Von: Sigurd Schönherr
Es war Anfang 2014, der Weihnachtsbaum stand noch im Wohnzimmer und draußen war es schon dunkel, als meine Frau unvermittelt diesen Satz aussprach.
Okay, wir wohnen im Berchtesgadener Land und sind seit Jahren im Sommer und Winter in den heimischen Bergen unterwegs. Doch höher hinaus als auf den Watzmann, und das vor gut elf Jahren, waren wir noch nicht gekommen. Und nun sollte das neue Ziel der höchste Berg der Alpen und Europas werden … im „zarten“ Alter von 47 und 49 Jahren.
Ein paar Monate passierte erst einmal gar nichts. Vielleicht hat sie es ja vergessen …
Doch dann packte mich die Neugierde und ich beschäftigte mich erst einmal mit der Besteigung des höchsten Bergs Österreichs. 3798 Meter, da wird die Luft schon dünner. Hochtour über einen Gletscher, Klettern in Fels und vielleicht sogar Eis? Wir brauchen einen Guide. Gesagt – getan. Im Juni 2014 standen wir bei strahlend blauem Himmel am Gipfelkreuz des Großglockners. Mit geliehener Ausrüstung und einem einheimischen Bergführer war es gar nicht so schwierig.
In den Folgemonaten blieben wir aktiv – mit intensiven Touren und Klettersteigen.
Der Winter kam, wir wurden mutiger und erstmals standen wir mit Skiern auf dem Watzmann. 2000 Höhenmeter auf einen Schlag und die Abfahrt durch Fels und pappigen Tiefschnee waren wieder eine Herausforderung – insbesondere für meine Frau, die erst als Erwachsene das Skifahren gelernt hatte.
Mont Blanc – ein Traum wird wahr
Ein paar Wanderungen und Monate später ging es im August 2015 für eine Woche nach Chamonix. Gletschertraining mit Pickel und Steigeisen. Wieder Leihausrüstung, sogar unsere Schuhe mussten wir wechseln, nicht Hochtourengerecht, sagte man uns.
Zu acht begannen wir das Training – inklusive uns blieben vier übrig, die den Mont Blanc in Angriff nahmen. Natürlich waren wir wieder mit Bergführer unterwegs, was sich ganz bald als sehr wertvoll herausstellte. Denn der Sommer 2015 war heiß. Das ewige Eis auf dem Weg zum Gipfel schmolz an vielen Stellen. Das Grand Couloir unterhalb der Goûter-Hütte war von der Frankfurter Allgemeinen in diesem August in „Couloir des Todes“ umgetauft worden. Als wir am Fuße dieser Felsrinne ankamen, wurden wir von einem Französischen Bergpolizisten begrüßt. Er wachte über das Couloir und entschied, wer und wann hinauf durfte … wir gehörten für eine längere Zeit zur letzten Gruppe, die hindurchgelassen wurde.
Bei wolkenlosem Himmel kletterten wir zur Goûter-Hütte und nächtigten auf 3835 Metern.
Um 3:00 Uhr brachen wir zum Gipfel auf und standen Punkt 6:00 Uhr mit Sonnenaufgang auf dem Mont Blanc. Ich weiß nicht, wann ich zuletzt vor Glück und Erleichterung geweint habe, aber in diesem Moment war es so. Wir haben es tatsächlich geschafft, höher hinaus geht es in Europa nicht mehr. Als wir um 9:00 Uhr wieder an der Hütte ankamen, wartete noch eine Überraschung – und zwar der Chef der Chamonixer Polizei persönlich: „Wegen höchster Steinschlaggefahr ist der Abstieg ab sofort und bis auf weiteres gesperrt. Alle, die noch am Mont Blanc sind, werden per Hubschrauber aus der Gefahrenzone bis auf 3300 Meter hinabgeflogen“. Den Rest mussten wir zu Fuß gehen. Was für ein Abenteuer!
Das Ziel war erreicht. Sogar ein Jahr früher als gewünscht stand meine Frau auf dem Mont Blanc.
Die Welt der Hochtouren und gigantischen Gletscher
Und nun? Wir hatten „Blut geleckt“, unsere Grenze des Machbaren verschoben und eine neue Welt, die der Hochtouren und gigantischen Gletscher entdeckt.
Das schwere Atmen, langsame Gehen, die hohe Achtsamkeit auf schmalen Graten und fast Trance-ähnliche Meditationszustände beim Überschreiten einfacher Gletscher faszinierten uns.
Nach Skitouren auf den Hochkönig und das Loferer Skihörndl stand – fast in logischer Konsequenz – wieder der Großglockner auf dem Programm. Was im Sommer geht, muss doch auch im Winter machbar sein! Im März 2017 standen wir zum zweiten Mal auf Österreichs höchstem Berg, diesmal in Skischuhen. Und die Abfahrt war eine Wucht – in einem Viertel der Zeit bei strahlend blauem Himmel ins Tal sausen, ist schon eine feine Sache.
Es gibt kein schlechtes Wetter - nur die falsche Ausrüstung?!
Apropos Wetter: Neben der passenden Ausrüstung, Erfahrung und richtiger Selbsteinschätzung ist es erfolgsbestimmend. Wenn man beim Wandern gerne sagt: „Es gibt kein schlechtes Wetter – nur die falsche Ausrüstung“, so trifft das für Hochtouren gar nicht zu.
Bisher hat Petrus es immer gut mit uns gemeint, doch im Juni 2017 mussten wir erstmals eine Viertausender-Tour abbrechen.
Breithorn, Pollux und Castor haben wir erfolgreich bestiegen. Die beiden letzteren waren nach Regen in der Nacht zwar eisig und schwierig, aber machbar. Eigentlich sollte es weiter Richtung Liskamm gehen, doch diesmal meinte es der Wettergott nicht gut mit uns. Nebel und weiterer Regen zwangen uns zum Abbruch der Tour, Marsch ins Tal und Heimfahrt. Wir hatten die Entscheidung schweren Herzens, aber noch zum richtigen Zeitpunkt getroffen.
Es sollte nicht das letzte Mal sein, dass wir einen Gipfel nicht erreichen.
Von Ideen und deren Umsetzung
„Zugspitze – Samstag?“ stand auf dem Zettel am Telefon, den ich kaum zwei Wochen später fand. Und so ging es mal „eben so“ über einen Klettersteig auf die Zugspitze.
Häufig war meine Frau die Ideengeberin und ich durfte es dann umsetzen.
So kamen wir im August auch zur Watzmann-Ostwand. Ihre Idee – mein Job.
Allerdings sollte man diese Tour nicht ohne Guide machen, auch wenn man es sich zutraut. Die Wegfindung ist extrem schwierig und die Wetterbedingungen können sich schnell ändern. Jedes Jahr werden viele „Orientierungslose“ aus der Wand geborgen.
Nachts um 3:00 Uhr überquerten wir also den Königssee – mit einer „rasenden Badewanne“, so unser Eindruck von dem Motorboot. Nach sechs Stunden standen wir auf dem Gipfel der Südspitze und hatten die mit 1800 Metern längste Wand der Ostalpen bezwungen. Drei Jahre zuvor hätte ich das noch für ein Ding der Unmöglichkeit gehalten.
Eine Woche später ging es in den Urlaub – mit unserem Hund Elly. Ich hatte eine Rundtour durch den Rosengarten in den Dolomiten ausfindig gemacht. 4 Tage, 54 Kilometer, 5500 Höhenmeter. Wir haben uns viel Zeit für Pausen genommen und haben die Landschaft und das Essen in vollen Zügen genossen.
Ich glaube, für Elly war es das Highlight ihres bisherigen Hundelebens: draußen sein mit Frauchen und Herrchen, mit dem Rudel unterwegs, sogar jede Nacht im selben Zimmer schlafen.
Eigentlich hätte es das ja gewesen sein sollen: Großglockner, Breithorn, Pollux und Castor, Zugspitze und Watzmann-Ostwand – als Highlights der Berge für dieses Jahr. Doch da fehlte noch etwas, das wir im Juni nicht beenden konnten: Teil 2 der Viertausender im Monte Rosa Massiv. Relativ in der Nähe: Italiens höchster Berg, der Gran Paradiso. Ihn haben wir gleich mitgenommen. Beeindruckt waren wir von Europas höchster Hütte, der Capanna Margherita. Sie thront auf 4554 Metern auf der Spitze der Signalkuppe. Der Koch hier oben macht eine phantastisch luftige Pizza – kein Wunder, bei der Höhe kommt die Luft von alleine in den Teig.
Die Viertausender der Alpen
Das Jahr 2017 ging zu Ende und erstmals fragte ich mich: „Wie viele Viertausender gibt es eigentlich in den Alpen?” Es sind 82. Nun hatten wir bereits 13 bestiegen. Alle würden wir nie schaffen, dazu fehlen uns die Kletterfähigkeiten, aber ein paar sollten es noch werden.
Erst einmal stand jedoch der Winter vor der Tür – und meist auch unser Hund, denn sie liebt Schnee und das Hinuntersausen auf Skitouren. Die lange Abfahrt vom dritten Watzmannkind packt sie recht locker. Nur wenn es dann technisch schwierig wird, wie am Hohen Göll im Winter oder auf zwei Tagen am Großvenediger, lassen wir sie in der Obhut unserer Jungs.
2018 nahmen wir sieben Viertausender in Angriff.
In Grindelwald bezahlten wir im Juli die teuerste Bergbahn Europas. Für lockere 152 Schweizer Franken pro Person fuhren wir auf das Jungfraujoch. Hier trennte sich schnell „der Spaziergänger-Spreu vom Hochtouren-Weizen“ und wir zogen los Richtung Mönch und am Folgetag auf die Jungfrau. Abrunden konnten wir die Tour über das Große Fiescherhorn und den Aletschgletscher.
Im August ging es für uns mit dem DAV Summit Club zu den Viertausendern über dem Saastal. Unser Guide Stephan Schanderl fällt nicht nur durch seine Haarpracht auf, er glänzt auch mit Erfahrung und Beurteilungsvermögen. Am Ende dieser sechs Tage fragte ich ihn beiläufig, ob er uns für fit und fähig genug hält, DEN Berg der Alpen zu erklimmen: das Matterhorn. Seine Antwort war kurz und einfach: „ja“. Das nächste große Ziel war gefunden. Doch es sollte noch eine Weile dauern, bis wir auf dem Wahrzeichen der Schweiz und meiner Lieblingsschokolade stehen würden.
Hinaus in die weite Welt
Nach diesen zwanzig Viertausendern in den Alpen zog es uns im März 2019 erstmals in die weite Welt zum Bergsteigen. Wir wollten einmal in den Himalaya, den Mount Everest aus der Nähe sehen und einen Sechstausender besteigen. Es wurde eine Tour von 17 Tagen auf der sogenannten Drei-Pässe-Runde im Everest Nationalpark: 160 Kilometer, 11000 Höhenmeter und eine durchschnittliche Schlafhöhe von 4100 Metern.
Dieses "nur bei sich sein", eins mit der Natur, nur auf den nächsten Schritt und den Atem schauen, hat etwas ganz Eigenes – insbesondere jenseits der Viertausender Marke. Um das zu begreifen, muss man es erlebt haben. Wir waren ganz schnell weg vom Alltag und nur bei uns selbst und der Natur. Auf einfachen Wegen und Steigen in einer grandiosen und einmaligen Bergwelt verliert man schnell das Zeitgefühl und lebt im Moment.
Insgesamt fünfmal standen wir auf einem Pass oder Gipfel jenseits der 5000 Meter. Als höchstes Ziel hatten wir den Island Peak mit seinen 6189 Metern anvisiert. Fast unscheinbar klein wirkt er am Fuße der riesigen Südwand des 8516 Meter hohen Lhotse. Das Basecamp auf 5100 Metern erreichten wir gemeinsam, doch ab hier raubte mir ein Höhenhusten jegliche Kondition. Die für die frühen Morgenstunden des 30. März 2019 geplante Gipfelbesteigung musste ich absagen. Meine Frau hingegen war topfit und nach gut acht Stunden von ihrem ersten Sechstausender erfolgreich zurück. Alle Gipfel davor und danach haben wir gemeinsam erreicht – der Island Peak blieb mir verwehrt. Eine große Enttäuschung, die aber zum Höhenbergsteigen dazugehört. Auf den eigenen Körper zu hören, ist wichtiger, als „auf Teufel komm raus“ ein Ziel zu erreichen. Jetzt schreibt sich das leicht, in der konkreten Situation ist es verdammt schwer zu akzeptieren.
Zwei Wochen nach der Rückkehr aus dem Himalaya machten wir eine Skitour auf den 3200 Meter hohen Hocheiser in der Glocknergruppe, eigentlich eine ordentliche Tour mit knapp 1800 Höhenmetern. Irgendwie hatten wir aber unsere vielen generierten roten Blutkörperchen behalten, denn wir gingen nahezu ohne Pause auf den Gipfel und fanden es kaum anstrengend. Das änderte sich aber leider bald wieder.
Dachstein statt Matterhorn
Im Juli 2019 notierte ich in mein Tagebuch: „Ich bin stolz auf unsere Elly – sie ist einer der wenigen Hunde, die das 3564 Meter hohe Wiesbachhorn bezwungen haben“. Mit ein wenig Unterstützung schaffte sie die B/C-Klettersteigpassage und tollte anschließend über den Gletscher Richtung Gipfel. Sie erhielt von uns den Beinamen „Fast a Gams“. Überhaupt war Elly ein wesentlicher Initiator und Antreiber für unsere vielen Berg- und Skitouren. Holt man die Bergschuhe aus dem Keller, schnappt sie sich vor lauter Vorfreude ihr Lieblingsspielzeug. Kommt aber auch noch ein Kletterhelm dazu, ahnt sie: „das wird wohl heute nichts für mich“.
Auch uns erging es manchmal wie Elly, zum Beispiel im September 2019, ausgerechnet, als es aufs Matterhorn gehen sollte. Nach intensiven Vorbereitungstouren – unter anderem die Watzmannüberschreitung an einem Tag und die Wiederroute durch die so genannte „kleine Ostwand“ – saßen wir zu Hause auf fix und fertig gepackten Rucksäcken. Ein letztes Telefonat mit unserem Guide Stephan und dann sollte es losgehen Richtung Zermatt. Aber die Wetterprognose war schlecht – 40 Zentimeter Neuschnee am Matterhorn. Und so hieß es für uns: „das wird wohl nichts“. Unser Hund hingegen freute sich – Frauchen und Herrchen bleiben zu Hause, da geht es doch bestimmt mal wieder in die Berge!
Ein kleines Trostpflaster gab es dann Ende September für uns: Bei Kaiserwetter durchstiegen wir die Super-Ferrata am Dachstein. Die 1200 Höhenmeter durch die Wand werden als eine der längsten und schwersten Klettersteigtouren der Alpen bezeichnet.
Und schon geht das Jahr 2019 wieder dem Ende entgegen, das Matterhorn wartet immer noch auf uns. Und doch haben wir in diesen 12 Monaten 87 Touren mit insgesamt 70.000 Höhenmetern geschafft. Hätte man mir das im Januar 2014 erzählt, ich hätte es nicht geglaubt!
Geschichten von draußen
Immer wieder schicken uns DAV-Mitglieder und andere Bergbegeisterte E-Mails mit tollen Geschichten und Erlebnissen von draußen in die Redaktion. Es sind Geschichten aus den Bergen oder anderswo in der Natur. Mit der Online-Rubrik "Geschichten von draußen" schaffen wir eine Möglichkeit, all diese Geschichten und Erlebnisse zu teilen. Und alle, die lieber lesen als schreiben, finden hier Unterhaltung, Inspiration und vielleicht schon Planungsgrundlagen für die eigene nächste Tour. Die Geschichten ersetzen keine individuelle und sorgfältige Tourenplanung.
Du hast auch eine Geschichte? Dann schick sie gerne an dav-panorama@alpenverein.de.
Gegen Ende jedes Jahres wird über die besten Geschichten abgestimmt – die Autor*innen der Gewinner-Storys dürfen sich über einen tollen Gutschein freuen.
Hakuna Matata auf dem Kilimandscharo
„Hakuna Matata“ und „Pole Pole“ waren die im Februar 2020 am meisten gehörten Worte. „Alles kein Problem“ und „langsam langsam“ heißt es am Mount Kenia und Kilimandscharo. „Ihr in Europa habt die Uhren und wir in Afrika haben die Zeit“, wurde uns vom einheimischen Team, mit dem wir auf die höchsten Berge dieses Kontinents stiegen, immer wieder gesagt. Recht haben sie. Es lohnt sich, sich die Zeit zu nehmen und die grandiose Natur und Tierwelt zu bestaunen.
Kenias höchster Gipfel rühmt sich selbst mit dem höchsten Klettersteig der Welt – so steht es zumindest auf dem Schild zehn Meter unterhalb des Gipfels. Tansanias Kilimandscharo fasziniert schon aus der Ebene des Amboseli Nationalparks, denn der freie Blick mit einem Höhenunterschied von 4500 Metern ist mehr als beeindruckend. Technisch ist er auf jeder Route bis zur Kibo-Hut auf 4760 Metern als recht einfach zu bewerten, konditionell ist diese Höhe aber immer eine Herausforderung. Der Gipfeltag beginnt um Mitternacht und hat seinen Höhepunkt um 6:00 Uhr bei Sonnenaufgang auf 5895 Metern. Vor über 100 Jahren war er einmal der höchste Berg Deutschlands, hieß „Kaiser-Wilhelm-Spitze“ und maß auf Geheiß Berliner Beamter 6010 Meter.
Überhaupt ist der Kilimandscharo ein toller Berg, aber etwas überlaufen. Beeindruckt hat uns auch die Leistung einer besonderen Gruppe. Sie mögen bis zum Basecamp bei der Kibo-Hut die doppelte Zeit benötigt haben und den Hauptgipfel vielleicht nicht erreicht haben, aber sie haben dennoch eine super Leistung gezeigt: „the big mamas“, eine Gruppe recht übergewichtiger Damen aus den USA. „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg“ – Respekt!
We did it!
Unser Weg führte uns nach ein paar Vorbereitungstouren in den heimischen Bergen dann im August 2020 doch noch nach Zermatt an den Fuß des Matterhorns.
Am 30. August notierte ich in mein Tagebuch: “We did it! Wir haben es geschafft, innerhalb von 72 Stunden den höchsten Berg der Schweiz, die Dufourspitze (4634m), und das Matterhorn (4478m) zu besteigen“. Was uns letztes Jahr verwehrt blieb, klappte dieses Jahr bei besten Wetterbedingungen reibungslos. Fast gemütlich, innerhalb von vier Stunden, erreichten wir an unserem ersten Bergtag den Ausgangspunkt für die Dufourspitze, die Monte-Rosa-Hütte. Dieser Berg ist vielleicht nicht in der breiten Öffentlichkeit bekannt, aber dennoch ein sehr imposant anmutendes Massiv, an dessen hinterem Ende zwei kleine Spitzen thronen. Sie fordern einem auf den letzten Metern noch einmal Klettertechnik und Kondition ab. Früh morgens um 3:00 Uhr waren wir in der Dunkelheit gestartet, um dann ziemlich genau um 9:00 Uhr auf dem Gipfel zu stehen. Es war eine herausfordernde Tour, 1800 Höhenmeter hinauf und wieder hinunter in exakt zehn Stunden. Zurück auf der Hütte zur besten Mittagszeit genossen wir ein so genanntes Gipfel-Erfolgsbier und waren im Anschluss für zwei Stunden aus einer Hängematte nicht mehr herauszubewegen.
48 Stunden nach diesem Bier starteten wir Richtung Hörnlihütte am Fuße des Matterhorns. Das Wetter war zwar super, aber das Matterhorn zeigte seine imposante Flanke meist nur kurz außerhalb der Wolken. Auf der Hütte trafen wir dann unsere uns wohl bekannten Bergführer. Ohne die beiden hätten wir den Weg auf das Matterhorn nie gefunden und vielleicht auch nicht sicher beendet.
Denn dieser Berg hat uns alles abverlangt, es war die anstrengendste und herausforderndste Bergtour bis heute. Sicherlich lag das auch daran, dass wir erst 72 Stunden zuvor auf einem nicht minder anstrengenden Gipfel standen und unsere zwei Bergführer uns aus Erfahrung innerhalb von vier Stunden auf den Gipfel führten. Gerne hätten wir uns etwas mehr Zeit gelassen, ein paar Mal mehr Puste geholt und das ein oder andere Foto gemacht. Doch der Grund für ihr Tempo waren die nachfolgenden Seilschaften ohne Bergführer. Hier kam es immer wieder zu Staus und nicht ganz einfachen Begegnungen von auf- und absteigenden Seilschaften.
Als wir nach weiteren vier Stunden Abstieg wieder in der Hörnlihütte ankamen, fiel uns ein Stein vom Herzen. Wir hatten uns kein einziges Mal vertreten, waren nicht ausgerutscht, es musste kein Bergführer jemals eingreifen. Statt einem Erfolgsbier, wie bei der Dufourspitze, war nun eine Cola das Getränk der Wahl, denn nach einer guten halben Stunde Pause mussten wir noch weitere 700 Höhenmeter absteigen, um zeitgerecht die Bahn ins Tal zu erreichen. Unser verdientes Bier tranken wir dann stolz und zufrieden gleich im Hotel …
Was wir geschafft hatten, wurde uns dann noch einmal bei einem Gespräch am nächsten Morgen im Hotel bewusst: Hier trafen wir auf zwei Bergsteiger, die ebenfalls am Matterhorn waren und uns erzählten, dass sie zur Akklimatisation eine Tour auf das Breithorn gemacht hatten. Mehr oder weniger ein netter Spaziergang von der Bergstation des kleinen Matterhorns von 3800 auf 4200 Meter. Als wir ihnen dann erzählten, dass unsere Akklimatisationstour die Dufourspitze war, sagten sie gar nichts mehr.
Nun, zum Zeitpunkt dieses Niederschreibens, ist ziemlich exakt ein weiteres Jahr vergangen. Natürlich war mit dem Matterhorn nicht Schluss. Es gibt noch so viele Berge – wir suchen uns immer wieder neue Ziele. Dieses Unterwegssein mit Abenteuercharakter ist das „Salz in der Suppe des Lebens“. Dabei spielt es keine Rolle, ob es die Himmelsleiter am Piz Bernina ist oder unser hunderte Male bestiegener Hausberg, der Dötzenkopf – der Weg ist das Ziel! Und bis wir vom Matterhorn wieder auf dem Sofa angekommen sind, sollen noch Jahrzehnte vergehen.
Über den Autoren
Für Sigurd Schönherr sind die Berge bereits seit seinem 18. Lebensjahr ständige Begleiter. Früher sein Einsatzgebiet bei den Gebirgsjägern, heute ist das Draußen- und Unterwegssein mit Abenteuercharakter Ausgleich zum Job am Schreibtisch. Gemeinsam mit seiner Frau findet er immer wieder alpine Herausforderungen, sei es in den Alpen oder den Bergen der Welt.