Von: Andreas Skorka
Im 3. Stock des Matratzenlagers
Ist es Alpinisten der Altersgruppe 60 plus zuzumuten, in einem dreistöckigen Matratzenlager ganz oben zu schlafen? Lionel, der Hüttenwirt des Refuge de la Brèche de Roland in den Pyrenäen, sieht offenbar kein Problem darin. Ich wende ein, dass doch vier Plätze ganz unten noch nicht bezogen seien und vier von meiner Bergsteigergruppe deswegen nach unten ziehen könnten. Nein, meint Lionel, das ginge nur, wenn die für unten Eingeplanten zustimmen würden. Nur: die vier sind noch gar nicht da, wissen also noch nichts von ihrem Glück, unten schlafen zu dürfen. Meinen erneuten Einwand, dann könne er doch umplanen, lässt er nicht gelten. Das mag verstehen, wer will, ich nicht! Mein Französisch reicht nicht aus, um ihm zu erklären, dass ich bei einem Wadenkrampf dort oben verloren wäre. Ich bin ihm also nicht gewachsen, und deswegen gebe ich mich vorerst geschlagen. Dann kommen zwei junge Madrilenen und sind bereit, auf ihre Plätze unten zu verzichten und nach oben zu ziehen, ohne auch nur eine Sekunde zu überlegen. Zum Dank bringe ich ihnen später zwei Dosen Bier raus vor die Hütte, und das gibt mir die Gelegenheit zu einem langen Plausch mit ihnen, über die Lage in Spanien und – das damals dort beliebte Thema – Señora Merkel, während langsam die Sonne hinter dem Taillon untergeht und es kalt wird. In die Hütte zurückgekehrt, erfahre ich, dass die beiden anderen Lager unten freigeblieben sind, weil die Angemeldeten abgesagt haben. So wird von meiner Gruppe nur Benno im dritten Stock übernachten, und er freut sich sichtlich, wie ein Waschbär von ganz oben herunterblicken und noch ein paar Späßchen machen zu können, bevor das ganze Lager, dreizehn Menschen in unserem Bettengestell, fünfzehn auf dem gegenüberliegenden, mehr oder weniger ruhig dem nächsten Tourentag entgegenschläft. Dieser hält mehrere bergsteigerische Höhepunkte, nämlich die Überschreitung der Brèche de Roland mit der Besteigung des Taillon und dem Weiterweg zum Refugio de Góriz in Spanien für uns bereit.
Weil dieser nächste Tag aber schon der fünfte unserer Pyrenäen-Tour sein wird, muss ich um etwas Geduld bitten und den Bericht darüber noch etwas hinausschieben, um jetzt am Anfang zu beginnen.
Zur Einstimmung: Stadtbesichtigungen
Die Tour sollte eigentlich erst Dienstagabend mit einer Hotelübernachtung in Lourdes beginnen, aber da alle schon am Morgen am Flughafen von Toulouse angekommen sind, fahren wir gemeinsam mit dem Bus zum Bahnhof, wo wir, nach Überwindung einiger Schwierigkeiten, unser Gepäck einschließen, um dann Toulouse zu besichtigen, das durch den Canal du Midi sowie die Basilika Saint Sernin als Teil des Französischen Jakobswegs in zweifacher Weise am Weltkulturerbe beteiligt ist.
Wir, das sind sieben pensionierte Lehrer, alle männlich, und zwei Pärchen, die noch einer anständigen Erwerbstätigkeit nachgehen.
Nachmittags geht es mit dem Zug nach Lourdes, eine Stadt mit der – nach Ansicht eines Teilnehmers – größten Hoteldichte, die er je erlebt habe. Ich lasse mir, ebenso wie andere aus der Gruppe, nicht die Prozessionen entgehen, die mehrfach am Tag mit jeweils Hunderten oder gar Tausenden von Teilnehmenden stattfinden, darunter vielen Schwerkranken, die darauf hoffen, durch ein Wunder, möglicherweise kurz vor dem sicheren Tod, geheilt zu werden. Ich glaube nicht an solche Wunder und denke an die Millionen von Kranken, deren Hoffnungen sich nicht erfüllt haben, und die genauso krank, oder auf Grund der Reisestrapazen noch kränker, enttäuscht wieder nach Hause gebracht werden mussten.
Grandioser Start beim Cirque de Gavarnie
Am nächsten Morgen verlassen wir unser Hotel in Bahnhofsnähe und haben bei bestem Wetter schon einen herrlichen Blick auf die Pyrenäen, zu denen uns unser Linienbus für unglaubliche zwei Euro pro Person in gut eineinhalbstündiger Fahrt durch das Tal des Gave bringen wird. In Gavarnie ist Endstation. Das ist ein sehr kleiner Ort mit einigen Hotels und Restaurants, und ich wage einmal die Behauptung, es gäbe Gavarnie gar nicht, wenn es nicht den Cirque de Gavarnie gäbe. Dieser Cirque ist das wahrscheinlich beeindruckendste Felshalbrund in den Pyrenäen mit sechzehnhundert Metern Höhenunterschied und mit der Grande Cascade, deren Wasser über vierhundert Meter herabfällt. Und davon, dass dieser Cirque so grandios ist, wollen sich jedes Jahr Zigtausende überzeugen. Wir wollen das auch, aber weil wir schon fast Mitte September haben, sind nicht mehr ganz so viele unterwegs, und es ist auch nicht so heiß, so dass die Fäkalhinterlassenschaften der Pferde nicht mehr so massenhaft herumliegen und der Gestank erträglich ist. Aber Pferde beim Bergsteigen? Nein, wir laufen natürlich, aber viele andere lassen sich auf Pferderücken zur Hôtellerie du Cirque bringen, wo man zwar nicht mehr übernachten kann, aber immerhin ein recht gutes kulinarisches Angebot erhält.
Was Zigtausende tun, kann ja nicht falsch sein. Deswegen stellen wir fest, dass der Cirque de Gavarnie wirklich einzigartig und grandios ist. Wir werden in den nächsten Tagen noch mehrfach Gelegenheit haben, ihn von höherer Warte aus zu bewundern.
Wir wollen ja bergsteigen, und deshalb geht es von der Hôtellerie auf angenehmem Weg hinauf zu unserer ersten Hütte, dem Refuge des Espuguettes, wo uns zunächst die beiden Hüttenesel und dann die Hüttenwirtin Noëmi begrüßen. Meine Zehn erhalten ein eigenes Matratzenlager, und ich als Guide ein etwas breiteres Bett im Treppenhaus direkt vor der Tür des Lagers. Ich komme mir vor wie der Wachhund, bin aber mit meiner Unterbringung ganz zufrieden.
Der Pimené, ein Aussichtsberg der Extraklasse
Der nächste Tag führt uns über das Wiesengelände vor der Hütte nach Osten, dann geht es steiler in langen Zickzackwegen aufwärts, schließlich auf einen Grat, wo unsere Wanderschritte am Schluss von einer kleinen Kletterei abgelöst werden. Nach zweieinhalb Stunden stehen alle auf dem Pimené (2801 m), einem Aussichtsberg der Extraklasse. Herrlich ist das Wetter und sensationell die Aussicht. Weite Blicke gibt es auf die nördlichen und östlichen Pyrenäenketten, im Westen auf den Vignemale mit seinem Gletscher. Im Südwesten aber bringt uns die sagenumwobene Brèche de Roland zum Staunen, und ein kleines Stück weiter rechts steht El Taillón, wie der Taillon auf Spanisch heißt, der leichteste Dreitausender der Pyrenäen. Dies sind unsere beiden Ziele für den kommenden Samstag. Wir machen Brotzeit, und bald sind die in solchen Situationen üblichen Bergsteigersprüche zu hören wie: „Das ist ja fast schon wie Urlaub“, „Es könnt‘ uns ja noch schlechter gehen“ oder „Denkt daran, Millionen müssen arbeiten“. Wir müssen nicht arbeiten, aber dann doch absteigen (Warum eigentlich? Der Tag ist noch lang, das Wetter sicher und das Lager auch!). Ich überschreite mit Gerhard zusammen auf dem Rückweg den Petit Pimené (2667 m) und gehe dann mit einigen noch weiter auf einem schönen Grat in Richtung des Passes Hourquette d’Alans. Am Nachmittag sind alle wieder vor dem Refuge vereint.
Über die Brèche de Roland nach Spanien
Am nächsten Morgen verabschieden wir uns von der Hüttenwirtsfamilie Pilou, Noëmi und ihrer kleinen Tochter Maïna und steigen flott nach Gavarnie ab. Der kleine Dorfladen hat schon auf und wir können uns mit frischem Baguette, Croissants, Süßigkeiten und Obst eindecken. Ute, Willi, Norbert und Renate möchten den fast fünfstündigen Aufstieg zum Refuge de la Brèche de Roland abkürzen und lassen sich mit dem Taxi auf den hochgelegenen Parkplatz Col de Tentes (2208 m) fahren, von wo sie nur noch zweieinhalb Stunden bis zur Hütte haben. Wir anderen steigen an der Kirche vorbei Richtung Puerto de Bujaruelo. Dieser Pass ist einer der vielen, die ein nördlich des Pyrenäen-Hauptkamms liegendes französisches Tal mit einem spanischen im Süden verbinden. Wir wandern also auf einem der zahlreichen Jakobswege, worauf an einem der letzten Häuser in Gavarnie hingewiesen wird. Am Plateau de Bellevue gibt es eine erste Rast mit fantastischem Blick in den Cirque de Gavarnie. Weiter geht es in bequemem Aufstieg durch das Vallée des Pouey D’Aspé, und kurz danach trennen sich Klaus sowie der Bayern-Express, das sind Manfred, Dieter und Charlie, unsere drei schnellen Freunde von der Sektion München, von uns, um den Steilaufstieg zum Refuge zu wählen. Der Rest, Benno, Gerhard und ich, bleiben im Talaufstieg, passieren die Cabane des Soldats und setzen den Fuß an der Grenze am Puerto de Bujaruelo schon einmal auf spanisches Gebiet.
Dann geht es durch felsiges Gebiet weiter, der Anstieg ist moderat bis steil, zum Teil in einem Bachbett, bis wir plötzlich vor der Hütte stehen. Alle elf sind jetzt wieder zusammen.
Sagenhafte Scharte
Wir können es kaum erwarten, am nächsten Morgen in nur 45 Minuten über den Gletscherrest auf die Brecha de Rolando, wie sie auf Spanisch heißt, aufzusteigen. Der Schnee ist noch ziemlich hart, so dass man fast an Steigeisen denken könnte, aber auch ohne solche Hilfsmittel sind alle bald oben. Dort sind wir nicht allein, an schönen Tagen überschreiten Hunderte von Menschen die Brecha.
Die Brecha ist ein von weitem sichtbarer, senkrechter Einschnitt im Pyrenäen-Hauptkamm, hundert Meter tief, vierzig Meter breit. Kein Wunder, dass die Menschen sich ihre Entstehung früher nicht erklären konnten. Also musste die Sage her, und die geht so:
Als der Frankenkönig Karl (später als Karl der Große bekannt) auf dem Rückweg von seinem Spanienfeldzug war, kam seine Nachhut unter ihrem Anführer Roland, einem Neffen des Kaisers, bei der Überschreitung der Pyrenäen an eine Felswand, die einfach unüberwindbar war. Da nahm Roland sein Schwert Durendal und schlug eine Bresche in die Felswand.
Die Sage der Entstehung der Brecha wird aber auch so erzählt: Roland sei bei seinem Rückzug in einen Hinterhalt der Sarazenen, also der Araber, geraten. Dabei sei seine ganze Nachhut aufgerieben worden. Sterbend habe Roland sein Wunderschwert in den Felsen gehauen, damit es nicht den Feinden in die Hände fallen sollte, aber es war unzerstörbar. Bis heute gäbe die Brecha also noch Zeugnis von Roland und seinem Schwert.
Historisch belegt sind der Spanienfeldzug von Karl, die Zerstörung der Stadtmauern von Pamplona auf Karls Rückzug und die Vernichtung der fränkischen Nachhut, aber weiter im Westen bei Roncesvalles und nicht da, wo sich die Brecha befindet. In Wirklichkeit waren es aber nicht die Araber, sondern die Basken, die sich wegen der Zerstörung ihrer Stadt Pamplona durch Karls Truppen hatten rächen wollen.
Nun müssen wir aber Roland und die Brecha verlassen, um gleich hinter den Felsen auf einfachem Pfad den Taillon (3144 m), unseren ersten Dreitausender, zu besteigen. Es wird leider unser einziger auf der Tour bleiben. Einigen wird die Luft knapp, aber bald sind wir alle zum Gipfelfoto vereint, das ein junger Katalane von uns schießt. Auch hier oben ist die Aussicht fantastisch, zum Beispiel auf den Monte Perdido, geplanter Höhepunkt der Tour und unser Ziel für den nächsten Tag.
Zurück zur Brecha steigen wir nun nach Süden ab in den aragonesischen Teil der Pyrenäen. Ein Hochtal mit zwei welligen Zwischenanstiegen bringt uns in drei Stunden zu unserem Ziel, dem Refugio de Góriz.
Die Geschichten von draußen
Immer wieder schicken uns DAV-Mitglieder und andere Bergbegeisterte E-Mails mit tollen Geschichten und Erlebnissen von draußen in die Redaktion. Es sind Geschichten aus den Bergen oder anderswo in der Natur. Mit der Online-Rubrik "Geschichten von draußen" schaffen wir eine Möglichkeit, all diese Geschichten und Erlebnisse zu teilen. Und alle, die lieber lesen als schreiben, finden hier Unterhaltung, Inspiration und vielleicht schon Planungsgrundlagen für die eigene nächste Tour. Die Geschichten ersetzen keine individuelle und sorgfältige Tourenplanung.
Du hast auch eine Geschichte? Dann schick sie gerne an dav-panorama@alpenverein.de.
Gegen Ende jedes Jahres wird über die besten Geschichten abgestimmt – die Autor*innen der Gewinner-Storys dürfen sich über einen tollen Gutschein freuen.
Monte Perdido – der verlorene Berg
Der Refugio de Góriz gehört der Federación Aragonesa de Montañismo, also dem Bergsportverband von Aragón, und man kann die Unterkunft dort nur über das Internet buchen, es sei denn man ruft kurzfristig an, ob etwas frei ist. Heute in vielen Hütten Standard, damals fragte ich mich noch, ob das die Zukunft des Alpinismus sein sollte: Die Buchung wird nur wirksam, wenn man die Anzahlung von seiner Kreditkarte abbuchen lässt, dabei werden auch gleich mögliche Stornogebühren mitgeteilt. Na gut, ich war froh, Platz für elf Personen zu bekommen, und das auch noch an Samstag und Sonntag.
Auch dieses Lager ist dreistöckig, aber der Hüttenwirt, der sich freut, mit mir Spanisch sprechen zu können und nicht auf Englisch zurückgreifen zu müssen, hat gleich eingesehen, dass er uns Alte unten unterbringen muss. Das Lager ist mit vierzig Leuten gut gefüllt, und ich reiße ein Fenster auf. Sofort erscheint über mir ein Arm, und das Fenster ist wieder zu. Zehn Minuten später das gleiche Spiel. Da muss ich dann doch aufstehen und dem Frischluftfeind ein paar Worte sagen mit der Folge, dass er das Fenster jetzt auflässt. Beim Aufstieg zum Monte Perdido am nächsten Morgen sind es genau er und seine Begleiterin, Basken aus Bilbao, die sich an meine Gruppe anhängen, weil sie offenbar keine Ahnung vom Bergsteigen haben (und auch nicht von den Luftverhältnissen in einem vollen Matratzenlager bei geschlossenen Fenstern).
Leider gibt es schon beim Verlassen der Hütte Anzeichen dafür, dass das Wetter nicht halten wird. Trotzdem haben wir nach eineinhalb Stunden schon knapp die Hälfte des Aufstiegs geschafft. Im Westen sind bereits die ersten Blitze zu sehen, so dass wir beschließen umzudrehen. Und folgsam tut das Pärchen aus Bilbao das Gleiche. Aber Dutzende von Menschen kommen uns noch entgegen, so als würde kein Gewitter drohen. Eine Gruppe von knapp zwanzig Bergsteigern aus Asturien, noch am Anfang des Aufstiegs, fragt mich um Rat. Ich sage ihnen, heute sei kein Tag für den Monte Perdido, und es dauert ganze zehn Minuten, bis ich sie davon überzeugt habe. Diese zehn Minuten fehlen mir dann, um trockenen Hauptes zurück in die Hütte zu kommen.
Und so muss der Monte Perdido, formschöner und mit 3355 Metern dritthöchster Berg der Pyrenäen, an diesem Tag ohne unseren Besuch auskommen.
Durch den Parque Nacional de Ordesa zurück nach Gavarnie
Es ist Montag und die Sonne scheint. Ein erneuter Versuch des Monte Perdido verbietet sich. Wir müssen absteigen, und zwar durch den wunderschönen Parque Nacional de Ordesa, den der Río Arazas gegraben hat. An der Cascada Cola de Caballo (Pferdeschwanz-Wasserfall) vorbei marschieren wir lange talabwärts. Wir befinden uns in einem zweifachen binationalen Welterbe, denn der Parque ist zusammen mit dem Monte Perdido und den französischen Pyrenäen rund um Gavarnie Weltnaturerbe, aber auch Weltkulturerbe. „Gewürdigt werden dabei die geologische Einzigartigkeit, die Schönheit und Vielfalt der Natur, die in Europa selten gewordenen traditionellen Lebensformen wie die Almwirtschaft sowie die außerordentliche Rolle, die die Pyrenäen für die Kunst und Kultur Europas spielen.“ (entnommen aus Wikipedia)
Am Ende des Abstiegs regnet es doch, und alle sind froh über die beiden Taxis, die uns nach Torla in das Hotel Ballarín bringen. Vicente Ballarín, ein freundlicher älterer Herr, Namensgeber und Eigentümer des Drei-Sterne-Hotels, begrüßt uns und weist uns unsere Zimmer zu. Es ist Mitte September, die Saison ist vorbei, und entsprechend preisgünstig ist die Unterkunft. Bald rauschen in allen Bädern die Duschen, denn wir haben fünf Tage lang nicht mehr geduscht. Und unsere beiden Pärchen haben auch wieder mal Zeit für sich …
Nach einer Siesta schauen wir uns das Dorf an und überlegen, wo wir ein leckeres Abendessen bekommen. Das Restaurant El Duende (deutsch: Der Kobold), ein Tipp von Vicente, erweist sich als perfekt: das Menu ist hervorragend, der Wein ist gut und geradezu billig, so dass jeder nach dem Abendessen zufrieden und müde in sein Komfortbett fällt.
Der Rückweg nach Gavarnie würde uns etwa neun bis zehn Stunden kosten. Das ist uns zu viel, außerdem geht in Gavarnie um 17 Uhr der Bus nach Lourdes ab. Wir steigen deswegen nach einem ausgiebigen Frühstück in unsere beiden Taxis ein, die uns über den Puente de los Navarros (Brücke der Navarresen) in das Bujaruelo-Tal bringen. Der Talschluss liegt malerisch da, es gibt einen Refugio und einen naturbelassenen Campingplatz für alle, die gern draußen sind und sich trotz der Schlaglochpiste mit ihrem PKW oder ihrem Wohnmobil hierher trauen.
Der Puente de Bujaruelo, eine uralte Brücke, führt uns über den Río Ara. In ständigem Bergauf, aber nie zu steil, überwinden wir die Waldgrenze und steigen dem Bujaruelo-Pass entgegen. Ein kalter Wind bläst uns in den Rücken, und bei der Rast auf der Passhöhe in 2273 Metern Höhe werden zum ersten Mal Handschuhe und warme Mütze aus dem Rucksack geholt. Genau vor einer Woche waren wir noch im heißen Toulouse gewesen. Nun geht es bergab durch das Vallée des Pouey D’Aspé, durch das nur drei von uns am letzten Freitag schon aufgestiegen sind.
Wir sind wieder in Gavarnie, und ich ziehe Fazit. Zu Beginn der Tour hatte ich drei Verbote ausgesprochen: Erstens, über Schule zu reden; zweitens, über Krankheiten und Operationen zu reden; und drittens, im Gelände abzustürzen. Wenigstens an dieses letzte Verbot haben sich alle gehalten. Ich bin zufrieden.
Über den Autor
Andreas Skorka ist 1948 geboren und in Hessen aufgewachsen. Das ist eine Erklärung dafür, dass er erst 1971 zum erstenmal in die Alpen kam und folglich auch Mitglied im DAV wurde. Seitdem betreibt er das Bergsteigen mit zunehmender Begeisterung, wobei der Schwerpunkt auf dem Wandern im Mittel- und Hochgebirge liegt. Seit 2010 ist er AV-geprüfter Wanderleiter bei der Sektion Kassel. Mehrfach war er in den Bergen Spaniens (Pyrenäen, Sierra Nevada, Serra de Tramuntana) unterwegs. Zudem ist er Autor bei alpenvereinaktiv und hat dort mehr als 300 Wanderungen, Bergtouren und Mehrtagestouren beschrieben.