Von: Marina Wolf
Felswände und Veilchen, Glocken und Seen
Es ist der 26. August 2019.
Ich steige auf einen größeren Felsblock. Hier auf über 2.600 Metern über dem Meer. Einzelne Steine knirschen unter meinem Profil. Meine Hände ertasten die raue, blanke Felswand neben mir. Lila Veilchen blühen in einer Nische am Fels. Mehrere Höhenmeter unter mir höre ich sie: Kühe. Die Glocken um ihre Hälse bimmeln bei jeder Bewegung. Ich blicke weiter hinab ins Tal, gen Norden, zum Genfer See.
Kalter Wind bläst um mich herum. Mein Blick schweift der untergehenden Sonne entgegen. Sie steht schon tief. Wohltuend warm scheint sie in mein Gesicht. Der Himmel ist orange gefärbt. Meine Augen bleiben an dem Bild vor mir hängen. Westen. Berge. Diese Richtung bestimmt nun schon seit Wochen meinen Weg. Was mir der Ausblick verrät? Viel weiter westlich geht es nicht mehr. Der Alpenhauptkamm ist fast zu Ende.
Es ist ein Wechselbad der Gefühle.
Betrübtheit und Wehmut.
Denn: Ab jetzt geht es nur noch wenige Wochen gen Süden. Nicht mehr lange, und die Wanderzeit hat ein Ende.
Dankbarkeit und Stolz.
Denn: Jeden einzelnen Meter bisher habe ich mit meiner eigenen Willensstärke und meinen eigenen Füßen gemeistert.
Eines ist ganz sicher: Noch nie habe ich Lebenszeit bereichernder genutzt als jetzt.
Die Via Alpina
Ein paar Wochen vorher, im Mai, laufen bereits die Vorbereitungen auf meine Tour. Im Sommer 2019 bestreite ich meine Wanderung auf der Via Alpina – entlang der Route, die sich im wahrsten Sinne des Wortes wie ein roter Faden über den Alpenhauptkamm zieht. Die Fakten: Die Via Alpina ist ein grenzüberschreitender Wanderweg durch die acht Alpenstaaten Slowenien, Italien, Österreich, Deutschland, Liechtenstein, die Schweiz, Frankreich und das Fürstentum Monaco. Auf fünf Routen mit insgesamt 342 Tagesetappen lässt sich das alpine Natur- und Kulturerbe entdecken. 1999 wurde die Via Alpina initiiert. Wichtiges Ziel ist die Förderung einer nachhaltigen Entwicklung im Alpenraum durch einen sanften Tourismus. Seit 2005 ist sie offizielles Umsetzungsprojekt der Alpenkonvention, jenes Abkommens, das 1991 zwischen allen Alpenstaaten geschlossen wurde, um den Natur- und Lebensraum der Alpen zu schützen. Dafür wurden keine neuen Wege angelegt, sondern das bestehende Wegenetz miteinander verbunden.
Vorbei an den spektakulärsten Gipfeln und Bergkulissen
Ich habe mich dafür entschieden, dem roten Weg mit seinen 161 Etappen zu folgen. Er führt von Muggia – oder in meinem Fall von Triest – nach Monaco. Von der Adria bis an die Côte d‘Azur durchstreife ich unterschiedlichste Gebirgslandschaften und Kulturräume, überquere mehrmals den Alpenhauptkamm und wandere durch eine Vielzahl von Nationalparks und Schutzgebieten. Die spektakulärsten Gipfel und Bergkulissen liegen direkt auf meinem Weg: Triglav, Drei Zinnen, Hochfeiler, Zugspitze, Silvretta, Bernina, Aletschgletscher, Mont Blanc und einige mehr. Der Weg wird mich aber auch durch abgelegene Täler und Dörfer der Julischen und Karnischen Alpen, des Tessins und der Westalpen führen.
2500 Kilometer zu Fuß
Meine Erlebnisse auf der Via Alpina habe ich in einem Buch verpackt. Es stellt keinen Reiseführer, sondern einen persönlichen Reisebericht dar, kombiniert mit Informationen zu den einzelnen Etappen, Unterkünften und praktischen Hinweisen.
Die Strecke von über 2500 Kilometer legte ich ausnahmslos zu Fuß zurück und folgte dabei dem auf via-alpina.org beschriebenen Weg mit Hilfe der von outdooractive.com zur Verfügung gestellten Navigationsdaten, die ich als Download auf meine Wander-Navigations-App alpenvereinaktiv.com geladen hatte. Die auf der Via-Alpina-Webseite dargestellten Tagesetappen weichen von meinen ab, da ich des Öfteren mehrere Etappen zusammengelegt beziehungsweise die Wegführung leicht abgewandelt habe. Auch die angegebenen Tageskilometer und -höhenmeter können daher abweichen. Die Navigationsdaten der gesamten Strecke als Download findet ihr auf Outdooractive. Die Navigationsdaten meiner Tagesetappen habe ich auf komoot nachgebaut und auf den jeweiligen Seiten im Buch verlinkt.
Lasst euch inspirieren!
Ich hoffe, bergbegeisterte Abenteuersucher, Ruhe-, Natur- und Freiheitsliebende, mit meiner Geschichte inspirieren zu können und lade euch ein, mit mir zu träumen und vielleicht sogar euer eigenes Abenteuer mit Hilfe dieser Lektüre zu planen. Meinen kompletten Reisebericht mit Etappendetails und GPX-Tracks findet ihr unter https://marinawolf2.wixsite.com/weitwandernviaalpina.
Über die Autorin
Marina Wolf hat auf ihrem Weg über die Alpen viel gelernt. Wie wertvoll das Leben ist und dankbar dafür zu sein. Wie wundervoll unsere Alpen und deren Bewohner sind. Und vor allem, wie wenig man braucht, um glücklich zu sein.