Hitzewelle in den USA und Südeuropa, Flutkatastrophe in Deutschland – dieser Sommer hat es wieder gezeigt: Die Auswirkungen des Klimawandels sind vielfältig, schwer kalkulierbar und bedrohen Natur und Mensch. Denn nicht alle Länder sind so gut geschützt wie die des „Westens“, und selbst diese hat es heuer hart getroffen. Um die weitere Eskalation zu bremsen, ist es notwendig, dass die Menschheit so schnell wie möglich klimaneutral und wirklich nachhaltig wird – also nicht mehr ein Vielfaches der jährlich nachwachsenden Ressourcen verbraucht und die Atmosphäre mit Treibhausgasen vollpumpt. Auf diesem Weg kann man unterschiedliche Pfade wählen, wobei immer die Prioritäten-Reihenfolge gilt: Vermeiden – Reduzieren – Kompensieren. Beim Vermeiden und Reduzieren spielen Sparen und Verzicht, Effizienz und Technologie eine Rolle, Kompensation kann durch Reduktion von Emissionen andernorts erfolgen, langfristig aber nur durch Bindung schon emittierter Treibhausgase. Gelingen wird die Aufgabe nur, wenn man sich auf allen drei Feldern bemüht: Allein auf Technologie zu setzen, ohne das persönliche Verhalten zu ändern, oder sich durch Kompensation von allen Anstrengungen freizukaufen, reicht nicht. Nachhaltigkeit bedeutet aber noch mehr; die Vereinten Nationen (UN) definieren dafür „17 Ziele“ (SDGs), zu denen auch Schlagworte wie Gerechtigkeit und Bildung, Gesundheit und Frieden gehören. Für den persönlichen Weg zur Klimaneutralität, zum verantworteten Leben in der Weltgemeinschaft, gibt die Serie „Mach’s einfach“ Tipps. Der DAV will bis 2030 klimaneutral werden; eine vereinsübergreifende Projektgruppe arbeitet am Konzept (siehe Box). Einige Menschen im Verein haben sich schon auf den Weg gemacht; ihre Ansätze können uns inspirieren. Denn sie zeigen, wie umfassend die Aufgabe ist, wie vielfältig aber auch die Möglichkeiten, die zum wichtigen Ziel führen.
Hauptversammlung 2021: Ein Weg ist das Ziel
Die Delegierten der Hauptversammlung haben sich mit 87 Prozent der abgegebenen Stimmen dafür entschieden, dass der DAV bis 2030 Klimaneutralität erreicht. Dieses Ziel gilt für den Bundesverband sowie für die Sektionen. Dabei wird das Prinzip „Vermeiden vor Reduzieren vor Kompensieren“ verfolgt. Das konkrete Konzept zur Umsetzung dieser weitreichenden Entscheidung hat eine Projektgruppe aus 53 Ehren- und Hauptamtlichen innerhalb von zwei Jahren erarbeitet. Es stand ebenfalls zur Abstimmung und wurde mit 86 Prozent der Stimmen verabschiedet.
Ein Kernelement des Klimaschutzkonzepts ist die Emissions-Bilanzierung: Bereits 2022 erfassen der Bundesverband und die Sektionen ihren CO2-Ausstoß. Dafür wurde ein einheitliches Instrument entwickelt, das sich auf die Vorgaben des Greenhouse Gas Protocols stützt. Die Bilanz für das Jahr 2022 dient als Referenzwert, um die Wirksamkeit der Klimaschutzmaßnahmen zu überprüfen. Darüber hinaus bestimmt die jährlich oder alle zwei Jahre stattfindende Bilanzierung das Budget für die Klimaschutzmaßnahmen: Pro Tonne CO2-Ausstoß fließen 90 Euro (bzw. ab 2025 140 Euro) in einen Klimaschutztopf in der jeweiligen Sektion bzw. des Bundesverbands.
Jubi: Heute schon neutral
Die „Jubi“, die Jugendbildungsstätte der JDAV in Bad Hindelang im Allgäu, darf sich heute schon als zertifiziert klimaneutral bezeichnen. Ihre Strategie folgt einem logischen Kreis: vermeiden + reduzieren – den Rest kompensieren – weiter vermeiden + reduzieren. Um nicht ins Ungewisse zu arbeiten, steht am Beginn jeder Klimastrategie eine Bilanzierung der Ausgangssituation. Diese ergab für das Jahr 2019 eine Emission von 117 Tonnen CO2-Äquivalenten in der Jubi – 49 Prozent davon entstanden durch die Verpflegung, 27 Prozent durch Mobilität, 22 Prozent durch die Energieversorgung. Beim letzten Punkt hatte die Jubi ihre Hausaufgaben schon gut gemacht: Das Haus wurde 2010 generalsaniert und gemäß Energie-Einspar-Verordnung gedämmt; Heizung, Lüftung und Beleuchtung sind sparsam und modern; der Strom ist 100 Prozent regenerativ. Zur Mobilität gab es einen Personal-Wettbewerb zur Fahrrad-Anfahrt, die Umstellung der Verpflegung auf regional und bio hatte schon begonnen – in diesen zwei Feldern jedoch steckt noch Verbesserungspotenzial. Mögliche Maßnahmen zeigte eine Impulsberatung durch das Energie- und Umweltzentrum Allgäu (eza!). Diese Institution zertifizierte auch im Dezember 2020 die Jubi als klimaneutral: Die bilanzierten Emissionen werden kompensiert durch Förderung internationaler Gold-Standard-Projekte und im Klimafonds Allgäu durch Förderung regionaler Nachhaltigkeitsprojekte. Doch besser, als Emissionen zu kompensieren, ist es, sie nicht zu verursachen. Deshalb hat die Arbeit nun erst richtig begonnen. In allen Sektoren der Klimabilanz wurden Maßnahmen geplant und teilweise auch schon umgesetzt. Die Mobilität der Mitarbeitenden wie der Gäste soll vom Auto aufs Rad verlagert werden: durch Stellplätze, E-Ladestationen, Leihräder oder einen weiteren Wettbewerb zur Rad-Anfahrt. Für die Haupt-Emissionslast Verpflegung gibt es einen ganzen Strauß von Ansätzen: Fleischgerichte nur noch ein- bis zweimal pro Woche und aus regionaler Erzeugung; Frühstück rein vegetarisch; Biobrot und palmölfreie Riegel; Gründung eines Runden Tisches zur regionalen Bio-Versorgung; mittelfristig komplette Verpflegung aus nachhaltigen Quellen.
Für die Energieversorgung soll die sonnige Hanglage durch eine eigene Solaranlage genutzt werden, denn regenerativen Strom selbst zu erzeugen ist besser, als um das begrenzte Angebot zu konkurrieren. Eine jährliche Bilanzierung wird die Fortschritte prüfen. Immer besser zu werden auf dem Weg zur Null, das kostet Geld. Die nötigen Investitionen können Gäste freiwillig unterstützen durch Einzahlung in einen „Klimatopf“: Aus sozialen Gründen wurden die Übernachtungspreise für 2022 nur gering erhöht – wer stattdessen etwas spendet, kann auf einer Tafel im Treppenhaus sehen, wie das Geld positiv fürs Klima wirkt. Denn als Bildungseinrichtung tut die Jubi nicht nur etwas, sie redet auch drüber und vermittelt in ihren Angeboten Wissen und Ideen an junge Menschen. Wie es der Leiter Martin Herz sagt: „In der Jugendbildungsstätte möchten wir Impulse setzen, Wege aufzeigen und unserem Bildungsauftrag verantwortungsvoll nachkommen.“ Weitere Informationen zum Thema Nachhaltigkeit gibt's auf der Webseite der Jubi.
Kletterzentrum Bremen: umfassend gedacht
„In einer zunehmend gefährdeten Natur und Umwelt möchte das Kletterzentrum Vorreiter für einen nachhaltigen und ökologischen Kletterbetrieb sein.“ So zitiert Jonas Loss, Betriebsleiter des DAV-Kletterzentrums Bremen, dessen Selbstverpflichtung im Leitbild. Als Betriebsstätte der Sektion Bremen kann die Kletterhalle nicht für sich den einfachen Schritt gehen, ihre Rest-Emissionen zu kompensieren, sondern ist für das Ziel „Klimaneutralität“ an den Pfad des Gesamt-DAV gebunden (s. Box zur Hauptversammlung). Parallel dazu hängt sich Loss mit seinem Team massiv rein, an allen sinnvollen Vermeidungs- und Reduktions-Schrauben zu drehen – und hat dabei nicht nur den Klimaschutz im Blick. In einem umfassenden „Nachhaltigkeitskonzept“, das stetig aktualisiert wird, werden die „17 Ziele“ der UN für ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit zu einer Agenda für die Kletterhalle. Dazu gehören natürlich klassische Klimaschutz-Elemente. So ist der Neubau von 2015 mit modernen und sparsamen Technologien ausgestattet, der Ökostrom von den Stadtwerken wird durch die eigene Photovoltaikanlage ergänzt, clevere Bauweise reduziert den Strombedarf für die Lüftung, den geringen Heizbedarf deckt städtische Fernwärme. Im Bistro gibt es bevorzugt Bio-Angebote, auch vegetarisch und vegan, Kaffee und Schokolade sind Fairtrade, Getränke in Mehrwegflaschen, bevorzugt aus Glas und von regionalen Anbietern. Und am Parkplatz gibt es 44 Radstellplätze mit Beleuchtung und Reparaturmaterial von der Initiative „Bremen Bike It!“, bei der das Kletterzentrum Mitglied ist. Doch auch andere der 17 Ziele liefern Ansatzpunkte. Angefangen bei „Armut beenden“, das zumindest durch zurückhaltende Preisgestaltung und durch Rabattierungen für Niedrigverdienende angestrebt wird. Auch bei „Hunger beenden“ kann eine Kletterhalle nicht viel tun – man beteiligt sich aber an der winterlichen Decken- und Schlafsack-Sammelaktion der Inneren Mission Bremen. Das Biodiversitätsziel „Leben an Land“ inspirierte zu Wildblumenwiese, Alpinum und Benjeshecke, mit Insektenhotel, Fledermaus- und Nistkästen. Fünf Bienenvölker leben auf dem Gelände, ihr „Power Honey“ wird am Tresen verkauft. Verpackungsabstinenz, Mülltrennung und Outdoor-Flohmarkt stehen unter dem Label „Nachhaltiger Konsum“ – und die hölzerne Unterkonstruktion der Kletterwände (statt aus Stahl) bindet fast 90 Tonnen CO2.
Für das facettenreiche Konzept kam nun ein Lohn: Unter 397 bundesweiten Bewerbungen wurde das Kletterzentrum einer von 40 Preisträgern des „Projekt Nachhaltigkeit 2021“ der Regionalen Netzstellen Nachhaltigkeitsstrategien. Die 1000 Euro Preisgeld investiert Jonas Loss gleich in weitere Verbesserungen: die Geschirrspülmaschine aus der Warmwasserversorgung betreiben, Wasserspar-Duschköpfe montieren, die gebraucht erhaltenen Strahler am Parkplatz auf LED-Betrieb umrüsten … und gerade eben werden Ladesäulen für Elektroautos am Parkplatz installiert. Die Arbeit geht nie aus, besonders wenn man in über einem Dutzend weiterer Initiativen vernetzt ist (Bündnis für Mehrweg, Rauchfreie Schule, Bremen räumt auf, Invisible Waste …) – jeder kleine Schritt ist einer in die richtige Richtung. Wer genauere Infos zum Nachhaltigkeitskonzept möchte, wird hier oder auf der Webseite des Kletterzentrums fündig.