Scherenschnittartig vier Wanderer und ein großes Gipfelkreuz bei Sonnenaufgang.
In den Bayerischen Voralpen: Sonnenaufgang auf der Rotwand. Foto: Nadine Ormo
Gipfelkreuze und andere Markierungen

Ganz oben auf den Bergen

Hier ein Kreuz, da ein Steinhaufen. Wieder woanders Fähnchen oder einfache Eisenstangen – Berggipfel rund um den Globus sind vielfältig markiert. Aus ganz handfesten Gründen oder auch aus spirituellen Motiven. Doch was genau bringt uns Menschen dazu, auf besonders markanten Punkten Zeichen und Symbole zu hinterlassen? Eine Weltreise in die Bergwelt:

Das Gipfelkreuz

Vor allem im deutschsprachigen Alpenraum ist es omnipräsent: das Gipfelkreuz. Ob als schlichtes Holzkreuz oder als künstlerisch gestaltetes Metallkreuz – auf fast jeder markanten, häufig begangenen oder einfach nur einigermaßen aussichtsreichen Bergspitze oder -kuppe steht es. 

Die Schätzungen darüber, wie viele es in den Alpen insgesamt gibt, gehen weit auseinander.  Allein in Österreich sind es wohl viertausend, alpenweit könnten es um die zehntausend sein. Die Zahlen variieren stark, denn oft stellen Privatpersonen oder auch Vereine Kreuze auf, ohne dass sie „offiziell erfasst“ werden. 

Während Gipfelkreuze in den Ostalpen – vor allem in ganz Österreich, in Bayern und Südtirol – weit verbreitet sind, findet man sie in den französischsprachigen Regionen und generell in den Westalpen deutlich seltener.

Warum gibt es Kreuze auf Gipfeln?

Gipfelkreuze gelten als markantes Symbol auf vielen Berggipfeln. Und wer heute einen Gipfel erreicht hat, hält diesen Moment wohl fast automatisch mit Kamera oder Smartphone fest, ob als Selfie oder Landschaftsfoto. Das Gipfelkreuz ganz oder in Teilen im Bild, das sagt: ich war hier. Tatsächlich hat sich die Bedeutung der Gipfelkreuze im Laufe der Zeit immer wieder geändert und die eine Erklärung, wie das Kreuz auf den Gipfel gelangte, gibt es nicht. Mal waren sie gut sichtbare Orientierungspunkte, dann wieder gelangten sie aus spirituellen Gründen auf den Berg. Mal symbolisieren sie Macht, dann wieder sind sie einfach ein Schmuckelement. Was sich nicht geändert hat: immer sind sie Ausdruck des kulturellen Erbes der jeweiligen (Alpen-)Region.

Gipfel & Glauben

Sucht man nach den ersten Anfängen der Kreuze auf Berggipfeln, so verirrt man sich schnell in den Anfängen des menschlichen Glaubens. Denn die Berge faszinierten die Menschen schon immer. Allein durch ihre schiere Höhe ließ sich in ihnen die Verbindung zwischen Erde und Himmel sehen, zwischen dem Menschlichen und etwas Göttlichem: während der Bergfuß fest mit der Erde verbunden ist, streckt sich der Gipfel gen Himmel. Mitunter verschwinden die Berge ganz und gar in den Wolken und etwas Mysteriöses geht von diesen Sphären weit oben aus. Nicht zuletzt deshalb glaubte man in vielen Religionen, dass in den Bergen die Götter wohnen. Es war nur konsequent, Heiligtümer und religiöse Orte genau dort zu bauen – seien es Tempel, Kirchen oder Klöster. Ob bei den Griechen, im Hinduismus oder auch im Christentum.    

Gipfelkreuze – ungleich verteilt

Bei der Erklärung, warum es in den Ostalpen so viel mehr Gipfelkreuze als in den Westalpen gibt, spielt die Religion eine wichtige Rolle, insbesondere in Österreich und Bayern, wo der Katholizismus traditionell besonders stark verankert ist. Aus der Gemeinschaft heraus wurde das Aufstellen von Kreuzen gefördert und hat sich früh fest etabliert. Auch in freier Landschaft findet man es daher als christliches Symbol, ob als Bildstock, Marterl oder Wegkapelle. Die Westalpen dahingegen, vor allem Teile der Schweiz, Frankreich und Italien, sind stärker von reformierten Traditionen, unter anderem auch der der Waldenser, geprägt. Religiöse Symbole wurden dort weniger häufig in die Landschaft und damit auch auf Berge gesetzt.

Die ersten Gipfelkreuze in den Alpen

Bereits in vorchristlichen und auch in nichtchristlichen Kulturen war die Verwendung des Kreuzes verbreitet. Bis das Kreuz allerdings als christliches Symbol auf die Berggipfel gelangte, dauerte es viele Jahrhunderte.

Frühes Beispiel eines christlich motivierten Gipfelkreuzes in den Alpen ist das auf dem Mont Aiguille in den Französischen Alpen: Die steilen Wände des markanten, tafelartigen Berges galten bis weit ins Mittelalter als unersteigbar, weshalb der Berg auch als Mons Inaccessibilis bekannt war. Doch Ende des 15. Jahrhunderts wollte der französische König Karl VIII dies nicht weiter hinnehmen, er befahl, eine Besteigung zu versuchen. 1492 ist es so weit und Antoine de Ville, königlicher Leiterträger und Experte für Wehrtürme, erklimmt gemeinsam mit etwa einem Dutzend Expeditionsteilnehmern den Monolith; auf dem Gipfelplateau werden eine Messe gelesen und drei Gipfelkreuze aufgestellt.

Die steilen Wände des Mont Aiguille in den französischen Westalpen galten bis weit ins Mittelalter als unersteigbar. 1492 wurde das Gegenteil bewiesen – und bei dieser Gelegenheit gleich drei Gipfelkreuze auf das Plateau gesetzt. Foto: AdobeStock

Im 16. Jahrhundert nahmen Gipfelkreuze zu, doch sie dienten vorwiegend dem Markieren von Alm- und Gemeindegrenzen. Die religiöse Symbolik gewann wohl erst während des Dreißigjährigen Krieges (1618–1648) an Bedeutung. Zu diesem Zeitpunkt wurden vermehrt Holzkreuze, meist aus vor Ort gefundenen Ästen, aufgestellt und mit Hauskruzifixen ausgestattet. Nach altem Volksglauben sollten sie Unwetter, Sturm und Hagel fernhalten – und waren als Wetterkreuze bekannt.

Eines der ersten (großen und bekannten) Gipfelkreuze im Ostalpenraum, vielleicht sogar das überhaupt erste, war wohl das am Großglockner: Franz Xaver von Salm-Reifferscheidt, der nicht nur der Bischof von Gurk, sondern auch ein Pionier des Alpinismus war, ließ 1799 die Erstbesteigung des Großglockners organisieren. In diesem ersten Anlauf erreichte die Expedition den Kleinglockner, wo ein provisorisches Gipfelkreuz errichtet wurde. Ein Jahr später gelang es, den Großglockner zu besteigen. Für den Initiator waren die Motive für diese Unternehmung sowohl religiöser, als auch wissenschaftlicher und symbolischer Art. So sah er in der Besteigung die Möglichkeit, den höchsten Punkt seines Bistums zu ehren und ein Zeichen des Glaubens zu setzen. Ebenso spielten wissenschaftliche Interessen in die Unternehmung hinein: mit der Besteigung sollte das Wissen um die Berge erweitert und unter anderem Messungen zur geologischen Beschaffenheit, zur Temperatur und zur Höhe gemacht werden. So wurde auch ein Barometer am Gipfelkreuz befestigt. Nicht zuletzt hatte die Erstbesteigung – und damit auch das aufgestellte Kreuz – einen hohen symbolischen Wert: Galt der Großglockner bisher als unberührte, gar „heilige“ Natur, so markierte der Sommer 1800 den Beginn der Erschließung der Alpen.

Das Großglockner-Gipfelkreuz

Das Großglockner-Gipfelkreuz steht seit Anfang 2024 unter Denkmalschutz, nachdem das österreichische Bundesdenkmalamt die geschichtliche, künstlerische und kulturelle Bedeutung würdigte und begründete, dass die Erhaltung des Gipfelkreuzes somit im öffentlichen Interesse ist.

Allein seine Konstruktion ist beeindruckend: das sogenannte Kaiserkreuz besteht aus sechzig eisernen Einzelteilen. Um sie auf den exponierten Gipfel zu schaffen, durfte jedes Bauteil maximal sechzehn Kilogramm wiegen. Insgesamt sind es etwa dreihundert Kilogramm – in Einzelteilen auf 3798 Meter hinaufgetragen und dort mit einem ausgeklügelten Schraub- und Steckverbindungssystem zusammengebaut.

Das Gipfelkreuz des Großglockners ist das erste, höchste und bislang auch einzige unter Denkmalschutz stehende Gipfelkreuz Österreichs. Und weil es auf dem höchsten Gipfel des Landes steht, ist es gleichzeitig das höchste Denkmal in Österreich. Auch die Großglockner Hochalpenstraße steht seit 2015 unter Denkmalschutz.

Amtlich seit Anfang 2024: das Gipfelkreuz des Großglockners ist das erste, höchste und bislang auch einzige unter Denkmalschutz stehende Gipfelkreuz Österreichs. Foto: AdobeStock

Andere prägnante (Ost-)Alpengipfel folgten: 1804 der Ortler, 1811 die Jungfrau. Bald konkurrierten Alpinist*innen aus der ganzen Welt um Erstbesteigungen und um die symbolische Vorherrschaft in den Alpen – auch Gipfelkreuze mehrten sich. Waren sie anfangs eher als schlichte Holzkreuze gehalten, so wurden sie im Laufe der Jahre durch größere oder künstlerisch gestaltete Kreuze ausgetauscht. Seit 1851 steht auch auf der Zugspitze ein Gipfelkreuz, es wurde seinerzeit in 28 Einzelteilen auf den Gipfel getragen und war von Beginn an vergoldet.

Ein regelrechter Aufstell-Boom von Gipfelkreuzen trat in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein, als alpinistische Ambitionen auf den Wunsch nach mehr Bergwissen trafen. Nach einer längeren Pause stellte man nach dem Zweiten Weltkrieg abermals besonders viele Gipfelkreuze auf. – Nun oft als Heimkehrerkreuz; im Gedenken an Kriegsgefallene und zum Dank für die eigene gesunde Heimkehrer.

Das Zugspitz-Gipfelkreuz

Das heutige Gipfelkreuz auf der Zugspitze ist eine 1993 aufgestellte Nachbildung des Originals. Sie stammt aus einer Kunstschmiede in Eschenlohe. Um das Original zu sehen, steigt man nicht auf den Berg, sondern geht ins Museum Werdenfels in Garmisch-Partenkirchen, wo das wertvolle Exponat ausgestellt ist.

Ganz oben auf dem höchsten Berg Deutschlands: das goldene Gipfelkreuz auf der Zugspitze. Foto: AdobeStock

Andere Markierungen in den Alpen  

Mitunter finden sich an Gipfeln auch einfache Eisen- oder Holzstangen; als Gipfelstangen dienen sie schon seit Jahrhunderten der Orientierung. Liegen Gipfel auf einer Landesgrenze, dann finden sich dort entsprechend auch Grenzsteine. Es sind solche und ähnliche Markierungen, die bei der Orientierung und Landvermessung hilfreich sind, die sich auch in anderen Bergregionen Europas und der Welt finden.

Welche Markierungen auch immer es sind – bei der Frage, warum gerade in den Alpen so viele Gipfel auf irgendeine Art gekennzeichnet sind, muss man sicher auch eine Tatsache berücksichtigen: die Alpen sind das am dichtesten besiedelte, am stärksten erschlossene und am intensivsten genutzte Hochgebirge der Welt. 

Ein Blick über den Alpenrand

Schon ein Blick in andere europäische Gebirge zeigt die unterschiedlichen Gepflogenheiten auf: So werden in den Pyrenäen – sei es im französischen, spanischen oder im andorranischen Teil – die höchsten Punkte meist nicht mit Kreuzen, sondern mit Steinmännchen, Fahnen oder Metalltafeln markiert. Nur an kulturell besonders bedeutsamen Gipfeln wie am katalanischen Pyrenäengipfel Canigou ist ein Gipfelkreuz zu finden.

Auch im Skandinavischen Fjell und überhaupt in Nordeuropa sind Gipfelkreuze und andere religiöse Symbole unüblich.

Auf Gipfeln in Großbritannien wiederum sieht es so aus: 1935 begann der Ordnance Survey, die Landesvermessungsbehörde des Vereinigten Königreichs, auf wichtigen Bergen Säulen aus Zement oder aus gemauerten Steinen zu errichten. Gleichwohl ihre eigentliche Bedeutung in der Landvermessung liegt, bieten diese Säulen auch eine Orientierungsmöglichkeit für alle, die in den Bergen unterwegs sind. Selbstredend sind sie auch auf Gipfelfotos oft abgebildet.   

Auffällige trigonometrische Punkte sind auch in ehemaligen britischen Kolonien zu finden, ebenso wie in anderen Ländern. Ähnliche, weit sichtbare, trigonometrische Markierungen gibt es beispielsweise in Neuseeland. Die als Trig Points bezeichneten, zwei bis vier Meter hohen Markierungen sind als weiß gestrichene, dreieck- oder pyramidenartige Metall- oder Holzgestelle erkennbar. Auf touristisch beliebten Gipfeln oder Wanderwegen, wie dem Tongariro Alpine Crossing, findet man zudem gelegentlich Schilder mit Höhenangaben oder Hinweistafeln.

An neuseeländischen Gipfeln sieht man häufig trigonometrische Markierungen, sogenannte Trig Points – hier am Mt Richardson nahe Christchurch. Foto: AdobeStock

In den USA findet man überwiegend runde, metallene Plaketten auf den Gipfeln, die im Boden eingelassen sind und von der staatlichen Kartografie-Behörde US Geological Survey (USGS) stammen. Abgesehen von der einen oder anderen Metallstange oder zu einem Haufen getürmten Steinen gibt es im Land keine Tradition, Gipfel zu markieren. 

In zahlreichen asiatischen Kulturen nutzen die Menschen Berggipfel, um in der buddhistischen und hinduistischen Tradition verankerte Symbole weit sichtbar zu zeigen. So hängen Einheimische in Tibet und Nepal nicht nur rund um ihre Häuser, sondern auch an vielen Berggipfeln sowie Bergpässen Gebetsfahnen auf, die das spirituelle Wohl fördern sollen. Die blauen, weißen, roten, grünen und gelben Wimpel beziehen sich auf die Elemente Himmel, Luft, Feuer, Wasser und Erde; damit gleichzeitig auf die vier Himmelsrichtungen sowie das (durch die Farbe Gelb symbolisierte) Zentrum. Dieses rituelle Zentrum symbolisieren auch kleine Stupas, die oft auf den Gipfeln errichtet sind.   

Im Nordosten Nepals am Gokyo Ri: Everestblick und Gebetsfahnen. Foto: AdobeStock

In Japan wiederum stehen an und auf als heilig erachteten Bergen, häufig Schreine und hölzerne Torii, die spirituelle Übergänge symbolisieren. Bekanntestes Beispiel: der Mount Fuji.

Wieder anders gehen einzelne indigene Kulturen mit ihren Bergen um. So werden bei der Quechua-Bevölkerung einzelne Berge als heilig angesehen. Unter anderem gelten der fünfthöchste Berg Perus, der Awsanqati (Ausangate), oder auch der zweithöchste Berg Boliviens, der Illimani, als Sitz von Berggottheiten, sogenannten Apu. Das Errichten von Zeichen oder Aufbauten würde dort eine Störung des spirituellen Orts bedeuten.

Auch auf dem heiligen Berg der indigenen Bevölkerung Australiens, dem markanten, einsam sich aus der Ebene erhebende Uluru (Ayers Rock), ist es untersagt, Markierungen zu hinterlassen. Mehr noch: Weil er den Anangu Aborigines als spirituell besonders bedeutsamer Ort gilt, sollte er gar nicht erst bestiegen werden.  

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