Frau beim Klettern in den Bergen
Klettern ist ein Sport für jedes Alter. Foto: DAV/Christian Pfanzelt
Grundlagen Klettertechnik

Elegant nach oben

Der Kopf hochrot, die Oberarme zum Platzen angespannt, der Fuß wird nach oben gewuchtet, rutscht unter erheblichem Gummiverlust auf den Tritt, verzweifeltes Weiterschnappen zum nächsten Griff – diese „Technik“ ist weder ökonomisch noch elegant. Gute Klettertechnik dagegen kommt auch nicht gänzlich ohne Krafteinsatz aus, aber hilft maximal kraftsparend zu klettern.

Als Zugang zur Klettertechnik kann, wie in anderen Sportarten, ein Technik-Leitbild dienen, das die Kletterbewegung beschreibt und auf unterschiedliche Situationen anpassbar ist. Dieses Leitbild unterteilt die Kletterbewegung (= Zyklus eines Weitergreifens) in drei Phasen: Vorbereitungs-, Haupt- und Stabilisierungsphase. Jeder Phase sind unterschiedliche Merkmale zugeordnet. In diesem Artikel werden diese vornehmlich für den Einsteiger- und Fortgeschrittenen-Bereich beschrieben.

Der Weg zum rettenden Bierhenkel kann in drei Hauptphasen gegliedert werden: Vorbereitungsphase (1-4), Hauptphase (5) und Stabilisierungsphase (6). Sauberes Treten, Verschieben des Schwerpunktes und das Arbeiten aus den Beinen führen zum Erfolg. Illustration: Georg Sojer

Vorbereitungsphase

Ziel der Vorbereitungsphase (1-4) ist es, die Füße so zu platzieren, dass der nächste Griff möglichst gut erreicht werden kann. Grundvoraussetzung ist eine vorausschauende Bewegungsplanung: Mit welcher Hand möchte man an welchen Griff greifen? Wo muss ich hintreten, um den Griff zu erreichen? Fokus und Blick (!) liegen auf den Füßen. Diese werden präzise gesetzt, das heißt, Tritte werden exakt, aufs erste Mal getroffen. Am besten wird mit der vorderen Spitze des Kletterschuhs getreten und Trittfläche und -größe optimal genutzt. Voraussetzung dafür ist das unbelastete Treten: Das Gewicht des Kletterers darf nicht auf dem Fuß liegen, den er weitersetzt. Dies kann durch Schwerpunktverschiebung auf das Standbein erfolgen, durch Stützen oder durch Platzieren des Fußes unter dem Körper. Während unten die Füße „arbeiten“, sollten der Oberkörper ruhig und die Arme lang bleiben – man spricht auch von „entkoppelt anlaufen“.

Hauptphase

In der Hauptphase (5) erfolgt der Zug an den nächsten Griff. Der Impuls für das Weitergreifen kommt nicht aus Fingern, Armen und Schultern, sondern aus Beinen und Hüfte. Hat man dies verinnerlicht, ist bereits viel gewonnen. Das Weitergreifen wird durch eine „Drüber und Rauf-Bewegung“ der Hüfte auf der Seite der Greifhand initiiert. Beispiel: Schwerpunkt deutlich über den rechten Tritt schieben, dann das Bein strecken und am Ende dieser Bewegung mit der rechten Hand weitergreifen. Wichtig: Der ganze Ablauf erfolgt in einer einzigen runden und flüssigen Bewegung von den Füßen über die Hüfte zur Hand. Der Hub kommt zu großem Teil aus den Beinen. Die Arme begleiten und unterstützen die Bewegung, bleiben dabei so lang wie möglich gestreckt. Die Greifhand wird erst gelöst, wenn sie an den nächsten Griff zieht. Dieser wird zielgerichtet und präzise aufs erste Mal gegriffen: Die Hand passt sich der Form des Griffes perfekt an und belastet diesen ideal. Typische, sehr kraftraubende Fehler in dieser Phase der Kletterbewegung sind: keine oder zu geringe Verschiebung der Hüfte, frühzeitiges Anbeugen der Arme, scheibenwischerartiges Suchen nach dem Zielgriff. Die beschriebene „Drüber und Rauf-Bewegung“ ist das Kernstück des Technikleitbilds für senkrechte Wandkletterei und sollte entsprechend verinnerlicht werden: zum Beispiel beim Aufwärmen breitbeinig am Boden stehen und abwechselnd Hüfte über linkes und rechtes Bein schieben und leicht aufrichten. Gleiche Übung an der Wand stehend und vom Boden weg über einen Tritt schieben. Geneigte Routen ohne Hände (oder nur mit Daumen) klettern. Die Schwerpunktverschiebung über das Drüber und Rauf funktioniert ideal bei maximal senkrechter Wandkletterei. Wird das Gelände steiler und die Routen schwerer, wird das Drüber und Rauf durch einen Hüftimpuls zur Wand hin ersetzt, oder die Bewegung wird als eingedrehte Variante durchgeführt – die Grundidee, die Greifbewegung durch Impuls aus der Hüfte durchzuführen, bleibt aber die gleiche.

Stabilisierungsphase

Ziel der Stabilisierungsphase (6) ist es, nach dem Greifen den Körper so zu positionieren, dass man eine stabile Position erreicht und dadurch die Spannung im Greifarm minimiert. Der Arm gibt nach, wird lang. In der Regel ist hier ein Verschieben des Köpers unter den „neuen“ Griff nötig, so dass die Gesamtposition stabil wird. Diese Phase des Entspannens und Nachlassens ist entscheidend für den Erfolg: Wer es beim Klettern nicht schafft, immer wieder Spannung und Kraftanstrengung zu reduzieren, wird sein Kraftpotenzial nie ausschöpfen. Eine gute Übung hierfür ist, nach jedem Weitergreifen die untere Haltehand zu lösen und auszuschütteln. Wichtig: Die Stabilisierung soll nicht über Blockierkraft, sondern über Positionieren passieren!

Tipps

  • Viele Sektionen bieten spezielle Kurse zur Klettertechnik an, in denen die Theorie vermittelt wird.

  • Es ist hilfreich, Videoaufnahmen von sich beim Klettern zu analysieren.

Allgemeines: Fokus: Blick und Aufmerksamkeit auf das richten, was man tut. Augen begleiten die Füße beim Treten, die Hände beim Greifen. Technikerwerb erfolgt unter idealen und stressfreien Bedingungen: Im Toprope oder Boulderbereich, im nicht ermüdeten Zustand, an geeigneten Routen üben. Fokus nur auf ein Element setzen, um sich nicht zu überfordern. Das Erlernen und spätere Automatisieren von Elementen der Klettertechnik gelingt einzig durch häufiges Wiederholen und Anwenden in zunehmend anspruchsvolleren Situationen. Ideal ist es, Videofeedback in sein Techniktraining einzubeziehen.

Variieren/Anpassen – Klettern ist nicht Reckturnen. Jede Stelle ist anders, die Neigung variiert, das Medium von Plastik bis zu den unterschiedlichen Gesteinsarten unterscheidet sich, die individuellen Merkmale, ob körperlich, mental oder konditionell sind unterschiedlich. Das erfordert ein ständiges Anpassen der einzelnen Elemente des Technikleitbildes. Klettertechnik bleibt ein lebenslanger Lernprozess.

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