Kennen Sie auch so jemanden? Die Zahnbürste ist aus Bambus statt aus Kunststoff, der Duschkopf hat einen Wasserspareinsatz, die Energiesparlampen werden ausgeschaltet, wenn sie nicht gebraucht werden – aber jedes Wochenende geht’s im SUV mit 180 ins Gebirge. Wir können an vielen Schrauben drehen, um unsere persönlichen Klimagift-Emissionen zu reduzieren. Aber wenn wir nicht die großen Hebel bewegen, wird es nicht reichen. 11,17 Tonnen CO2 emittiert jeder Mensch in Deutschland jährlich im Durchschnitt. Aber maximal 2, eigentlich 0 Tonnen dürften es sein, bis spätestens 2050, wenn wir das 1,5-Grad-Ziel erreichen wollen, die Höchstmarke für eine lebenstaugliche Umwelt. Wer diese Aufgabe ernst nimmt, steht vor der Frage: Wo fange ich an?
Das kann man natürlich einfach und pragmatisch beantworten durch zwei weitere Betrachtungen: a) Was kann ich schnell machen? Warum also warten? Und b) Was kostet mich nicht viel? Warum also nicht? Und selbst wenn das nur kleine Schritte sein sollten: Was besser ist, ist schon mal besser.
Es braucht „enorme Anstrengungen“
Doch darf man sich nicht mit diesen ersten Maßnahmen begnügen. Denn die Hauptfrage bleibt ungelöst: Wo sind meine größten Klöpse? Wo kann ich richtig was bewirken? Den persönlichen ökologischen Fußabdruck zukunftstauglich zu machen, ist eine Aufgabe, die genau diese „enormen Anstrengungen“ erfordert, von denen der Weltklimarat redet. Es geht um nichts weniger als eine persönliche Klimaschutz-Strategie. Diese beginnt, wie bei jedem Unternehmen, mit der ehrlichen Bilanzierung. Es hilft nichts, sich an statistischen Durchschnittswerten zu orientieren; die persönliche Realität zählt. Flugreisen mögen nur drei Prozent der weltweiten Emissionen ausmachen – ein Nepalflug addiert gut 30 Prozent auf meinen Klimarucksack. Mobilität mag im Bundesdurchschnitt nur ein Fünftel der Emissionen verursachen – wer jede Woche ins Gebirge braust, verdoppelt diesen Wert gleich einmal.
CO2-Rechner im Internet wie der des Umweltbundesamtes (uba.co2-rechner.de) helfen, Klarheit zu gewinnen, wo der persönliche Fußabdruck seine größte Zehe oder gar seine Achillesferse hat. Dabei betrachtet man fünf Felder: Konsum, Mobilität, Ernährung, Wohnen + Strom und „öffentliche Emissionen“ – dieser letzte Punkt umfasst, was deutschlandweit durch Infrastruktur, Gesundheitswesen und Ähnliches verursacht wird; das kann man leider nicht ohne Weiteres beeinflussen. Die anderen vier Felder aber schon. Und je genauer ich die Zahlen differenziere, desto klarer sehe ich.
Tipps für den Weg zur Null
Jetzt gleich auf das verzichten, was nicht unbedingt sein muss (an Reisen, Fleischverzehr, Konsum, …).
Jetzt gleich Technologien verbessern, wo es schnell umsetzbar ist (Ökostrom, Biogas für die Heizung, Energiesparlampen …).
Jetzt gleich „klimaneutral“ werden, durch Kompensationszahlung für den kompletten Rest an persönlichen Emissionen. Diesen Rest aber weiterhin Richtung null bringen durch zusätzliche Maßnahmen.
Stetig besser werden im Reduzieren (z.B. mittelfristiger Ersatz von Auto, Heizung u.Ä. durch emissionsärmere Technologien).
Stetig arbeiten an Einstellungen und Lebensstil, so dass Genügsamkeit zunehmend leichter fällt.
Für meine persönliche Strategie habe ich dann drei mögliche Ansätze:
Wo bin ich schlechter als der Durchschnitt? Hier zumindest gleichzuziehen, könnte ich als Ehrensache betrachten.
Wo ist mein größter Block? Sind zwei Flüge nach Kalymnos jährlich nötig? Könnte ich die alte Ölheizung nicht durch eine solar betriebene Wärmepumpe ersetzen? Das sind die großen, vielleicht auch teuren oder schmerzhaften Hebel.
Wo kann ich schnell viel erreichen? Biogas aus Reststoffen für die Heizung oder Ökostrom fürs Haus bringen im Handumdrehen eine deutliche Verbesserung der Klimabilanz, wenn auch etwas teurer.
Den Lebensstil zu ändern dagegen braucht Zeit und Bereitschaft zum Wandel. Doch wie heißt es so schön: „Nicht immer, aber …“ immer öfter fleischfrei essen; … immer öfter mit der Bahn ins Gebirge; das alte Paar Ski noch mal zum Service bringen; eine Mitfahrgelegenheit nutzen oder anbieten; das Zelt für die Weitwanderung ausleihen statt kaufen. Vor allem die Klima-Wunderwaffe Verzicht muss man lernen, Kreativität und Offenheit helfen dabei. Und womöglich wird man dabei sogar irgendwann bemerken, dass „das spar ich mir“ eben auch Sparen für den Geldbeutel bedeuten kann. Die persönliche Klimastrategie wird meist eine Mixtur aus den drei Ansätzen sein. Für konkrete Einspar-Maßnahmen in jedem Emissionsfeld hat die Serie „Machʼs einfach!“ in den letzten Jahren viele Ideen, Zahlen und Fakten geliefert. Wer damit geschickt umgeht, kann schon heute in eine gute Zukunft starten. Und warum nicht den verbleibenden Rest an Emissionen kompensieren, um heute schon rechnerisch klimaneutral zu sein? Dabei aber natürlich weiter daran arbeiten, diesen Rest an realen Emissionen stetig kleiner zu machen.
Persönlich anfangen, politisch wirken
Wer guten Gewissens sagen kann „ich tu, was ich kann“, darf auch guten Gewissens seine Stimme erheben, um aufs große Ganze einzuwirken. Denn was nützt alles individuelle Engagement, wenn die Politik nicht energisch in die richtige Richtung fährt? Wenn Windräder und Stromtrassen behindert werden, hat’s Ökostrom schwer. Wenn hundert Öl-, Kohle- und Gaskonzerne 70 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verursachen, wie Michael E. Mann sagt, Professor für Atmosphärenwissenschaften an der Pennsylvania State University, dann muss die Politik den Fossilausstieg beschleunigen. Immerhin schreibt sogar das Umweltbundesamt, wir müssten „noch viel tun. Insbesondere brauchen wir wirksame staatliche Rahmenbedingungen“. Und das Bundesverfassungsgericht hat Ende April 2021 entschieden, dass das Klimaschutzgesetz der Bundesregierung Freiheits- und Grundrechte heutiger und künftiger Generationen verletze und nachgebessert werden müsse. Politisches Engagement gehört also auch zur persönlichen Klimastrategie. Aber Politik braucht Zeit. Bei mir selber kann ich sofort anfangen. Idealerweise so, wie es am besten und am schnellsten wirkt.
„Mach’s einfach“ ist eine Kampagne des Projekts „Bergsport mit Zukunft“, die vom Bayerischen Umweltministerium (StMUV) gefördert und von Globetrotter und Vaude unterstützt wird.