Das Thema Standplatzbau wird oft darauf reduziert, wie man abenteuerliche Fixpunkte wie Schlaghaken oder selber gelegte Cams und Keile möglichst sicher miteinander verbindet. Dabei wird gerne übersehen, dass ein optimaler Stand nicht nur ausreichend sicher sein sollte, sondern auch schnell aufzubauen und zudem übersichtlich. Ganz zu schweigen vom Seilmanagement am Standplatz. Wer schnell sein will im Gebirge, kann durch schnelleres Klettern nicht so leicht Zeit sparen, sehr wohl aber durch eine geschickte Seil- und Sicherungstechnik. Im ersten Teil der Serie „Rund um den Standplatz“ geht es um geschätzt 95 Prozent der Situationen, auf die wir stoßen: Ich komme zum Stand und finde zumindest einen ordentlichen Bohrhaken vor. Neben der Grundforderung Sicherheit ist meine Aufgabe also vor allem, schnell, effektiv und übersichtlich einen Stand passend zu meiner Seilschaftsform aufzubauen.
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Plaisir-Stand – der Aufbau
Als Plaisir-Stand bezeichnen wir hier einen Stand, an dem uns mindestens ein, besser zwei solideBohrhaken empfangen. Vorweg: Zur notwendigen Kompetenz beim Klettern outdoor gehört es, Bohrhakensystemezu (er)kennen und deren Qualität beurteilen zu können. Informationen hierzu finden sich in DAV Panorama 2/2021. Die Standardsituation, die man meist vorfindet, sind zwei Bohrhaken. Der geeignete Aufbau dafür ist die Reihenschaltung (Abb. 1, links). Gelegentlich gibt es auch Stände, an denen nur ein solider Klebehaken (Bühler, Ring etc.), ein Baum oder eine Sanduhr als alleiniger Fixpunkt dienen. In solchen Fällen ohne Redundanz ist dann eine korrekte Festigkeitseinschätzung des Fixpunkts umso wichtiger. Bevor man mit dem Aufbau beginnt, sollte klar sein, ob wir im Überschlag klettern oder ob eine Person permanent vorsteigt, etwa in einer Dreierseilschaft. Denn daraus leitet sich ab, ob wir die Redundanz mit dem Kletterseil einrichten können oder ob wir mitder so genannten Reihenschaltungsschlinge arbeiten. Wer prinzipiell immer mit der Reihenschaltungsschlinge arbeitet (was nicht aufwendiger ist), ist flexibel, falls es nötig wird, selber weiter vorzusteigen.
Tipps und Tricks zum Standard-Stand
Eine eingeübte Systematik am Stand spart enorm Zeit! Neben dem Seilmanagement kann man hier die meiste Zeit gutmachen.
Bei permanenter Führung (z.B. Dreierseilschaft) wird immer ein unabhängiger Zentralpunkt geschaffen (Bulinauge oder großer, separater Verschluss-Karabiner bei nur einem Fixpunkt).
Reihenschaltungsschlinge mit passenden Karabinern vorbereiten: Schrauber im „Auge“, weiterer Karabiner für den zweiten Fixpunkt.
Für ein gutes Handling am Stand taugen am besten Schrauber und Key-Lock-Karabiner ohne Nasen. Schrauber lassen sich einhändig bedienen, Key-Lock- Karabiner leichter aushängen.
Keine unnötigen Knoten, die schwer lösbar sind. Selbstsicherung am besten per Mastwurf.
Die Längenanpassung der Reihenschaltung geht am einfachsten per Sackstich.
Schon beim Aufbau des Standes die Kletterrichtung der nächsten Seillänge beachten, Position des Zentralpunktkarabiners richtig wählen und eigene Selbstsicherung optimal einstellen (gute Arbeitsposition).
Seile am Stand organisieren, am einfachsten auf einen Haufen. Das Nachsichern mit Platte ist am komfortabelsten.
System zum Klettern im Überschlag: Nachsichern per Platte, Vorstiegssicherung hinter der Platte aufbauen, Material übergeben und orientieren, Dummy-Runner clippen falls gewünscht, Platte aushängen, Start.
Es gibt käufliche Fertigprodukte für die Reihenschaltungsschlinge, sie ist aber auch leicht selber zu bauen: Als Material eignen sich vernähte Bandschlingen aus 10 mm Dyneema, aus 12 oder 14 mm Polyamid (Nylon) oder hochfeste, vernähte 6-mm-Reepschnüre aus Dyneema oder Kevlar. Wichtig ist Geschmeidigkeit – sehr dickes und steifes PA-Band lässt sich schlecht knoten und ablängen. In diese Schlinge knüpfen wir schon vor dem Losklettern mit dem doppelten Bulin ein „Knotenauge“, direkt neben der Vernähung. Die Größe des Auges soll zwischen halber und ganzer Karabinergröße liegen. Wäre es größer als ein Karabiner, kann unnötig viel „Bewegung“ im System beim Sichern über den Fixpunkt stören. Genau, da war doch was. Wie sichert man denn am besten? Über den Körper wie im Klettergarten oderüber den Fixpunkt? Das ist ein immer wieder heiß diskutiertes Thema, worüber in Panorama 3/2014 berichtet wurde. Der Aufbau eines Plaisir-Stands ist davon unabhängig. Die Standard-Empfehlung, die für die meisten Situationen im Gebirge passt, ist die Fixpunktsicherung per HMS. Ob ein Abweichen davon sinnvoll und möglich ist, kann das Team absprechen, wenn es am Stand vereint ist, bevor es in die nächste Länge geht.
Die vorbereitete Reihenschaltungsschlinge wird mit zwei Karabinern bestückt umgehängt und ist so schnell einsetzbar (Abb. 2).
Das läuft dann so: Am Stand angekommen, hänge ich das Auge per Schrauber in den unteren Bohrhaken ein, sichere mich selbst, hänge das freie Ende der Reihenschaltungsschlinge in den zweiten Fixpunkt und knote sie so ab, dass möglichst wenig Durchhang besteht. Wie diese Ablängung zwischen den beiden Fixpunkten aufgebaut wird, ist in erster Linie Geschmackssache. Mit einem einfachen Sackstich (ist einfach und braucht weniger Material, muss rein- und rausgeknotet werden) (Abb. 3) oder mittels Mastwurf am Doppelstrang (kann schön angepasst und schnell aufgelöst werden, indem man den Mastwurf aus dem Karabiner schiebt).
Beim Mastwurf stellt sich die Frage, ob man das Ende hintersichern muss. Denn theoretisch besteht die Möglichkeit, dass bei Ausbruch des einen Bohrhakens (kam bis dato noch nicht vor), die gesamte Last auf den zweiten Fixpunkt mit dem Mastwurf wirkt. Dieser könnte bei hoher Sturzenergie zu laufen beginnen, so dass ein offenes Ende schließlich durchrutscht, besonders wenn reine, glatte Dyneema-Bandschlingen verwendet werden. Bei Praxisversuchen betrug dieser Durchlauf bis zu 10 cm. Ist das freie Ende ausreichend lang, besteht also kein wirkliches Problem. Zur Sicherheit aber, und weil es nicht viel Zeit kostet, hängen wir die Schlaufe zusätzlich in den Karabiner ein (Abb. 4). Sollte der Hakenabstand mal so groß sein, dass weder Mastwurf noch Sackstich geknüpft werden können, die Hintersicherung aber trotzdem nicht schlapp durchhängen soll, hilft der „Wickeltrick“ (Abb. 3, kleines Bild). Wobei 10 cm Durchhang bei einer Reihenschaltung an zwei Bohrhaken auch nicht problematisch sind. Eine Grundregel gilt für jede Ablängungs-Methode: Nie Material im Einzelstrang verwenden! Denn ein Knoten im Einzelstrang reduziert die Festigkeit markant.
Klettert man im Überschlag, ist die Reihenschaltung mit Kletterseil schneller als per Schlinge. Mastwurf mit Schrauber am einen Fixpunkt, Hintersicherung im zweiten Fixpunkt wieder mit Mastwurf (Abb. 5). Letzte Frage: Muss der Karabiner an der Hintersicherung unbedingt ein Schrauber sein? Nein – für eine Redundanz reicht auch ein einfacher Schnapper (akzeptabel oder gelb laut DAV-Lehrmeinungsampel). Optimal ist natürlich der Schrauber. Wobei Schrauber hier synonym für Verschlusskarabiner steht – man kann auch mit Ball-Lock oder Ähnlichem arbeiten. Schrauber sind aber vom Handling her oft günstiger.
Wo ist der Zentralpunkt?
Zentralpunkt ist der Punkt, an dem Partner- und Selbstsicherung sich treffen. Bei Körpersicherung also der Sicherungsring des Gurts, bei Fixpunktsicherung das Bulinauge der Reihenschaltungsschlinge oder der Zentralpunkt-Karabiner. Wählt man den Aufbau mit dem Kletterseil, muss der Zentralpunkt immer ein Verschlusskarabiner sein. Optimal ist es, wenn das Sicherungsgerät für die Vorstiegssicherung am „gesunden Schenkel“ des Zentralpunkt-Karabiners eingehängt ist. Am besten gewöhnt man sich gleich an, diesen Karabiner vorausschauend richtig einzuhängen (Abb. 6). Und in welchem Bohrhaken schaffe ich den Zentralpunkt? Stecken die Haken übereinander, dann immer am unteren – logisch, denn so entsteht kein unnötiger „Ruck“, falls doch mal der erste Haken ausbrechen sollte. Stecken die beiden Bohrhaken nebeneinander, hat man die Wahl; für diese Entscheidung sind mehrere Kriterien abzuwägen: unterschiedliche Qualität der Fixpunkte; gute Bedienbarkeit der Sicherung; bequeme Steh- oder Hängeposition beim Sichern und der Materialübergabe; Kollisionsgefahr bei Sturz in den Stand.
Übereinander platzierte Standhaken haben noch mehr Vorteile: so kann man den oberen gleich als Dummy-Runner nutzen, vorausgesetzt, der Abstand ist groß genug: 50-90 cm. Damit wäre eine der Voraussetzungen für eine Körpersicherung erfüllt (Sturzzug muss nach oben wirken – s. Panorama 3/2014, S. 63). Auch für eine Fixpunktsicherung mit Tube benötige ich einen Dummy-Runner. Und zum Abseilen kann ich das Seil durch beide Haken fädeln, falls das Erstbegehungsteam zwei Maillons spendiert hat (Abb. 7). Das ist schöner und praktischer als ein vor sich hin gammelnder Schlingenverhau und billiger als eine solide Kette (kleiner Hinweis an Erstbegehungs-Lustige …).
In manchen Gebieten (Elbsandstein, Pfalz, Battert, NRW) oder auch (sanierten) alpinen Routen besteht der Stand aus nur einem Bühler oder Ring. Nach Kontrolle der Verlässlichkeit hängt man im Ring die Selbst- und Partnersicherungskarabiner nebeneinander ein; bei einem Bühler schafft man für sie einen Zentralpunkt durch einen Verschlusskarabiner. Achtung: Verschluss zeigt wieder entgegen der Kletterrichtung (Abb. 8).
Selbst- und Partnersicherung
Die Selbstsicherung baut man optimal mit Mastwurf am Kletterseil. Der Mastwurf lässt sich beliebig verlängern und verkürzen, ohne die Selbstsicherung aushängen zu müssen. Man kann sich so auch zwei Meter tiefer hängen, um für Körpersicherung genügend Abstand zum Dummy-Runner aufzubauen, oder im Dreierteam die Nachsteigenden auf gemütlichere Stehpositionen verteilen. Im Hängestand kann eine Selbstsicherungsschlinge, die sich einhändig aushängen lässt, günstiger sein. Für die Partnersicherung gibt es wieder mehrere Optionen. Zum Nachsichern Sicherungsplatte oder HMS; zum Vorstiegssichern HMS oder Tuber bei Fixpunktsicherung, bei Körpersicherung Tuber oder Halbautomat. Sehr empfehlenswert, weil stressfrei, ist das Nachsichern per Platte (Reverso oder ATC-Guide); man kann dabei auch mal eine Jacke überziehen, ein Foto machen oder ins Topo schauen. Und vor der nächsten Seillänge, wenn das Material übergeben und sortiert wird, ist der oder die Nachsteigende automatisch selbstgesichert. Die Vorstiegssicherung baue ich hinter der Platte auf, entweder am Fixpunkt oder am Körper. Bei Körpersicherung oder Tube am Fixpunkt hänge ich noch einen Dummy-Runner ein. Vor dem Start in die nächste Länge ist dann nur noch die Platte auszuhängen, und schon geht’s weiter: flott, sicher, easy (Abb. 9a,b).
Die Dreierseilschaft
Klettern in Dreierseilschaft ist verpönt, da angeblich langsam und zu Seilchaos neigend – so das Vorurteil. Andererseits kann eine Dreierseilschaft auch sehr kommunikativ und spaßig sein. Und richtig organisiert ist man auch nicht langsamer. Wichtig ist, dass man am Stand gleich den Platz für die Nachsteigenden plant. Dafür ist die Reihenschaltungsschlinge oder ein großer Zentralpunktkarabiner besonders sinnvoll. Als vorsteigende Person platziere ich mich so, dass ich die Seile der beiden Nachsteigenden zügig einziehen kann – diese klettern natürlich im Abstand von mindestens fünf Metern, damit es im Falle des Falles keinen verbeulten Helm gibt. Spätestens wenn meine Nachsteigenden den Stand erreichen, platziere ich mich so, dass ich für die nächste Seillänge freie Bahn habe, während sie auf der passenden Seite ihre Selbstsicherung mit Schrauber und Mastwurf aufbauen können. Sind beide gesichert (Partnercheck!), Platte raus, Material übergeben, meine Sicherung aufbauen und weiter geht’s. Eine Person zieht das Seil durch, die andere sichert. Bei permanentem Vorstieg, besonders an zwei Halbseilen, sollte das Seil immer komplett durchgezogen werden, sodass beide „vorsteigenden“ Enden von oben aus dem Seilhaufen laufen. Eine Zweierseilschaft muss das auch tun und ist dabei nicht schneller. Möchte man sich doch mal im Vorstieg abwechseln, läuft das am besten wie folgt ab: Zuerst gibt der bisherige Vorsteiger einen seiner Stränge ab. Am besten den, mit dem er sich nicht selbst gesichert hat (am flexibelsten ist man beim Klettern mit Halbseilen, wenn man den Mastwurf nur mit einem der beiden Stränge macht und den zweiten Strang parallel dazu in den Karabiner hängt). Die Person, die im Nachstieg bleibt, bindet sich in diesen Strang ein, sichert sich daran selbst und übergibt dann ihren bisherigen Strang an die neue Vorsteigerin. Der Vorteil: So muss man nur zwei Seile umbinden und beide Seilenden der neuen Vorsteigerin laufen von oben aus dem Seilhaufen. Man spart das Seildurchziehen und niemand muss sich zwischendurch mit einer Bandschlinge selbstsichern. Keinesfalls darf man zum neuen Vorstieg ein von oben und ein von unten aus dem Haufen kommendes Seil verwenden – sonst ist das Seilchaos garantiert! Und wichtig: Alle Aus- und Einbindemanöver per Partnercheck kontrollieren! Natürlich steckt der Teufel wie immer im Detail. Denn entscheidend ist auch, wie ich die Seile führe und wie ich diese am Stand versorge, während ich nachsichere. Doch dies und die Logistik beim Aufbau komplexerer Stände wird in den nächsten Teilen folgen.
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Panorama 4/2021: Standplatzbau I - Plaisir | 2.14 MB |