Gipfelbestimmung klassisch
Wenngleich etwas aus der Mode geraten, sollte die Bestimmung der Umgebung mit Karte und gegebenenfalls Kompass weiterhin zum Handwerkszeug der Bergsteigenden gehören. Schon durch die geschickte Nutzung einer topographischen Karte lässt sich das Gipfelpanorama recht präzise benennen. Hilfreich ist es dazu, die Karte „einzunorden“, sprich das Kartennord (immer oben) entspricht dem „echten“ Nord in der Natur. Dies lässt sich entweder mittels Kompass oder anhand eindeutig definierter Linienverläufe wie Flüsse, Täler oder Grate bewerkstelligen (Abb. 1). Nun hält man die Karte „richtig“ und kann eine gedankliche Linie vom eigenen Standpunkt auf der Karte (z.B. Gipfel) zum angepeilten Punkt in der Natur (z.B. unbekannter Gipfel) ziehen. Entlang dieser Linie befindet sich auf der Karte der Gipfel und kann so bestimmt werden. Über die Höhenlinienzeichnung, Symbole, Einfärbung und zeichnerische Darstellung lassen sich Kartenbild und Natur in Einklang bringen.
Neben der Gipfelbestimmung schult dieses Vorgehen das Kartenlesen– eine Fähigkeit, die trotz fortschreitender Digitalisierung insbesondere im weglosen Gelände immer ihre Bedeutung haben wird. Für Neulinge ist es dabei empfehlenswert, zuerst in bekanntem Terrain zu üben, so kann man schnell ein Gefühl dafür entwickeln, wie Geländeformen in der Karte dargestellt werden. Die bestimmten Gipfel können dann mit dem eigenen Wissen überprüft werden.
Vorwärts einschneiden
Noch präziser lassen sich markante Punkte mit Hilfe von Karte und Bussole bestimmen: Der gewünschte Berggipfel wird mit der waagrecht gehaltenen Bussole angepeilt. Windrosenrad solange drehen, bis die Magnetnadel mit dem Nordpfeil der Bussole übereinstimmt (Kontrolle über Spiegel der Bussole). Richtungszahl (zw. 0° und 360°) oben an der Bussole ablesen. (Abb. 2) Diese Zahl mittels Planzeiger auf die Karte übertragen: Mittelpunkt des Planzeigers auf eigenem Standort auf der Karte, Planzeiger dabei korrekt auf der Karte einnorden. Faden auf die ermittelte Richtungszahl halten, entlang dieser Linie liegt der zu bestimmende Gipfel. Die Übertragung kann auch – etwas weniger komfortabel – direkt mit der Bussole gemacht werden. Windrose bleibt mit der ermittelten Richtungszahl, Kante der Bussole auf Standort legen, Bussole so lange drehen, bis Ost-West Linien der Windrose mit Ost-West der Karte übereinstimmen, gesuchter Punkt liegt entlang der Kante zwischen Kompass und Spiegel.
Lieber modern digital?
Oben beschriebene Methoden mögen wie ein Anachronismus erscheinen, schließlich gibt es doch mittlerweile für jedes Problem eine App! Apps wie Alpenvereinaktiv (Skyline-Funktion im Kartenmodus), PeakFinder, Peak Visor und andere, können das eigene Smartphone in den perfekten Panorama-Bestimmer verwandeln. Interessant vor allem dann, wenn es um weit entfernte Gipfel geht, die auf den üblichen Karten im Maßstab 1:25.000 oder 1:50.000 gar nicht mehr abgebildet sind. Die jeweiligen Apps brauchen dazu den eigenen Standort über GPS, einen gut kalibrierten Kompass und den Zugriff auf die Kamera des Smartphones. Die Bergsilhouette wird dann 1:1 als Bild (Alpenvereinaktiv) oder Zeichnung (Peakfinder) inklusive Benennung der Berggipfel und markanter Punkte geliefert. Doch auch die technischen Lösungen bedürfen einer gewissen Übung in der Handhabung und haben ihre Tücken. Man sollte sicherstellen, dass die Funktion auch im netzfreien Raum funktioniert, bzw. vorher benötigtes Kartenmaterial runterladen. Bei Peakfinder muss man per Knopfdruck seinen Standort aktualisieren. Anschließend liefert die App eine Zeichnung der umgebenden Bergsilhouette, diese lässt sich in der Fotoansicht dann auch über die „echten“ Berge ziehen.
Oder doch beides?
Die Kombination der beiden Methoden bietet die Möglichkeit, seine Karten- und Orientierungskenntnisse mit den digitalen Methoden zu schulen. Wer also die Apps mit Bedacht einsetzt und erst mal mit eigenem Geländeverständnis, -kenntnissen und Karte arbeitet, fährt auf Dauer am besten. Die App-Funktion dient dann nur noch zur Kontrolle oder für Panorama-Punkte, die auf der Karte nicht mehr abgebildet sind.
Wie so oft liegt die Kunst des Bergsteigens in der Reduzierung des Technikeinsatzes. Die Panorama-Bestimmung am Gipfel bietet zudem auch die Chance zur sozialen Interaktion. Gemeinsam überlegen und diskutieren: Was ist was? Oder auch mal Locals oder Bergführer*in fragen.