„We knocked the bastard off“, sagte Edmund Hillary, als er zusammen mit Tenzing Norgay vom Everestgipfel herunterkam, auf gut bayerisch: „Den Hundling hammer derpackt“. Die Nachricht von der Erstbesteigung am 29.5.1953 kam am 2.6. in London an – Satellitentelefone gab es noch nicht –, am Tag der Thronbesteigung von Queen Elizabeth. In den siebzig Jahren seither haben es über 11.000 Menschen dem prompt geadelten Sir Hillary gleichgetan, den höchsten Berg der Erde bestiegen, und damit ein zweites Zitat von ihm verifiziert: „Du brauchst kein fantastischer Held sein, um große Ziele zu erreichen – nur ein gewöhnlicher Typ mit ausreichend Motivation.“
Und ausreichend Kohle, darf man ergänzen: Alleine die Besteigungsgenehmigung für die Südroute durch die nepalischen Behörden kostet 11.000 Dollar, Komplettangebote für organisierte, geführte „Expeditionen“ beginnen um 40-50.000 Dollar, nach oben ist die Preisspanne ziemlich weit offen. Es ist ein gutes Geschäft geworden, den Traum zu verkaufen, auf dem höchsten Berg der Erde zu stehen, denn „es kann nur einen geben“. In der Jubiläumssaison wurden rund 470 Genehmigungen für die Nepal-Seite vergeben.
"Weil er da ist"
... so definierte George Leigh Mallory seine Motivation; ob er und Andrew Irvine 1924 den Gipfel erreicht haben, wird ewig ungewiss bleiben, daran änderte auch der Fund von Mallorys Leiche 1999 nichts. Auch er kein fantastischer Held, nur ein motivierter solider Bergsteiger – an alpinen Legendenfiguren ist die Everest-Chronik reich. Etwa Tom Hornbein (gestorben am 6.5.2023) und Willi Unsoeld, die 1963 über den Westgrat und das „Hornbeincouloir“ der Nordwand den Gipfel erreichten, ihn erstmals überschritten und auf 8600 Metern frei biwakieren mussten. Oder Doug Scott und Dougal Haston, die 1975 über die Westwand den Gipfel erreichten und auch beim Abstieg am Südgipfel die Nacht überstanden. Junko Tabei (Japan) und die Tibeterin Phanthog, 1975 die ersten Frauen am Gipfel. Reinhold Messner und Peter Habeler, die 1978 ohne Hilfssauerstoff oben waren – 1980 setzte Messner noch eins drauf und erreichte den Gipfel im absolut selbständigen Alleingang, wieder ohne Sauerstoffflasche. Oder Erhard Loretan und Jean Troillet, die 1986 über die Nordwand in 40 Stunden zum Gipfel stiegen und auf dem Hosenboden runterrodelten, sozusagen als Gegenmodell zu den üblichen Großexpeditionen mit Lagerketten und Trägerhilfe.
Große Taten von kleinen Teams sind selten geworden am Everest, Medienecho erregen eher die Entwicklungen des professionell organisierten Tourismus. David Göttler mag ironisch überspitzen, wenn er feststellt, dass „da jede Menge Pappnasen und Anfänger rumspuken“ – immerhin bremste ihn 2019 eine Menschenschlange zwischen Süd- und Hauptgipfel aus bei seinem Versuch, den Gipfel eigenständig und ohne Hilfssauerstoff zu erreichen. 2022 gelang es ihm dann, nachdem die geführten Gruppen nach einer langen Schönwetterphase schon wieder weg waren. Aber er bleibt realistisch „man kann ja woanders hingehen, wenn man den Rummel nicht will.“
Wie also sieht er aus, der Rummelplatz Everest, der höchste Klettersteig der Welt? Der Markt der geführten Reisegruppen ist weitgehend in einheimischer Hand. Die Sherpas, schon früher das Rückgrat der Pionier-Expeditionen und in den Berichten trotzdem oft auf die Rolle als Träger reduziert, leiten eigene Agenturen und arbeiten hochprofessionell und auf internationalem Bergführerniveau. Etliche von ihnen sind Serienbesteiger: Vor Beginn der Saison 2023 hatten Kami Rita 26, Pasang Dawa 25, Nigima Nuru 24 Gipfelerfolge. Die „Icefall Doctors“ richten schon ab April den grusligen Khumbu Eisbruch her, mit meterlangen Leitern über die Spalten; 2014 starben dort 16 Menschen in einer Eislawine, und auch 2023 gab es schon wieder drei Tote. Die Gefahr durch einstürzende Eistürme ist hier nie komplett auszuschließen.
Der gesamte weitere Anstieg bis zum Gipfel wird mit Fixseilen ausgestattet, an der Steil- und Engstelle „Hillary Step“ direkt unter dem Gipfel wurde 2013 eine Abseilstelle für den Gegenverkehr eingerichtet. Im gleichen Jahr wurden Ueli Steck, Simone Moro und Jonathan Griffith von Sherpas körperlich angegriffen, nachdem sie sie bei der Arbeit des Fixseile-Verlegens in der steilen Lhotseflanke durch ihren eigenen Aufstieg angeblich behindert hatten. Heute scheinen sich die hunderten Menschen, die im Basislager und am Berg unterwegs sind, besser zu vertragen, die einheimischen und auswärtigen Expeditionsleiter arbeiten gut zusammen.
Man hat gelernt, auch aus dem Jahr 1996, wo in einem Unwetter acht Menschen aus geführten Expeditionen starben, weil sie nicht rechtzeitig umkehrten – literarisch nachvollzogen von Jon Krakauer im Buch „In eisige Höhen“. Es wurde vorgeschlagen, Genehmigungen nur dann auszugeben, wenn bereits ein über 6500 Meter hoher Berg bestiegen wurde. Jeder Gast einer geführten Gruppe hat heute mehrere Sauerstoffflaschen und einen eigenen Sherpa als Begleiter und Helfer. Die VIP-Pakete (von 70.000 Dollar aufwärts) bieten noch mehr: Vorakklimatisation im Hypoxiezelt zuhause, zwei Sherpaguides pro Person, persönlicher Top-Bergführer, extraviel Flaschensauerstoff, Helitransport ins Basislager (mit Wlan), oder gar eine Videodokumentation des eigenen Aufstiegs, wie bei der „Everest Signature Expedition“ des österreichischen Anbieters Furtenbach für 199.000 Euro, der mit dem Slogan wirbt „Schreiben Sie Geschichte“. So erreichten in der vergangenen Saison rund 650 Personen auf der Erstbesteigerroute von Süden den Gipfel (für die tibetische Nordseite hat China seit der Corona-Pandemie noch keine Genehmigungen erteilt). Allerdings waren nur rund 240 davon Nicht-Nepalis, die meisten Besteigungen leisten die einheimischen Begleiter.
Devisenquelle Everest
Das große Geschäft am höchsten Berg der Welt – ein Skandal, nekrotische Wucherung der „anything goes“-Gesellschaft? „Wenn schon wir in den Alpen uns so schwer tun mit ein bisschen Verzicht, dann können wir nicht von den Nepalis Verzicht fordern, nur damit unsere romantischen Vorstellungen vom Himalayabergsteigen erfüllt werden“, sagt David Göttler. Die Chomolungma, Göttinmutter der Erde, wie der Everest in Nepal heißt, ist für den kleinen Staat eine wichtige Devisenquelle.
Zur Tourenplanung - oder zum Träumen:
Sonderprojekt der Alpenvereinskartografie
Alpenvereinskarte vom Mount Everest
Seit 1957, vier Jahre nach der Erstbesteigung, gibt es eine Alpenvereinskarte vom Gebiet des Mount Everest. Eine neue Auflage, erstellt in Kooperation mit der...
Bilder von Müllhäufen, zerfetzten Zelten, leeren Sauerstoffflaschen auf dem Südsattel, dem fast 8000 Meter hoch gelegenen letzten Lager vor dem Gipfel, tun weh. Trotz hinterlegtem Müll-Pfand kommt nicht alles wieder herunter, was auf den Berg geschleppt wird – und auch von den gut 300 Menschen, die dort gestorben sind, sind nur die wenigsten geborgen worden. Aber ein Berg der Superlative, eine Ikone des Alpinismus, ein Fanal vieler Bergsteigerträume hat eben seine eigenen Realitäten.
Oder, frei nach Hillary: „A Hundling is er scho, da Everest.“