Wer auf der Autobahn A8 Richtung Salzburg unterwegs ist, sieht bereits vom Irschenberg den Steinbruch am Eingang des Inntals. Hier wird Kalkgestein abgebaut und damit ein Zementwerk im nahen Rohrdorf beliefert. Vor einigen Jahren stieg die Abbaugrenze höher und höher, auch ein Schutzwald wurde gerodet. Dies sah die Gemeinde Nussdorf endgültig außerhalb des genehmigten Umfangs und zog vor Gericht. Nach einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs wurde die Erweiterung im Jahr 2018 zunächst gestoppt. Seitdem versucht die Firma, eine vollumfängliche Genehmigung zur Nutzung des Gebiets zu bekommen.
Gegen die Erweiterung des Steinbruchs um etwa zwei Hektar sprechen jedoch gleich mehrere Gründe. Zum einen liegt das Gebiet zu zwei Dritteln in der Zone C des Alpenplans, sprich: Das Gebiet ist absolute Schutzzone. In dieser hatte die Firma rechtswidrig eine breite Straße zum Erreichen des oberen Bereichs des Steinbruchs genutzt. In Zone C ist jedoch der Bau von Verkehrswegen verboten, es sei denn, sie dienen der Erreichbarkeit von Almen und Alpen und zur nachhaltigen Bewirtschaftung von Bergwäldern. Deshalb hat der Betreiber seine Mitgliedschaft in der Waldbauerngenossenschaft genutzt und über diese eine passende Forststraße als „Deckmantel“ bauen lassen.
Felsbiotop nicht ausgleichbar
Zum anderen liegt in dem Bereich ein 1800 Quadratmeter großes Felsbiotop, das durch die Erweiterung zerstört würde. Der Abbau von Rohstoffen wäre nur dann zulässig, wenn das Biotop andernorts ausgeglichen werden könnte. Das Landesamt für Umwelt (LfU) kam jedoch nach ausführlicher Prüfung zu dem Schluss, dass dies nicht möglich sei. Das bayerische Ministerium für Umwelt und Verbraucherschutz äußerte deshalb in seiner Stellungnahme als oberste Naturschutzbehörde im Oktober 2022 "erhebliche Zweifel an der Ausgleichbarkeit der gesetzlich geschützten Biotope."
Der Steinbruchbetreiber, das Südbayerische Portlandzementwerk Gebr. Wiesböck & Co. GmbH (SPZ), hatte noch im März 2023 beim Landratsamt Rosenheim eine erneute Stellungnahme eingereicht. Er sieht das Biotop als ausgleichbar an und kreidete Fehler bei der naturschutzfachlichen Beurteilung an. Außerdem steht für ihn die Entscheidung im Gegensatz zum öffentlichen Interesse: Denn es würde hochwertiger Kalkstein abgebaut, der nur im Steinbruch am Heuberg verfügbar sei. Mit diesem könne bei der Zementproduktion eine große Menge CO2-Emissionen eingespart werden. Diese Behauptung wurde jedoch in keinem unabhängigen Gutachten nachgewiesen. Außerdem brachte der Antragsteller dieses Argument in keiner seiner früheren Antragsunterlagen zur Diskussion. Dieser letzte Versuch, eine Wende im Verfahren herbeizuführen, scheint also eher die politische Großwetterlage ausnutzen zu wollen.
Zement für den Klimaschutz?
Anfang Mai 2023 zog die Firma nun ihren Antrag zurück. Dabei bleibt sie bei ihrer Einschätzung, dass die Erweiterung des Steinbruchs im öffentlichen Interesse sei. „Es ist für uns schwer nachvollziehbar, dass ein 1800 Quadratmeter großes Biotop eine Einsparung einer halben Million Tonnen Kohlendioxid aufwiegen soll“, sagt Anton Bartinger, technischer Leiter der Sparte Zement beim SPZ. „Diese einseitige Bewertung von Klimakrise und Biodiversitätskrise zeigt deutlich die Beweggründe des Antragsstellers“, so Ulrich Berkmann vom Ressort Natur- und Klimaschutz beim DAV.
Der DAV lehnte einen Ausbau des Steinbruchs seit Beginn des Verfahrens ab. Das Aktionsbündnis „Rettet den Heuberg“, das neben dem Deutschen Alpenverein auch von Mountain Wilderness und dem Verein zum Schutz der Bergwelt unterstützt wird, reagierte auf die Pläne in den vergangenen Jahren mit Demonstrationen und einer Petition an den Bayerischen Landtag. Denn die Vergrößerung des Abbaubereichs schädigt nicht nur erheblich das Landschaftsbild, sondern fördert auch den CO2-Ausstoß durch die Zementindustrie und beschleunigt somit den Klimawandel.
„Wir sind erleichtert, dass der Steinbruch nicht erweitert und damit ein geschützter Naturraum gerettet wird. Die wirtschaftliche Notwendigkeit von Zement und des damit herstellbaren Betons ist uns bewusst. Dieser muss jedoch reduziert und es sollten mehr Methoden zum Recycling klimaschädigender Baustoffe gefunden werden“, erklärt Ulrich Berkmann vom DAV.