Faszination Klettern
Was fasziniert so viele Menschen am Klettern, dass sie sich scheinbar furchtlos in luftige Höhen begeben? Für einige ist es die sportliche Herausforderung, das Abenteuer, der Nervenkitzel. Für andere der Reiz der Bewegung, die Balance von Eleganz und Kraft, die sie "Schwierigkeiten mit Leichtigkeit überwinden" lässt. Vielleicht auch die Vielfalt des Sports, die vom Bouldern und Sportklettern in der Halle oder draußen am Fels bis zum Alpinklettern reicht. Abweisend und unbezwingbar erscheinende Felsen und Wände hinaufzukommen, den anfangs hoffnungslosen Zug irgendwann doch zu schaffen, die Natur mit ihrer Schönheit und ihren Widrigkeiten zu erfahren. Zusätzlich fördert das Klettern Haltung und Muskelleistung, die nötige Konzentration und Koordination hält geistig fit. Mehr als genügend Gründe also, in diesen Sport einzusteigen. Damit dabei Felsen, Pflanzen und Tiere nicht leiden, helfen ein paar einfach Regeln. Das Klettern als Wettkampfsport und olympische Disziplin kann auch Nichtkletternde begeistern.
Aber ganz egal, ob Kletterneuling, Boulder*in oder Wettkampf-Fan, ein paar Begriffe solltet ihr kennen.
Arten des Kletterns
Alpinklettern findet in alpinem Gelände statt. Dabei geht es weniger darum, einen bestimmten Gipfel zu erreichen, sondern man sucht die "Linie" eines Grates, Pfeilers oder durch eine große Wand; die sind normalerweise so lang und hoch, dass man sie in mehrere Abschnitte (Seillängen) unterteilt und von "Stand" zu "Stand" durchsteigt.
Bigwallklettern: Durchsteigen kompakter, großer Wände meist in einer Mischung aus freier und künstlicher Kletterei, für die man normalerweise mehr als einen Tag braucht. Biwakiert wird in der Wand bevorzugt auf Portaledges (tragbaren Plattformen), das umfangreiche Material und die Biwakausrüstung samt Verpflegung werden im Haulbag nachgezogen.
Bouldern: Seilfreies Klettern in Absprunghöhe, ein "Crashpad" dämpft den Aufprall beim Abspringen oder Abfallen. Ziel ist Spaß und Perfektion der Bewegung oder die maximal erreichbare Schwierigkeit.
Buildering: Klettern und Bouldern an Gebäuden. Teils als medienwirksamer Stunt inszeniert – aber an städtischen Mauern oder Brückenpfeilern trainierten Vertikalfreunde vor Erfindung der Kletterhallen schon vor vielen Jahrzehnten.
Eisklettern findet, wie der Name verrät, auf Eis (Eiswände, gefrorene Wasserfälle) statt. Neben viel Kraft fordert diese Disziplin vor allem viel Erfahrung zur Einschätzung der Stabilität der Eisformationen und der komplexen Gefahren.
Free Solo: Freiklettern ohne Seil und ohne jede Sicherung. Extrem schwierige Free Solos werden normalerweise vorher gut eingeübt.
Freiklettern, auch free climbing: Technische Hilfsmittel und Seil werden lediglich zur Sicherung, nicht jedoch zur Fortbewegung genutzt.
Hallenklettern: der Einstieg in die Welt der Vertikalen. In der Halle wird an Griffen und Strukturen aus Kunststoff geklettert oder gebouldert.
Mixed, Mixedklettern: Klettern in Gelände, wo sich Eis- und Felspassagen abwechseln, in der Regel mit Eisgeräten (Eispickel zur Extremanwendung) und Steigeisen.
Solo, Soloklettern oder rope solo: Klettern ohne Sicherungspartner*in, aber gesichert; dafür gibt es spezielle Geräte und eher komplizierte Systeme.
Beim Sportklettern wird meist nur eine Seillänge geklettert. Es geht darum, bei der Schwierigkeitsjagd an die eigenen Grenzen zu gehen. Daher: gute Absicherung erlaubt.
Technisches Klettern: Form des Kletterns, bei der technische Hilfsmittel wie Haken nicht nur zur Sicherung, sondern auch zur Fortbewegung verwendet werden (Synonyme: Künstliches Klettern, artif Klettern, Aid). Das beginnt schon damit, wenn man an einer schweren Stelle sich am Haken oder der Exe hochzieht (A0), für schwierige Aidclimbs (A1 bis A5) hängt man Trittleitern in die Haken oder andere Fortbewegungsmittel, die teils nur knapp das Körpergewicht tragen.
Tradklettern: "Traditionell", also nur mit "mobilen" Sicherungsmitteln wie Klemmkeilen und Friends gesichert, eventuell noch hier und da mit Normalhaken, aber unter explizitem Verzicht auf Bohrhaken. Da sich diese Sicherungen nicht beliebig überall im Fels anbringen lassen und auch nicht immer perfekt halten, ist das Risiko größer.
Wandchinesisch – leicht gemacht
Abseilachter: Gerät zum Abseilen in Form einer Acht. Wurde früher auch zum Sichern anderer Kletternder benutzt, heute nur noch von Profis, die die Bedienung perfekt im Griff haben.
Abseilen: Vor allem beim Alpinklettern die übliche Methode, von einem Stand nach unten zu kommen. Man fädelt das Seil durch den Sicherungspunkt und lässt es durch ein Abseilgerät (Tube, Achter) laufen; durch Festhalten des Bremsseils kann man die Abwärtsgeschwindigkeit regulieren. Ist man unten oder am nächsten Stand angekommen, zieht man das Seil an einem Ende ab – und kann weiter abseilen.
Ablassen: Die beim Sportklettern gebräuchliche Alternative zum Abseilen: Ist der Umlenker erreicht (oder die Kraft am Ende...), setzt man sich ins Seil und der*die Sicherungspartner*in lässt das Seil kontrolliert durchlaufen, bis man wieder unten ist.
Anseilen/Einbinden: Herstellen einer kraftschlüssigen Verbindung zwischen kletternder Person und Seil. Dazu trägt man einen Klettergurt, in den man das Seil mit einem geeigneten Knoten (zum Beispiel gesteckter Achter oder doppelter Bulin) einknüpft.
Der Begehungsstil bestimmt neben der Schwierigkeit den sportlichen Wert einer Leistung.
Bohrhaken/Bolt: Fixpunkt zum Einhängen eines Karabiners, der in einem gebohrten Loch verdübelt oder eingeklebt ist.
Bremshandprinzip: Das wichtigste Prinzip beim Sichern eines*einer Kletterpartner*in: Eine Hand hat immer Kontrolle über das Bremsseil, ist also jederzeit bereit und fähig, kräftig zuzupacken, um einen Sturz zu halten. Konzentration und Aufmerksamkeit helfen außerdem dabei.
Chalk (englisch für Kreide): Kletterjargon für Magnesia (siehe unten).
Drei-Punkt-Regel: Klassisches Konzept der Steigtechnik im Klettersport, das in der Forderung besteht, zu jedem Zeitpunkt mit drei Gliedmaßen Kontakt zum Fels zu halten. Beim modernen Klettern, vor allem beim Bouldern, eher nur ein Vorschlag (siehe Dynamo); beim Alpinklettern, besonders in brüchigem Fels, immer noch aktuell.
Dynamo: dynamische Bewegung von einem Griff zum nächsten, meist weil der zu haltende Griff zu klein ist und/oder der zu erreichende Griff zu weit weg. Beim Bouldern wesentlicher Teil des Spiels, beim Felsklettern mit Vorsicht zu genießen, vor allem wenn der Fels brüchig ist.
Exe: Kurzform für Express-Schlinge. Ensemble aus zwei Karabinern und einer verbindenden Bandschlinge, das Zwischensicherungspunkt (z.B. Haken) und Seil verbindet.
Fixpunkt: Zuverlässiger Befestigungspunkt (Bohr-, Normalhaken oder mobile Sicherungsmittel) zur Sicherung beim Klettern oder Bergsteigen. Am Stand möchte man mindestens zwei davon, um Redundanz zu haben.
Freie Begehung: Freies Durchsteigen einer Seillänge in einem Zug im Vorstieg, also ohne Ruhen im Seil. Damit gilt eine Route anerkannterweise als geklettert, auch wenn – im Gegensatz zum "Rotpunkt" – die Exen schon hängen. Bei Projekten am persönlichen Limit kann diesem Durchstieg oft langes Ausbouldern vorausgehen.
Gurt: Grundausstattung beim Seilklettern zur Verbindung zwischen kletternder Person und Seil. Der Klettergurt besteht aus einem Hüftgurt und zwei Beinschlaufen samt verbindenden Elementen.
Ein Halbautomat ist ein Sicherungsgerät mit "Blockierunterstützung". Durch unterschiedliche Konstruktionen (je nach Modell) verklemmt sich das Seil bei Sturzzug im Gerät, so dass auch mit geringer Handkraft schwere Stürzende und weite "Flüge" zuverlässig gehalten werden können. Dennoch muss auch bei Halbautomaten das Bremshandprinzip beachtet werden.
Wer sich einen Highball gönnt, hat einen Boulder vor sich, bei dem man lieber nicht mehr abspringen oder stürzen mag - denn oft sind schwierige Stellen in nicht mehr gesundheitskompatiblen Höhen zu klettern; das können auch mal 6 oder 8 Meter sein. Nichts für jedermann und jederzeit.
Karabiner: Grob oval-förmiger Metallring, den man mit einem beweglichen "Schnapper" öffnen kann. Zur Verbindung von Sicherungspunkten, Schlingen und Seil oder zum Transport von Material.
Klemmkeil: Konischer Metallklotz, den man formschlüssig in Rissverengungen im Fels einlegt, wo er als Sicherungsmittel dient. In verschiedenen Formen und mit Draht- oder eingenähter Textilschlinge zum Einhängen des Karabiners erhältlich.
Klettergarten: Felswand mit mehreren Sportkletterrouten.
Kletterhalle: Halle mit sicherheits-geprüften Kletterwänden aus Kunstharz, auf die Griffe und geometrische "Volumen" geschraubt werden, um Klettermöglichkeiten zu schaffen.
Longline: Longlines sind besonders schöne und lange alpine Kletterrouten mit mehr als 20 Seillängen.
Magnesia, Magnesium: Basisches Magnesiumcarbonat in Pulverform zum Trocknen der Hände von Handschweiß beim Klettern, oft auch mit dem englischen Begriff Chalk bezeichnet. Beim Sportklettern im "Chalkbag" mitgeführt, den man am Klettergurt befestigt oder sich mit einer Schnur an die Hüfte bindet. Liquid Chalk ist in Alkohol gelöst und erlaubt ein besonders gründliches und länger wirksames "Einweißeln" der Hände. Sonst muss man immer mal wieder "nachchalken", aber Kraft kostet, da man sich derweil nur mit einer Hand festhalten kann.
Mehrseillängenroute: Route mit mehreren Seillängen. Die Seilschaft bewegt sich darin von Stand zu Stand nach oben; immer einer steigt vor und sichert den anderen nach, gerne auch abwechselnd (Wechselführung, überschlagend klettern).
Nachstieg: Der Nachstieg ist das Begehen einer Kletterroute mit Seilsicherung von oben, nachdem eine andere kletternde Person die Route bereits im Vorstieg durchstiegen hat, so dass das Sicherungsseil von oben kommt. Vor allem in Mehrseillängenrouten; im Klettergarten ist eher Topropen üblich.
Die DAV Kampagne Natürlich klettern zeigt die häufigsten Probleme an den Felsen auf und gibt nützliche Tipps, um diese zu vermeiden.
Normalhaken: Meist länglich-schmaler Metallstift mit Öse oder Ring am Ende, den man mit dem Kletterhammer in Felsrisse einschlagen kann, wo er als Fixpunkt dient. Der*die Nachsteigende schlägt ihn wieder raus (oder lässt ihn für andere drin).
Pinkpoint: war eine Zeitlang ein etwas spöttisch gemeintes Synonym für "freie Begehung", weil nicht ganz so stilrein wie Rotpunkt.
Projekt: Route, die man eigentlich nicht raufkommt. Aber wenn man’s lange genug austüftelt und probiert (auch ausbouldern genannt), klappt’s vielleicht doch irgendwann.
Quergang/Traverse: Kletterroutenabschnitt oder Boulder, bei dem man sich seitwärts bewegt statt rauf.
Rotpunkt: siehe Freie Begehung; bei der Rotpunktbegehung hängt man aber auch die Exen selbst in die Zwischensicherungen. Dieser früher übliche Stil ist heute beim schwierigkeitsorientierten Klettern durch Pinkpoint weitgehend abgelöst, weil man das Projekt eh vorher ausbouldert und das Aushängen der Exen Zeit und Kraft kosten würde.
Ruhen: Je nach Kraft und Felsstruktur kann man beim Klettern unterwegs anhalten, um Kraft zu regenerieren. Entweder stehend auf einem Band, ausgespreizt in Kaminen oder Verschneidungen, trickreich im Fels verklemmt oder an besonders guten Griffen. Sobald man sich zum Ruhen ins Sicherungsseil setzt, statt sich nur am Fels zu halten, gilt die Route als nicht "in einem Zug" und damit nicht stilrein durchstiegen.
Die Schlüsselstelle ist die schwierigste Stelle oder Passage in einer Route oder einem Boulder.
Seillänge: Kletterstrecke zwischen zwei Standplätzen oder zwischen dem Boden und dem Standplatz/Umlenker.
Seilschaft (Zweier-, Dreier): Das durch ein Seil verbundene Team bei Mehrseillängenrouten. Eine Zweierseilschaft klettert normalerweise "überschlagend", das heißt, die Kletternden wechseln sich im Vorstieg ab. In einer Dreierseilschaft steigt eine Person vor, die anderen beiden hinterher.
Sicherungsgerät: Gerät aus Metall, durch die das Sicherungsseil läuft. Durch die Art der Seilführung wird mehr oder weniger Reibung und/oder Klemmwirkung erzeugt, so dass quasi die Handkraft des Sichernden am Bremsseil vervielfacht wird und dadurch ausreicht, die großen Kräfte beim Sturz abzufangen. Früher waren "dynamische" Geräte üblich (z.B. Tube), heute geht der Trend zu "Halbautomaten" (blockierunterstützende Sicherungsgeräte).
Sicherungskette: Alles, was den Absturz verhindern soll: Seil, Karabiner, Haken und die Akteur*innen an den beiden Seilenden. So schwach wie ihr schwächstes Glied meistens von der Zurechnungsfähigkeit des*der Seilpartner*in limitiert.
Sloper: Abschüssiger und schwer zu haltender Griff.
Stand: Vor allem beim Mehrseillängenklettern der Punkt am Ende einer Seillänge, wo eine redundante Konstruktion aus mehreren Fixpunkten absolute Absturzsicherheit bieten soll. Bei Einseillängenrouten meist als "Umlenker" bezeichnet.
Topo: Skizze einer Kletterroute, eines Klettergartens oder einer Wand mit Mehrseillängenroute/n.
Toprope: Klettern mit Seilsicherung von oben, wenn das Seil im Stand "umgelenkt" ist. So hält sich die mögliche Sturzhöhe in Grenzen. Bei Mehrseillängenrouten spricht man vom "Nachstieg".
Der Tuber ist unter den dynamischen Sicherungsgeräten das meist verwendete. Er ist einfach zu handhaben, aber Bedienungsfehler wie Missachtung des Bremshandprinzips führen beim Sturz leicht zu Kontrollverlust und Absturz. Deshalb sind vor allem für leichte Sichernde, für Personen mit wenig Handkraft und für wenig Erfahrene Sicherungsgeräte mit Blockierunterstützung (Halbautomaten) zu empfehlen.
Vorstieg/Lead: Das Klettern mit Seilsicherung vom Boden aus; bei Mehrseillängenrouten gesichert vom Stand. Man hängt das Seil mit Express-Schlingen oder Karabinern in die Sicherungspunkte ein, kann also ungefähr doppelt so weit runterfallen, wie man über diese hinaussteigt. Eine Kletterroute gilt nur als sportlich vollwertig begangen, wenn man sie vorgestiegen hat.