Vor Ort Groborientierung beim Losgehen
Wo ist das Ziel? Ist der Anstieg zu sehen? Sind die Schlüsselstellen der Tour bereits erkennbar? Hier gilt es, Karte und Führerliteratur mit dem Gelände in Übereinstimmung zu bringen. Übersichtsfotos der Route sind eine gute Hilfe. So früh wie möglich sollte man eine grobe Vorstellung von der Verteilung der Gefahrenstellen bekommen. Die Planung kann bereits an dieser Stelle ergänzt oder korrigiert werden: Gibt es offensichtliche zusätzliche Gefahrenstellen? Sind „geplante“ Gefahrenstellen nicht relevant oder an anderer Stelle?
Im Einzelhang
Im weiteren Verlauf müssen alle Schlüsselstellen präzise vor Ort erkannt werden, um diese beurteilen zu können. Dabei hilft es, den eigenen Weg auf der (analogen oder digitalen) Karte zu verfolgen, um Gefahrenstellen aus der Planung im Gelände wiederzufinden. Für Einsteiger*innen kann die Verwendung von Tourenplanungsapps sinnvoll sein, dort lassen sich Gefahrenstellen/Checkpoints als Wegpunkte anlegen, um sie leicht finden zu können. Zudem kann ein Spickzettel mit den Parametern der Stellen hilfreich sein: Auf welcher Höhe? Wie steil? Welche Größe? Welche Geländeform? Welche Exposition? Dabei den Fokus auf Gelände und Verhältnisse lassen. Auf Tour können sich auch spontan Gefahrenstellen auftun, die in der Planung übersehen wurden, oder sich durch eine Routenänderung ergeben. Prinzipiell kein Problem – nur erkennen sollte man sie: Gibt es relevant große Geländestellen über 30 Grad Hangneigung auf oder oberhalb meiner Route? Liegen diese in der Kernzone der Gefahr nach dem Lawinenlagebericht (LLB) oder sind sie nach probabilistischen (wie wahrscheinlich ist eine Lawinenauslösung) Aspekten – Snowcard verwenden – als Gefahrenbereiche ausgewiesen? Die Hangsteilheit (insbesondere >30 Grad) aus unterschiedlichen Perspektiven korrekt einzuschätzen ist hierfür wichtig und muss intensiv geübt werden. Hangneigungslayer in digitalen Karten sind eine gute Hilfe. Je mehr man übt, desto besser werden Geländevorstellung und der Spürsinn zum Erkennen von Gefahrenstellen im Gelände.
Checkpoints
Vor jeder Gefahrenstelle setzt man einen Checkpoint (CP). In der Planung wird dieser meist eher unpräzise in angemessenem Abstand zur Gefahrenstelle gewählt. Im Gelände gilt: je weiter weg, umso sicherer, je näher, desto präziser können Steilheit, Geländestrukturen und Schneeverhältnisse beurteilt werden. Der geeignete Platz für einen CP hängt von der Hanggröße ab, von der Richtung, aus der man sich nähert (von unten, von oben, von der Seite), und auch von wo aus man guten Einblick hat. Können Steilheit, Geländestrukturen und Schnee eingesehen und beurteilt werden? Im Zweifelsfall geht Sicherheit immer vor – der Checkpoint darf keinesfalls im gefährdeten Bereich (Auslauf!) gewählt werden.
Infos sammeln
Wer im winterlichen Gebirge unterwegs ist, sollte alle Sinne nutzen, um möglichst viele Informationen zu sammeln, Gefahren zu erkennen und richtige Maßnahmen ergreifen zu können. Einige Informationen kann man auch ohne tiefgehendes Lawinenwissen sammeln. Markante Alarmzeichen für erhöhte Lawinengefahr sind frische Schneebretter (nicht Lockerschneelawine), Wumm-Geräusche und fortlaufende Risse beim Betreten der Schneedecke. Für die Interpretation von Alarmzeichen sind Höhenlage und Exposition ihres Auftretens von Bedeutung. Beispiel: Gibt es Schneebretter in ähnlicher Exposition und Höhe wie der potenziell gefährliche Hang? Geländefallen sind entscheidend für die Konsequenzen- Beurteilung. Die zwei Hauptfragen:
Wie ist der Auslauf (Absturz? Hindernisse? Graben? Sanfter Auslauf?)?
Wie groß/mächtig ist der Hang? (Ist dort einzeln gehen/fahren möglich? Konsequenz bei Verschüttung?)
Passagen mit Absturzgefahr sind zum Beispiel bei eisigen Bedingungen auch unabhängig vom Lawinenrisiko eine Gefahrenstelle. Als begünstigendes Zeichen werden vorhandene Spuren gewertet– allerdings gilt das nur für den unmittelbaren Spurbereich und hängt davon ab, wie frisch und in welcher Anzahl Spuren vorhanden sind.
Das Bestimmen von Neuschneemenge, Windeinfluss (Triebschnee) und Temperaturverlauf benötigt bereits mehr Erfahrung. Für das Beurteilen des aktuellen Lawinenproblems sind diese Informationen meist unerlässlich. Für Einsteiger*innen bietet es sich an, anhand des vom LLB genannten Lawinenproblems den Fokus gezielt auf den einen oder anderen Parameter zu richten. Die Neuschneemenge ist vergleichsweise einfach zu bestimmen. Windeinfluss und Lage von Triebschnee kann mit etwas Erfahrung anhand von Windzeichen (Gangeln, Dünen, Wechten, Kometenschweif) im Gelände erkannt werden. Durchfeuchteter Schnee lässt sich an Regenzeichen, Temperaturverlauf/-prognose und an der Schneedecke selbst erkennen. Infos zum Schneedeckenaufbau zu gewinnen ist anspruchsvoll:
Gibt es Schwachschichten?
Können diese gestört werden?
Ist eine gebundene Schneeschicht überlagernd?
Kann sich ein Bruch fortpflanzen?
Hierfür sind neben viel Schneewissen und Kenntnis des Witterungsverlaufs auch Schneedeckentests und deren Interpretation nötig.
Vorsicht: Einzelne Wahrnehmung/Information nicht sofort interpretieren und anhand dieser eine Entscheidung fällen. Besser: Konsequent eine Entscheidungsstrategie zu allen relevanten Sicherheitsaspekten durchlaufen. So wird aus dem „Info-Chaos“ eine risikobewusste und reflektierte Entscheidung.
Tipps
Kurse und Fortbildungen sind für alle empfehlenswert. Die Sektionen bieten zum Beispiel an:
Grundkurs Skibergsteigen
LVS-Training
Entscheidungstraining