Prachtvoller Treppenaufgang der Berliner Hütte. Foto: Nadine Ormo
Prachtvoller Treppenaufgang der Berliner Hütte. Foto: Nadine Ormo
Denkmalschutz auf Alpenvereinshütten

Einmal Geschichte(n), bitte!

„… und dann diese Hütte!“, ist es vielleicht auch aus dir schon herausgebrochen, wenn du später eifrig von einer ganz bestimmten Bergtour erzählt hast. Galt deine Begeisterung dabei dem besonders schmackhaften Essen? Dem ausgesprochen netten Hüttenteam? Oder galt sie vielleicht der Hütte selbst, weil dich das Gebäude fasziniert hat?

Eine Hütte, von der wohl noch ausnahmslos jede*r derart begeistert zurückgekehrt ist, ist die Berliner Hütte, auf 2042 Metern Höhe in den Zillertaler Alpen. Berliner „Bergschloss“ könnte das 1897 eröffnete Schutzhaus wohl besser heißen. Ein holzvertäfelter Speisesaal, ein Foyer mit einem ausladenden Treppenaufgang oder besonders schnuckelig-kleine Zimmer – auf der Berliner Hütte erleben Gäste ein ganz außergewöhnliches Interieur. In früheren Tagen gab es hier sogar eine Dunkelkammer, ein Postamt sowie eine Schuhmacherwerkstatt.

Der alpine Prachtbau ist in dieser Form und Größe eine Ausnahmeerscheinung und steht seit seinem einhundertsten Eröffnungsjubiläum unter Denkmalschutz. – Eine Ehre, die bis dahin noch keiner anderen Schutzhütte in Österreich zuteilgeworden war.

Warum überhaupt Denkmalschutz?

Im Kern geht es beim Denkmalschutz darum, dass wir als Gesellschaft historisch bedeutsame Gebäude, Gärten oder ganze Ensembles erhalten, um ein Stück unserer Kulturgeschichte und damit unserer Identität erklären und verstehen zu können. Ohne diese Zeugen vergangener Epochen wären nicht nur unsere Städte, sondern auch Kulturlandschaften und Landschaftsräume geschichts- und gesichtslos. Im Denkmalschutz geht es dabei nicht zwingend darum, dass etwas besonders alt oder besonders schön ist, sondern vielmehr um die Frage: steht das Gebäude exemplarisch für seine Zeit?

Die Alpenländer gehen ganz unterschiedlich mit ihrem Erbe um: So wurden in Tirol bereits ab 2009 die Alpenvereinshütten (sowie private Hütten) systematisch abgegangen und erfasst; allmählich ziehen auch andere Bundesländer in Österreich nach.

Auf bayerischer Alpenseite fand eine solche systematische Erfassung zwar noch nicht statt, doch die Behörden sind dort stark vernetzt. Soll eine Hütte verändert oder modernisiert werden, wird die Denkmalschutzbehörde ganz automatisch hinzugezogen.

Das Gepatschhaus im Kaunertal. Foto: DAV/Wolfgang Berger

Steigendes Denkmalschutz-Interesse

Vor rund 25 Jahren mit der Berliner Hütte also ein Novum, ist das Interesse am Denkmalschutz auch in den Bergen seither spürbar gewachsen. „Es gehen mehr Menschen in die Berge und die Wertschätzung für das, was wir dort vorfinden, steigt“, weiß Robert Kolbitsch. Der ausgebildete Architekt arbeitet als Ressortleiter Hütten und Wege in der Bundesgeschäftsstelle des Deutschen Alpenvereins.

Die Sektionen selbst sind da oft etwas zurückhaltender: Kommt auf einer Hütte – oft in Verbindung damit, dass die Technik ertüchtigt oder die Sicherheit der Gäste noch besser gewährleistet werden muss – das Thema Denkmalschutz erstmals auf, dann wird dies von Sektionen oft zunächst als große Bürde empfunden, berichtet Kolbitsch.

„Ich sehe es aber eher als eine Auszeichnung, weil damit auch die vielfach ehrenamtliche Arbeit der zurückliegenden 150 Jahre gewürdigt wird. Hinzu kommt: Denkmalschutz ist ganz klar eine Chance, historisches Erbe zu wahren.“ Schließlich helfen die Behörden auch, Förderungen zu erhalten oder kreative Lösungen für Auflagen zu finden.

In Deutschland stärker ins Bewusstsein gebracht wurden Denkmalschutzfragen auf Alpenvereinshütten vor allem mit der Modernisierung der Höllentalangerhütte. Als die Rundum-Erneuerung der seit jeher für die Zugspitzbesteigung durchs Höllental wichtigen Hütte anstand, entschied man sich, die alte Hütte komplett abzureißen. Nicht jedoch, ohne vorher den historischen Hüttenkern, die „Ur-Hölle“, akribisch zu inventarisieren, vorsichtig im Wettersteingebirge ab- und auf der Münchner Praterinsel wieder aufzubauen. Seither können Besucher*innen mitten in der Stadt sehen, wie frühere alpine Schutzhütten aussahen und wie sie ausgestattet waren.

Erste Schutzhäuser – ein Blick in die Alpingeschichte. Hier: Alte Prager Hütte. Foto: Fabian Dalpiaz

Die Anfänge der Schutzhütten in den Alpen

Die erste Schutzhütte in den Ostalpen datiert aus der Zeit der Erkundung und Erstbesteigung des Großglockners, der zu den markantesten Gipfeln der Ostalpen zählt. Als der Berg Ende des 18. Jahrhunderts vermessen werden sollte, organisierte Fürstbischof Franz II. Xaver von Salm-Reifferscheidt-Krautheim zwei Expeditionen und ließ auch eine Hütte errichten. Sie sollte als Basisquartier für die geplante und im Jahr 1800 geglückte Erstbesteigung des Großglockners dienen.

Mit dieser Hütte, die daraufhin als Salmhütte bekannt wurde (heute gehört sie dem ÖAV), war auch schon die Hauptaufgabe als Schutzhaus definiert, wie es die Alpenvereine später, ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in den Bergen allenorts errichteten: ausgehend von Bahnstationen sollten die Hütten bei aufwändigeren Besteigungen einen Zwischenstopp ermöglichen, so dass man sich erholen und den Gipfel am nächsten Morgen frisch in Angriff nehmen konnte. Außerdem konnte man sich – bei Wettersturz oder anderen Widrigkeiten – auf ein solches Schutzhaus schnell zurückziehen.

Die Alpenvereins-Sektionen bauen

Eine der ältesten Schutzhütten in den Ostalpen, in Tirol vom Alpenverein errichtet, ist die Alte Prager Hütte auf 2.489m Höhe am Großvenediger. 2022 wird sie 150 Jahre alt und gilt heute als Urform hochalpiner Baukultur: möglichst einfach und unaufwändig sollte sie sein, so das damalige Credo; gleichzeitig orientierten sich die Alpenvereinshütten an klassischen Wohnhäusern, wie sie im Tal und vor allem außerhalb der Berge zu finden waren.

Die Alte Prager Hütte wurde vor einigen Jahren umfänglich und originalgetreu restauriert; durch ein Glasfoyer kann man heute in die denkmalgeschützte, museal genutzte Hütte blicken. „Auch die später etwas höher erbaute Neue Prager Hütte steht heute unter Denkmalschutz. Als sie erbaut wurde, war sie ein Prestigeobjekt der Sektion, mit großer Liebe zu Details“, erklärt Friederike Kaiser, Geschäftsbereichsleiterin Kultur in der DAV-Bundesgeschäftsstelle.

Überhaupt: die Details. Wenn man’s nicht weiß, erkennt man als Laie mitunter gar nicht auf den ersten Blick, dass man ein denkmalgeschütztes Schutzhaus betritt. Denn bis heute werben die Hütten nicht explizit damit. Beim DAV will man gerne, so Kaiser, zukünftig noch stärker zeigen, wie all das entstanden ist. „Schließlich sind Hütten ein wichtiger Teil des Bergerlebnisses. Und die Hütten bezeugen eindrucksvoll, wie wichtig das Bergerlebnis auch für die Menschen vor 150 Jahren schon gewesen ist. Dass all das durch die Mitglieder erhalten und immer wieder verbessert wird, ist eine große Leistung.“

Damals wie heute: Alles andere als normal

Hinzu kommt: vor allem die höher gelegenen Hütten wurden oft unter extremen Bedingungen gebaut und sind seither extremen Bedingungen ausgesetzt. Die Sommer kurz, der Boden lange mit Schnee bedeckt und mitunter durchgehend gefroren.

Wobei letzterer, der Permafrost, den Denkmalschutz des Alpenvereins heute vor neue Herausforderungen stellt: weil sich aufgrund des fortschreitenden Klimawandels der Permafrost immer stärker aus dem Gestein zurückzieht und der Boden taut, dringt mancherorts Feuchtigkeit in die Gebäude, Fundamente weichen auf, Hütten werden instabil. Wie die Landshuter Europahütte am Alpenhauptkamm in den Tuxer Alpen: die Hütte steht auf 2.693m genau auf der österreichisch-italienischen Grenze und hat eine große historische Bedeutung. Doch an Denkmalschutz ist hier nicht zu denken, denn mit dem Auftauen des Permafrostbodens zeigen sich zunehmend enorme Risse in Fundamenten und Mauerwerk – die Hütte wird quasi auf der Grenze auseinandergerissen. Einzige Lösung hier: ein (Teil-)Ersatzbau.

Landshuter Europahütte. Foto: DAV Landshut/Stefan Graziadei

Alpine Denkmäler erleben

Das alles klingt spannend? – Vielleicht ist ja die nächste Wandertour der ideale Anlass, die Augen (noch) ein wenig genauer auf die Hütte unterwegs zu richten. Denn es sind die Details, die faszinieren und die Geschichte und Geschichten erzählen können: von traditionellen Bauweisen oder historischen Baumaterialien, von einstigen Bedürfnissen und gesellschaftlichen Stilfragen. Oder von kreativen Lösungen selbst da, wo Denkmalschutz und heutige Normen auf den ersten Blick nicht zusammenzugehen scheinen.

Zu den Hütten, bei denen sich ein solcher genauerer Blick empfiehlt, gehören neben anderen die Hildesheimer Hütte und die Anhalter Hütte, das Gepatschhaus und das Stubenberghaus, das Meißner Haus und das Anton-Karg-Haus; ebenso die Falkenhütte und die Reintalangerhütte. Und auch außerhalb der Alpen stehen einzelne Hütten der DAV-Sektionen unter Denkmalschutz, wie die Saupsdorfer Hütte in der Sächsischen Schweiz, ein altes, für die Region typisches Umgebindehaus.

Literatur-, Lese- und Sehtipps

  • „Hoch hinaus! Wege und Hütten in den Alpen“. 2-bändiges Werk, herausgegeben vom DAV, ÖAV und AVS. (Böhlau-Verlag); erhältlich im DAV-Shop.

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