Von: Rosa Windelband und Sandra Krause
Alles fing vor ein paar Jahren an, als schon einmal eine Horde Bauwütiger am Fels stand; damals an der "Altersschwäche" am Zwilling. Alle waren gleichermaßen motiviert und doch standen ein paar Stunden später die Jungs in der Pyramide und die Mädels an den Sicherungsgeräten. Klassisch – aber doof! Also beschlossen wir, es mal komplett anders zu machen und trommelten motivierte Kletterinnen zusammen. Das Ziel war gar nicht so leicht zu finden: Ausgiebig auf jeden Fall, mindestens drei Etagen, jede sollte mit unterkommen, aber für den Anfang vielleicht auch nicht zu kompliziert...
Kein April-Scherz!
Die Wahl fiel auf den "1.April-Weg" am Kleinen Amboss. Hier versammelten wir uns am Samstagmorgen, insgesamt waren 21 Frauen da, Männer als Fotografen und Kind und Hund zur moralischen Unterstützung. Der Start verlief super: Im Handumdrehen war der Ring eingehängt. Drei Etagen stellen also schonmal keine größere Hürde für uns dar. Schon wähnten wir uns auf dem Weg zum schnellen Erfolg. Mit so vielen Leuten wird das easy! Da können wir ja hinten wieder runter bauen! Das dachten wir zumindest....
Spätestens jetzt war bei Allen die Begeisterung entfacht. Während Einzelne noch das gegenseitige Beklettern übten oder ihre Schultern mit Kuschelpullis polsterten, umwebten Andere den Fels mit Seilen, damit schon ab der zweiten Etage komfortabel gesichert werden konnte. Wir drängten uns an den Wandfuß und nach Größe, Gewicht, aktuellen körperlichen Gebrechen und natürlich persönlichem Wohlbefinden und T-Shirt-Farbe wurde ausgewählt, wer in welche Etage kommt. Schnell stellten wir fest: So klein ist der Gipfel dann doch nicht – vor allem in Relation zu unserer durchschnittlichen Körpergröße. Wie unsere Vorgänger an dieser Wand hatten wir vier Etagen geplant, doch das reichte bei uns einfach nicht aus. …dann also fünf Etagen!
Hoch hinaus und schnell hinab
Was für ein Glück, dass so viele tolle Frauen unserem Ruf gefolgt waren. Jetzt hieß es: aufeinander klettern! Die zweite Etage stand schnell, doch als die dritte und vierte Etage loskletterte, kam der Menschenhaufen ins Wanken und alle purzelten durcheinander. Immerhin: die Sicherung hielt einwandfrei. Für den nächsten Versuch optimierten wir die Gewichtsverteilungen auf den Schultern und die Aufstiegsmöglichkeiten. Und siehe da, es ging hoch hinaus. Leider auch schnell wieder abwärts. Mit einem spektakulären Sturz flog die Vorsteigerin samt oberster Etagen durch die Luft. Mist. Nächster Versuch: Dieser war dann noch besser. Unsere Vorsteigerin erreichte mit den Fingerspitzen die Rinne. "Los jetzt!", "Mach hinne!", "Beeil dich!" ertönten die motivierenden Rufe aus den unteren Reihen, doch die entscheidenden Zentimeter fehlten. Ohha, also noch höher bauen.
Die anfängliche Euphorie ebbte spürbar ab. Inzwischen hatten sich zu den schmerzenden Schultern noch zerkratze Unterarme und schlappe Knie gesellt. So wurden die nächsten Versuche eher schlechter. Obwohl Einigen von uns die Zweifel ins Gesicht geschrieben standen, sprach niemand sie aus. Um die Motivation zu heben, wurde eine lange Kaffeepause beschlossen. Ringsum den Gipfel saßen Kletterinnen in der Sonne und versuchten Koffein und Kuchen in Energie, Ausdauer und vor allem in Schmerzresistenz umzuwandeln. Was für eine Aktion hatten wir da bloß angezettelt? Und wie sollte es jetzt weitergehen?
Eine Fotoanalyse gab Aufschluss: Unsere Pyramide stand recht schief, mit sehr ungleicher Lastverteilung. Also bauten wir um. Die untere Etage wurde auf vier Personen abgespeckt, um die ganze Pyramide dichter beisammen zu haben. Einige Positionen wurden getauscht, um den abschüssigen Boden auszugleichen. Außerdem gab es in der finalen Version hinter der eigentlichen Pyramide weitere 1,5 Etagen um die vorderen Reihen zu stützen. Ein unverzichtbarer Support, denn ein großer Felsblock direkt am Einstieg erschwert es, den nötigen Abstand zur Wand zu gewinnen. Um auch die letzten Zentimeter noch irgenwie zu nutzen, sollte die Vorsteigerin bis auf die nach oben ausgestreckte Hand klettern – ganz schön kniffelig so dicht am Fels! Nach einer guten Stunde kam das Signal zum Aufbruch. Allen war klar, dass dies der letzte Versuch werden würde, denn die Erschöpfung war bereits groß. Größer war nur die Aufregung. Wieder stellten sich alle in Position, jede Sehne des Körpers angespannt. Jede gab ihr Bestes. Inzwischen waren wir geübter im Hinaufklettern, aber die Kraftreserven nach den vorangegangenen Versuchen nicht mehr voll. Wieder segelten die obersten beiden Etagen weit durch die Luft. Wieder nichts! All die Anstrengung, wieder umsonst!
Die Geschichten von draußen
Immer wieder schicken uns DAV-Mitglieder und andere Bergbegeisterte E-Mails mit tollen Geschichten und Erlebnissen von draußen in die Redaktion. Es sind Geschichten aus den Bergen oder anderswo in der Natur. Mit der Online-Rubrik "Geschichten von draußen" schaffen wir eine Möglichkeit, all diese Geschichten und Erlebnisse zu teilen. Und alle, die lieber lesen als schreiben, finden hier Unterhaltung, Inspiration und vielleicht schon Planungsgrundlagen für die eigene nächste Tour. Die Geschichten ersetzen keine individuelle und sorgfältige Tourenplanung.
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Ein letzter Zug – geschafft!
Zum Glück gibt es aber Einige von uns, die sich niemals unterkriegen lassen! Noch bevor sich Enttäuschung breit machen konnte, wurde zum nächsten Angriff geblasen. Falls irgendwie möglich, stieg die Spannung noch mehr. Schließlich waren wir nun beim wirklich allerletzten Versuch. Und plötzlich stand die Pyramide stabiler. Unsere Vorsteigerin hatte Zeit, die letzte Etage zu erklimmen. Und je höher sie kam, desto lauter wurden die Anfeuerungsrufe aus der Zuschauerreihe. "Durchhalten! Bloß nicht aufgeben, nicht jetzt!" Unter dieser adrenalingeladenen Atmosphäre focht jede von uns den gleichen inneren Kampf zwischen Können und Wollen, zwischen Aushalten und Aufgeben. Doch der Wille war stärker! Und von der Pyramidenspitze konnte unsere Vorsteigerin schließlich die Rinne erreichen. Ein letzter Zug – geschafft!
Unter lautem Jubel wurde die Pyramide wieder abgebaut. Alle lagen sich in den verschwitzten Armen. Das Gefühl der Teamleistung war unbeschreiblich. Überall strahlende Gesichter. Wir hatten es tatsächlich geschafft. Und wir haben jede gebraucht! Keine Hand, kein Fuß, keine Schulter hätte fehlen dürfen, um diese Pyramide zum Erfolg zu bringen. Enthusiastisch stürmte das ganze Team den Gipfel. Was für ein schönes gemeinsames Abenteuer! So kam es, dass der Kleine Amboss an diesem schönen Sommertag so viele Besucher*innen hatte, wie schon lange nicht mehr. Noch bis tief in die Morgenstunden saßen wir gemütlich beisammen, besprachen begeistert die Details des Tages und schmiedeten schon die nächsten Pläne.