Gewässer, vor allem Seen und Bäche, sind ein wesentlicher Bestandteil der Berglandschaft. Besonders durch Gletscherschmelze ändern sich diese Landschaftsformen ständig. Das Gletscherbachvorfeld ändert sich und dadurch die Gletscherbäche. Dies wirkt sich talabwärts auf die Flussläufe aus. Mit Gletschern wie dem Waxeckkees oder dem Olpererferner, Stauseen wie dem Schlegeisspeicher und vielen Bächen, die sich aus den Gletschern speisen, hat auch das Zillertal (West) ordentlich Potenzial für derartige Veränderungen. Um diese zu erfassen und Gewässer in der Karte abzubilden, können hydrologische Modelle hilfreich sein.
Hydrologie und Kartographie?
Viele alpine Gewässer formen sich kontinuierlich neu, die Klimaveränderung trägt einen maßgeblichen Teil dazu bei. Durch Gletscherschmelzprozesse verändern sich die angrenzenden Gletscherseen sowie die Bachsysteme im Gletschervorfeld. Kleinere Gebirgsbäche trocknen in heißen Sommer komplett aus. Aber es ist natürlich nicht nur das Wasser, das sich verändert. Fließgewässer ändern auch die Landschaft durch Prozesse wie Erosion, Transport und Ablagerungen. Das Wasser gestaltet die Landschaft, in Form von Flussbetten, Talformen oder Wasserfällen. Wie können wir all das in einer Karte abbilden? Für viele Formen gibt es spezielle Gestaltungsarten in der Kartographie. So sind die verschiedenen Talformen aus den Höhenlinien ablesbar, die Breite der Flüsse im Gewässernetz werden in AV-Karten mittels dünnerer und dickerer Linien (erste, zweite und dritte Ordnung) dargestellt. Wasserfälle, Quellen oder Dolinen haben wie Gipfelkreuze, Hütten oder Wege eigene Symbole. Die stetigen Änderungen sind ein Grund, weshalb die Karten regelmäßig aktualisiert und überarbeitet werden müssen.
Das hydrologische Modell
Doch wie funktioniert das, wie werden diese Änderungen erfasst? Wie kommen die Gewässer nun in die Karte? Grundlage ist ein Digitales Höhenmodell (DHM), also eine Beschreibung der Erdoberfläche. Für das Zillertal (West) haben die DAV-Kartographinnen ein Digitales Oberflächenmodell (DOM) aus Luftbildern mit der Auflösung 1 Meter genutzt, das die Oberfläche unter Einbeziehung aller natürlichen und künstlichen Objekte (wie zum Beispiel Wald oder Gebäuden) beschreibt. Alternativ kommt häufig ein Digitales Geländemodell (DGM) zum Einsatz, das die Höheninformationen der natürlichen Erdoberfläche ohne Angabe von Vegetation oder Bebauung wiedergibt.
Im nächsten Schritt speisen die Kartographinnen das DOM in ein GIS, ein Geo-Informationssystem, ein. Dieses, in unserem Fall ArcGIS, arbeitet die hydrologischen Informationen automatisch in mehreren Schritten heraus. Dazu gehören die Bestimmung der Fließrichtung, eine Abflussakkumulation – hier wird das Gewässernetz erstmalig erkennbar, und die Umwandlung dieser Informationen von Raster- in Vektordaten. Wie das aussieht, seht ihr in der folgenden Bildergalerie:
Aus den Berechnungen von ArcGIS erhalten wir eine ausführliche Darstellung jeder Senke, jedes Grabens und dergleichen im Gebiet, wie im Endergebnis ersichtlich. Nicht ersichtlich ist jedoch, ob jeder dieser Gräben tatsächlich noch Wasser führt. Also vergleichen die Kartographen diesen Datensatz mit den vorhandenen Karten und dem Orthofoto der Region – Unklarheiten werden teilweise direkt im Gelände nachgeprüft – und übertragen nur das in die endgültige Karte, was plausibel erscheint. Und das klingt erstmal einfacher als es ist! Periodische Bäche zum Beispiel treten nur zeitweise oder zyklisch auf und sind daher besonders schwer zu erfassen.
Das Zillertal (West)
Und wie sieht es jetzt konkret im Zillertal aus? Um das zu zeigen, haben wir ein paar Vergleichsbilder zusammengestellt. Links die Daten aus der alten Karte (2013), rechts die Luftbilder (Orthofotos) der aktuellen Vermessungen.
Wer also in Zukunft im schönen Zillertal unterwegs ist, kennt mit der neuen AV-Karte die Gegebenheiten vor Ort aufs genaueste. Aber nicht nur das: Für Naturschützerinnen und Naturschützer geben die Daten auch Anlass zur Sorge.
Ganz offensichtlich werden durch die Kartenaktualisierung nämlich auch negative Aspekte: der anhaltende Schwund von Gletschern zum Beispiel durch die Klimaerwärmung. Laut Ergebnissen der Uni Erlangen haben die Alpengletscher allein zwischen den Jahren 2000 und 2014 17 Prozent ihres Volumens verloren.
Was das bedeutet und was wir tun müssen, um diesen Prozess zu verlangsamen, erfahrt ihr zum Beispiel in unserer Rubrik Nachhaltigkeit und Klimaschutz.