„So viel Schnee hatten wir hier schon lange nicht mehr!“ Die beiden Tschechinnen am Gipfel der 793 Meter hohen Lausche schütteln den Kopf. Sieben Kilometer sind sie hergelaufen, nun geht es retour. „Allein diese Schipperei!“ Die Lausche – höchster Berg des Zittauer Gebirges, eines Teils der Sudeten – ist ein beliebtes Ausflugsziel. Einst stand auf der Lausche – auf Tschechisch Luz – eine besonders beliebte „Baude“, wie die Berghütten hier genannt werden. Sie brannte jedoch Ende der 1940er Jahre ab. Siebzig Jahre später ist auch ohne Baude eine Menge los. Primär Winterwandernde sind es, die von Waltersdorf den alten, kehrenreichen Weg hinaufsteigen. Mit einem Fuß in Böhmen stehen und mit einem in Sachsen – das haben hier schon Kaiser und Könige getan.
Schneesichere Gebirge
Ortswechsel ins Isergebirge. Der benachbarte Gebirgszug an der tschechisch-polnischen Grenze – die 1126 Meter hohe Wysoka Kopa, der Hinterberg, ist die höchste Erhebung – gilt auch unter Ortskundigen als schneesicher. Was der Winter jedoch dieses Jahr (Anm. Redaktion: im Winter 2018/2019) an Schnee geliefert hat, beeindruckt sogar Menschen aus den Voralpen. Die Nadelbäume sind unter Schnee und Eis kaum mehr zu erkennen. Den Arbermandln im Bayerischen Wald gleich biegen sie sich unter der weißen Last. Von Lázně Libverda/Bad Liebwerda geht es auf die Tafelfichte, mit 1124 Metern zweithöchster Berg des Gebirgszugs. Hinauf zum wenig ausgeprägten Gipfel mit Aussichtsturm führen ein Rodelweg, später ein gut gespurter Winterwanderweg, weiter oben ein breit gewalzter Fahrweg – schließlich nur mehr Fuß- und Schneeschuhspuren. Tschechisches Militär kommt auf Tourenski entgegen, schließlich betritt man das Langlauf-Reich: Oberhalb von rund 800 Metern Seehöhe wird das kupierte Gelände von einem engmaschigen Loipennetz durchzogen.
Wer mit Schnee- oder einfach Bergschuhen unterwegs ist, fühlt sich etwas deplatziert – oder eben nicht, denn der Skilanglauf findet meist auf den gespurten Loipen statt. Alle anderen haben die Freiheit, auch mal querfeldein zu gehen. Und was für eine Freiheit das ist! Der Blick reicht weit ins schlesische Tiefland. Zwei Skitourengeher schnallen die Ski an – diesen Winter kann man hier richtig powdern. Am Tag drauf ein weiterer Vorstoß ins Schneeparadies Isergebirge. Vom Montanie Resort an der Darretalsperre – der Wikipedia-Beitrag zum Bersten der benachbarten Talsperre an der Weißen Desse ist die Lektüre wert – geht es, zunächst am Stausee entlang, auf den 1122 Meter hohen Berg mit dem wenig schmeichelhaften Namen Siechhübel (auf Tschechisch klangvoller: Jizera). Das Thermometer zeigt deutlich unter -10 Grad an, die Winterlandschaft zieht einen nach wenigen Minuten in ihren Bann und die strenge Kälte tut ihr Übriges.
Schließlich der finale Anstieg zum kecken, mit einer kleinen Steiganlage entschärften Gipfelfelsen. Wo in den Alpen schroffe Bergspitzen den Blick auf sich ziehen, schweift er hier bis zur Schneekoppe, zur preisgekrönten Architektur des Funkturms auf dem Jeschken und in die weite Kessellandschaft Nordböhmens. Zeit für innere Einkehr. Zum Abschluss geht es auf den Jeschken, die „Zugspitze von Liberec“. Auf gut neun Kilometern Piste ist einiges los, überhaupt ist der Berg gut erschlossen. Seilbahn, eine zweispurige Straße bis zum Gipfel, mehrere Schlepp- und Sessellifte: Der Berg wird vermarktet wie kein anderer in der Umgebung. Trotzdem lohnt es sich, zu Fuß hinaufzusteigen auf den Ještěd, wie der Berg auf Tschechisch heißt, denn die Aussicht ist für einen Berg dieser Höhe – er ist „nur“ 1012 Meter hoch – beeindruckend. Wer die Touren- oder Pistenski dabeihat, kann sich freuen: Der Tagespass für das Skigebiet kostet rund 20 Euro. Man soll einmal zum Sonnenuntergang oben gewesen sein, heißt es – am Spätnachmittag ist das Farbspiel der sich über den zahlreichen Bergkuppen Nordböhmens Richtung Horizont senkenden Sonne gigantisch.