pferden stammen aus den Bergregionen von Algerien.
Dadurch sind sie von vornherein sehr robust und unsere haben auch kein Problem, wenn sie bei minus 20 Grad draußen sind. Manchmal, wenn es nass ist, dann werden sie ein bisschen eingedeckt, dass die Nieren geschützt sind, aber eigentlich bilden sie, weil sie immer draußen sind, einfach ihren Winterpelz.
Klingt im ersten Augenblick streng, aber vermutlich ist es das gar nicht.
Wenn sie im Stall gehalten werden, wie die meisten Pferde im Tal, die halt in einer warmen Box stehen, dann verkühlen die sich gerne, wenn sie rausgehen. Deswegen werden sie zugedeckt, wenn sie draußen sind. Bei uns war das Erste, was wir gemacht haben, Türen und Fenster raus zu reißen, damit im Stall ungefähr die gleiche Temperatur ist wie draußen, damit sie keine künstliche Situation haben, sondern dass sie sich eigentlich selbst auf den Winter vorbereiten.
Schon im August, wenn die Nächte ganz leicht kühler werden, verändert sich das Fell, das wird in den nächsten Monaten langsam ein Pelzmantel. Es resultieren keinerlei Schwierigkeiten oder Krankheiten daraus.
Obwohl die aus Algerien stammen? In einem offenen Stall auf achtzehnundert Metern Höhe?
Aber sie haben eben immer ihren Pelzmantel an. Der entsteht einfach nicht, wenn die im Stall stehen und es schön warm haben. In geschlossenen Räumen bekommen die kein Winterfell. Und dann sind sie anfällig, wenn sie rauskommen.
Unterwegs in Eis und Gebirge
Wie geht das mit dem Eisklettern zusammen, da musst du ja parat stehen, sobald die Verhältnisse passen. Der Wasserfall richtet sich ja nicht nach den Pferden…
Ich bin schon flexibel, wenn was Perfektes zu machen ist, kann ich mir das freischaufeln. Aber du hast schon Recht, natürlich, im Winter habe ich auch sehr viel zu tun mit der Bergführerei. Das ist natürlich nicht mehr wie vor zwanzig Jahren, als ich den ganzen Winter mit Eisklettern unterwegs war.
Wie groß waren die Schwierigkeiten, als Kind aus Niederösterreich den Weg in die Berge zu finden?
Normalerweise sehr groß! Aber ich bin halb am Arlberg aufgewachsen, mein Vater war da ab 1967 Skiführer. Und da war ich als kleines Kind den ganzen Winter mit oben und dann als Schüler auch zu den Ferienzeiten. Also anders aufgewachsen als ein klassischer Niederösterreicher aus Lunz am See, wobei Klettermöglichkeiten und Bergsportmöglichkeiten gar nicht so schlecht sind, das liegt ja in den Voralpen.
Ab wann wusstest du, dass die Berge in deinem Leben eine große Rolle spielen würden?
Skifahren und Führen habe ich ja schon bei meinem Vater beobachtet, da habe ich mir damals schon gedacht, das möchte ich auch einmal machen. Und dann waren Skirennen in meiner Jugendzeit das Hauptthema, Klettern eher nebensächlich. Bis ich achtzehn, neunzehn war, dann ist es zu einem Bruch gekommen.
Ich war Slalomspezialist und hatte sehr große Erfolge, aber zu dieser Zeit hat man Allrounder gesucht, dass man den Gesamtweltcup wieder in österreichische Hände bringt. Und dann hat man die Spezialisten ausgesondert. Und das war für mich so irgendwie: wenn ich Weltspitze bin im Slalom, aber das nicht reicht, dann habe ich die Motivation verloren.
Und ab diesem Zeitpunkt war für mich klar, ich will dieses Können aus dem Skifahren umsetzen ins Führen und ins Eisklettern. Ich habe Ende der 90er verstärkt das Eisklettern angefangen und gemerkt, da komme ich schnell weiter und habe eine Riesenfreude.
Die Präzision aus dem Slalom war dann dein Trumpf beim Eisklettern?
Die Frage ist, ob es jetzt beim Slalom so viel anders ist als in anderen Disziplinen. Auch in der Abfahrt brauchst du Präzision, aber du hast ein bisschen länger Zeit für jeden Schwung. Aber ja, da ist sicher eine Parallele, sich auf den Moment zu konzentrieren, zu fokussieren und ohne darüber nachzudenken, ganz präzise Bewegungen auszuführen, das hat sicher eine Verwandtschaft, aber natürlich auch eine Verwandtschaft mit dem Thema Horsemanship.
Sich nicht die Bewegung denken und dann ausführen, sondern eins sein mit der Bewegung?
Genau das ist der Punkt, das ist das Erfolgsrezept für einen erfolgreichen Skifahrer. Natürlich auch als Eiskletterer: wenn du anfängst, darüber nachzudenken, bist du allein schon mal langsam und es ist eben kräftemäßig nicht mehr effektiv. Und Pferde merken, dass du nicht im Moment deine Bewegungen ausführst, sondern erst darüber nachdenkst. Und das ist für das Pferd schon der Ansatzpunkt, dass es denkt, das hat nichts mit echter Führung zu tun.
Bevor wir es vergessen - du führst ja nicht nur ein bisschen, sondern du bist als Ausbildungsleiter verantwortlich für die Bergführerausbildung in ganz Österreich.
Ja, genau, das mache ich seit 2013. Aber auch in der Zeit der Profikletterei habe ich mir das Führen immer noch irgendwie offen gehalten. Und mittlerweile ist das Ausbilden der zentrale Teil. Vielleicht die Hälfte der Zeit bin ich mit Privatgästen oder nicht ausbildungsrelevanten Touren unterwegs und die andere Hälfte ist Ausbildung. Du versuchst, an sehr vielen Kursen dabei zu sein und das, was noch dazu kommt mit Meetings, Sitzungen und so weiter, das macht sicher die Hälfte meiner Arbeitszeit als Bergführer aus.
Aktuell musst du das Führen mit der Ranch unter einen Hut bringen, früher mit dem Eisklettern...
Geführt hab ich immer ein bisschen, aber in dieser Zeit habe ich hauptsächlich vom Klettern und vom Sponsoring gelebt, ich war also auch im Eiskletterweltcup aktiv und so weiter. Aber meine große Leidenschaft war eigentlich immer die Suche nach neuen Möglichkeiten, irgendwas zu finden, wo noch keiner war. Das war so von Anfang der 2000er Jahre bis etwa 2015 meine große Leidenschaft.
Für mich war dabei ein guter Trip nicht nur, dass man schwierigen Sachen macht, sondern in einem Team mit Kletterpartner und Fotografen oder auch eine gewisse Energie in diese Präsentation einfließt.
Wenn du jetzt so zurückschaust, welche Erstbegehungen sind die am stärksten in Erinnerung, auf welche bist du besonders stolz?
Ganz klar die "Illuminati", da habe ich ein Riesenbild davon im Haus, das ist - fällt mir gerade ein - das einzige Kletterbild überhaupt, das im Haus hängt. Das ist eine Route, die mir sehr viel bedeutet, ich habe damals auch genau so etwas gesucht, schwieriges Mixedklettern in Verbindung mit schwieriger Eiskletterei.
Das hat es damals noch nicht so oft gegeben und es war sicher eine der schwierigsten Routen, die damals existierten. 2006 war das, im Jänner. In der Schönheit, wie er damals war, ist dieser Eisvorhang bis heute nicht mehr gewachsen.
Trotzdem musstet ihr euch damals vermutlich beeilen, die Route ist ja südseitig? Die kann ja vermutlich gar nicht lange stehen...
Als wir ihn entdeckt haben, haben wir erstmal zwei Tage gebraucht zum Einrichten und am dritten Tag wollte ich unbedingt Fotos machen. Da bin ich das erste Mal auf den Vorhang rausgeklettert und da hing der eben in dieser maximalen Schönheit.
Und die Woche drauf, wo ich dann die Rotpunktversuche gemacht habe, kam eine Wärmeperiode, wo der halbe Vorhang schon wieder abgebrochen ist. Und seitdem habe ich ihn so nie wieder gesehen.
Für so etwas liegt man normalerweise lange auf der Lauer...
Es war reines Glück, dass wir auf der anderen Talseite einen Wasserfall geklettert sind und ich habe rübergeschaut und gedacht, da muss ich hin. Und das Eis ist gerade zufällig perfekt gewesen.
Die Illuminaten stehen in Südtirol, also einem klassischen Kletterrevier - wie stehst du heute zu den Fernreisen, wie du sie zwecks Eisklettern unternommen hast?
Die Reiserei war einfach so spannend und abenteuerlich, da hat wir nicht wirklich darüber nachgedacht, was für einen Impact das hat. Da ist mittlerweile schon ein anderes Bewusstsein da und das hat sich auch bei mir verändert.
Also diese ganz extravaganten Ziele, irgendwo nach Indien fliegen oder nach China, da ist der Drang nicht mehr so da. Ich finde es spannend, wenn man jetzt schaut, wie die junge Generation immer wieder neue Sachen in der Heimat findet, das ist noch ganz vieles möglich.
Das Leben auf der Liberty Ranch im Ötztal
Zurück zu eurer Ranch, wie stelle ich mir so euren Alltag vor?
Momentan ist Baustelle, also sehr viel Handwerken, wir haben ein neues Wohnhaus angefangen. Eine Stallungsebene auch, aber vor allem eine große Wohnung für uns und Büroräume, die wir in dem dreihundertfünfzig Jahre alten Bauernhaus bis jetzt so nicht haben. Das braucht so viel Zeit und Energie, dass wir momentan nur das System erhalten.
Die Zucht läuft, wir haben jetzt ein Fohlen, das kommt bald auf die Welt. Und System erhalten, heißt natürlich schon auch, dass unsere Reitpferde weiter ausgebildet und trainiert werden. Jetzt während der Bauzeit ist aber das auch auf das Minimum reduziert.
Unabhängig vom Bau haben wir zweimal eine dreiviertel Stunde Arbeit im Stall, Ausmisten, Füttern, einmal in der Früh und einmal am Abend. Da ist nicht notwendig, dass das immer um die gleiche Zeit ist. Bei einem Rinderbetrieb musst du die Kühe pünktlich melken, das ist bei uns anders. Man kann auch mal Klettern gehen und das Ganze dann am Abend machen.
Wie ist eure Aufgabenverteilung?
Die Vroni macht sehr viel Physiotherapie bei Pferden. Entweder am Hof, dann kommen Gästepferde oder Rehapferde zu uns, oder sie nimmt sich einen Tag, wo sie in anderen Ställen unterwegs ist. Reha und Therapie macht nur die Vroni. Und mein Aufgabengebiet sind die Problempferde, das ist ein spannendes Thema, braucht aber viel Zeit.
Du bist quasi Pferdeflüsterer?
Ja, es geht in diese Richtung. Du versucht erst einmal herauszufinden, was das Problem mit dem Pferd ist. Ein Fluchttier ist halt anders gepolt als ein Mensch, der Mensch hat als Raubtier ganz andere Gedankengänge.
Und im Endeffekt ist es meistens ein Trauma, das Ängste oder Fluchtreaktionen auslöst. Und dann wird versucht, durch positive Erfahrungen das Vertrauen wieder aufzubauen. Wenn Vertrauen verloren geht, geht die Führung verloren und das Pferd wird unberechenbar oder reagiert zumindest so, wie es nicht gewünscht ist.
Und durch Vertrauen und positive Erlebnisse, die man immer wieder wiederholt, versucht man schlussendlich die Führung wieder aufzubauen. Das ist eine wirklich beglückende Erfahrung, gelingt aber leider nicht immer.
Findest du noch Zeit zum Klettern? Kaum, oder?
Es gibt ein super Klettergebiet gleich in der Nähe vom Hof, zehn Minuten zu Fuß, das hab ich mit Freunden eingerichtet. Man muss sich einen guten Zeitplan machen, dann schafft man es schon, dass man das verbindet.
Aber schlussendlich bleibt nicht mehr viel Zeit, wir haben sehr lange ausgefüllte Tage und wenig Zeit für irgendwas anderes. Aber das, was wir machen, das gefällt uns gut und unser Platz ist wunderschön. Wir sind auf der Südseite, wir haben den ganzen Tag Sonne auf der Ranch. Gäste vergessen oft die Zeit, wenn sie zu uns kommen.
Aber ihr habt schon Leute, die euch helfen?
Wir haben unseren "Gufi", den Vater von Vroni, der uns nahezu jeden Tag im Stall hilft, eine Einstellerin und ein paar Helfer, wenn wir zum Beispiel auf Kletterurlaub sind. Es ist nicht so, dass man gar nicht wegkommt. Aber es ist immer mit Organisation verbunden, wenn wir zu zweit unterwegs sind. Ich finde, dass es ein schönes, erfülltes Leben ist.
Es ist nicht jeder Tag gleich schön, es gibt auch harte Zeiten, wo du ins Bett fällst und froh bist, wenn der Tag vorbei ist. Aber jetzt freuen wir uns auf unser neues Wohnhaus und natürlich auf die Möglichkeit, wieder Gäste zu empfangen. Und ich glaube, dass wir dann auch wieder mehr Zeit für uns haben werden, wenn der Bau fertig ist.
Ihr seid sind 2012 dort raufgezogen, das sind jetzt zehn Jahre, in der ihr all diese Erlebnisse dort teilt, aber natürlich auch sehr eng aufeinander hockt. Was ist euer Rezept, dass es immer harmonisch bleibt? Streit in der Einsamkeit wäre ziemlich zermürbend.
Stimmt, wir sind sehr viel miteinander, du siehst dich halt Tag und Nacht und es ist aber nie zu Spannungen oder zu gröberen Problemen gekommen. Ich glaube... naja, wir sind zum einen ein Ehepaar, das sich gut versteht und zum anderen aber auch ein Team, das miteinander gerne arbeitet.
Eigentlich haben wir kein Problem damit, dass wir so extrem viel miteinander machen, im Gegenteil. Eigentlich ist es das, was uns zusammenhält.
- Ende -