Eine Panikattacke stellt für Betroffene ein existenzielles Geschehen dar; sie bedroht das eigene Selbstbild, und falls sie in Gegenwart von anderen erlebt wird, ist sie auch mit Scham verbunden.
Die Panikattacke muss abgegrenzt werden von der Furcht im Sinne einer Todesangst in einer unmittelbar lebensbedrohlichen und nicht kontrollierbaren Situation (z. B., herabstürzendem Steinschlag ausgesetzt zu sein), von der Höhenangst sowie von psychischer Überforderung. Höhenangst kann in Situationen, in denen sie ausgelöst wird, den Grad einer Panikattacke erreichen, dies kann auch bei psychischer Überforderung passieren. Auch kann nach einer realen Todesbedrohung eine Panikattacke folgen. Doch es gibt auch – und darauf beziehen wir uns hier vor allem – Panikattacken im alpinen Gelände, die auf keine dieser drei Ursachen zurückgeführt werden können.
Eine Panikattacke ist ein Zustand intensiver bedrohlicher Angst und/oder massives Unbehagen. Sie beginnt abrupt, überraschend. Sie steigert sich zügig, in wenigen Minuten auf ein Maximum. Für den Betroffenen erscheint es aber, als wenn die Angst ins Unermessliche steigen würde bzw. als ob dies bevorstünde. Sie ist oft mit massiven körperlichen und psychischen Reaktionen verbunden wie Herzklopfen, Herzrasen, Schwitzen, Zittern, Mundtrockenheit, Atembeschwerden (siehe ergänzend Hypverventilation), Beklemmungsgefühl, Brustschmerzen, Übelkeit, Schwindel, Unsicherheit, Schwäche oder Benommenheit, Hitzewallungen oder Kälteschauer, Gefühllosigkeit oder Kribbelgefühle; außerdem dem Gefühl, dass die umgebenden Dinge unwirklich sind, oder dem Gefühl, man selbst sei “nicht wirklich hier”.
Für Betroffene ist vor allem das Gefühl bedrohlich, die Kontrolle über sich selbst zu verlieren. Der Zustand kann so stark werden, dass Betroffene auch befürchten, verrückt zu werden, “auszuflippen” oder zu sterben.
Um von einer Panikattacke sprechen zu können, muss sie nach den medizinischen diagnostischen Kriterien mindestens einige Minuten andauern, das Erleben kann aber auch kürzer sein. Panikattacken fluktuieren während des Verlauf in ihrer Stärke. Sie bilden sich meist nach wenigen Minuten etwas zurück und können vollständig abklingen, abgesehen von der Erschöpfung und Verunsicherung, die sie hinterlassen. Oft klingen sie teilweise ab, es bleibt eine verunsicherte Ängstlichkeit, die bis zu einer Situation andauert, in der Betroffene sich entspannen können (z. B. die erreichte Hütte). Panikzustände können aber auch wieder ansteigen, insbesondere wenn Stressoren hinzukommen (Zeitdruck, Wetterverschlechterung).
Der gesunde menschliche Körper ist dafür ausgelegt, Panik auszuhalten. Mitunter werden die Körperzustände, die bei der Panik auftreten, sogar bewusst und freiwillig herbeigeführt, z. B. bei Anstrengung bis zur akuten Erschöpfung. Auch behalten Betroffene immer ihre bewusste, realitätsüberprüfende Wahrnehmung, sie werden nicht verrückt.
Im Moment einer Panikattacke ist das, was Betroffene in der Regel tun, das Beste, was sie tun können:
Sie werden versuchen, eine unmittelbar gefährliche Situation zu verlassen und – wenn das für sie nicht möglich erscheint – in ihr so gut wie möglich zu verharren.
Die einzige Handlungsfähigkeit besteht darin, zu warten, bis der akute Zustand so weit abklingt, dass notwendige nächste Schritte gegangen werden können. Das kann bedeuten, sich hinzusetzen statt zu stehen, oder auch die nächsten Meter bis zu einer sicheren Stelle anzugehen etc.
Den anderen in der Gruppe anzeigen, dass man erst einmal nicht weiter kann und sich selbst beruhigen muss. Um Hilfe bitten, aber dabei vor allem deutlich machen, dass man Zeit braucht.
Dann sich die Zeit zu geben, um den Zustand weiter abklingen zu lassen. Körperliche Versorgung (Wärme, Trockenheit, Trinken, Essen, wenn das möglich ist) helfen etwas. Selbstberuhigende Atmung (Verlängerung der Ausatmung, Einhaltung einer Atempause; Versuch, die Zwerchfellatmung (wird auch als Bauchatmung bezeichnet) zu betonen.
Betroffene wollen ihren Zustand ohnehin so schnell wie möglich loswerden; insofern besteht keine Gefahr, dass sie sich unnötig lang „Zeit nehmen“.
Wie Leitungspersonen im alpinen Gelände mit Gruppenmitgliedern umgehen sollen, die eine Panikattacke erleiden, beschreiben wir hier nicht.
Nach Überstehen der Panikattacke und Rückkehr in die häusliche Umgebung schlagen wir sieben Reaktionen vor:
Eine genaue Untersuchung der Hintergründe, wie unter „psychische Überforderung“ beschrieben, auch, um in Zukunft mögliche Warnzeichen berücksichtigen zu können. Panikattacken können Anzeiger für Überlastung sein, wobei es nicht darauf ankommt, ob Belastungsfaktoren auch als negativ erlebt werden. Frische Elternschaft in Verbindung mit einem gewünschten beruflichen Wechsel könnte z. B. eine solche Überlastung sein.
Wissen erwerben und lernen über Panik. Wissen schadet nicht! Es gibt gute Selbsthilfeliteratur, in der Panikzustände, ihre körperlichen und seelischen Hintergründe und Selbsthilfemöglichkeiten beschrieben sind, z. B. „Ratgeber Panikstörung und Agoraphobie: Informationen für Betroffene und Angehörige“ von Nina Henrichs (Hogrefe Verlag).
Bei wiederkehrenden Panikattacken auf jeden Fall mögliche körperliche Auslöser hausärztlich abklären. Panikattacken können z. B. bei unerkannten Stoffwechselstörungen auftreten.
Das Gespräch mit jemand Fachkundigem suchen. Allgemeinärzte haben in der Regel viel Erfahrung mit Patienten, die Panikzustände durchlaufen haben und sind neben der körperlichen Abklärung auch dafür eine erste Adresse; eine psychologische Beratung zur Einordnung des Geschehens ist ebenfalls hilfreich.
Oft ist für Menschen, die Panikattacken im Gebirge erlebt haben, belastend, dass eine Unbeschwertheit verloren gegangen ist, dass Gelände, in dem sie sich wohl gefühlt haben, nun mehr nur unter großer psychischer Anstrengung ausgehalten werden kann. Hier gibt es eine gute und eine schlechte Nachricht: Häufig bilden sich Angstreaktionen auch wieder zurück, Ängste hängen ab von der Tagesform und auch von größeren Veränderungen im Leben. Man kann also darauf bauen, dass die Situation sich wieder bessern wird. Aber es gilt auch: Nach einem solchen Geschehen schwingt die Möglichkeit eines erneuten Auftretens durchaus mit.
Um wieder in Gelände zu gehen, in dem eine Panik aufgetreten ist, gilt: Keine Holzhammermethoden! Auch wenn es notwendig ist, analoge Situationen zu denjenigen, in denen die Panik aufgetreten ist, wieder aufzusuchen, um die Gelegenheit zu schaffen, erfahren zu können, dass eine Angst auch weniger stark sein kann, darf man hier freundlich mit sich selbst sein. Das heißt:
Sich selbst Zeit geben: Nicht sich zum Ziel setzen, dass bestimmte Wegpassagen wieder angstfrei funktionieren müssen, sondern sich diesen annähern ohne das Ziel, sie ganz zu bewältigen.
Dann sich dem Erleben der eigenen Angstempfindungen aussetzen, soweit gehen, wie man sich traut, innehalten, ggf. auch wieder zurückgehen. Entscheidend ist nicht die Bewältigung, sondern das Erleben, dass eine Panik in einem bestimmten Rahmen bleibt.
Lernen, sich auch bei Empfinden von Angst selbst zu beruhigen, das gelingt am besten über die Atmung (siehe oben).
„Augen zu und durch“ ist der falsche Ansatz; besser: Augen auf und selbstfürsorglich hinein.
Anforderungen langsam steigern: Überforderungen helfen nicht.
Schließlich gilt es aber auch, für sich zu klären, welches Gelände, welche anspruchsvollen Touren und welche Ausgesetztheit zum eigenen bergsteigerischen „Portfolio“ gehören soll. Das kann auch die Entscheidung beinhalten, sich bestimmten Situationen nicht mehr oder nicht mehr so häufig auszusetzen.
Hier geht's zum Glossar mit weiteren wichtigen Begriffen aus dem BergwanderCheck.