Welche Argumente sprechen für die Verwendung eines Lawinenrucksacks?
Lawinenrucksäcke können helfen, das Risiko zu mindern, in einer Lawine ums Leben zu kommen:
In aufgeblasenem Zustand entwickeln die Airbags viel Auftrieb. Als Folge nimmt die Verschüttungstiefe meist deutlich ab. Idealerweise kann die verschüttete Person schnell gefunden werden – oder sich evtl. sogar selbst aus dem Schnee befreien.
Zu den häufigsten Todesursachen bei Lawinenabgängen zählen nicht nur das Ersticken aufgrund einer Ganzkörperverschüttung, sondern auch mechanische Einwirkungen auf den Körper. Hier können die entfalteten Airbags ebenfalls helfen: Systeme mit einem einzelnen Airbag schützen oftmals Kopf- und Nackenpartie. Systeme mit zwei Airbags stabilisieren dagegen eher den Rücken.
So ist ein Lawinenrucksack aufgebaut
Staufächer
Befestigungsvorrichtungen
Rückenteil
Beinschlaufe
Schulter-, Brust- und Hüftriemen
ein oder zwei große Luftsäcke
Auslöseeinheit
Griff
Wichtig: der richtige Gebrauch
Um einen Lawinenrucksack im Ernstfall nutzen zu können, müssen
alle Schlaufen und Gurte richtig abgelängt, angelegt und verschlossen sein, inkl. Beinschlaufe (4)
alle Klett- und Reißverschlüsse, die im Notfall die Airbags freigeben, regelmäßig auf ihre einwandfreie Funktion hin überprüft werden
Auslöseeinheiten und Airbags gemäß Gebrauchsanweisung gewartet sein
die notwendigen Handgriffe zum Auslösen immer wieder geübt werden.
Kartuschensysteme (1) sind schon lange auf dem Markt und gelten als grundsolide: Zieht man den Auslösegriff am Schulterriemen, so öffnet sich die unter Druck stehende Kartusche schlagartig. Die Öffnung erfolgt mittels Bolzen entweder pyrotechnisch aus der Zündung einer Sprengladung im Griff oder mechanisch über ein Kabelzugsystem. In Sekundenschnelle befüllt das zuvor komprimierte Gas – meist handelt es sich um Stickstoff – die Airbags des Lawinenrucksacks. Je nach Modell wird auch Umgebungsluft beigemengt (Venturi-Effekt).
Systeme mit elektronischem Hochleistungsgebläse (2) werden wie die Kartuschensysteme durch Ziehen des Auslösegriffs aktiviert. In der Folge füllen sich die Airbags binnen weniger Sekunden mit Umgebungsluft. Die ersten Modelle kamen 2016 auf den Markt. Sie waren akkubetrieben, daher eher schwer und zumindest bei extremen Temperaturen nicht vollkommen kälteresistent. Tipp: Die Akkus müssen über den Sommer für die Lagerung in den richtigen Modus geschaltet werden (Bedienungsanleitung!). Seit ca. 2019 dominieren zunehmend Systeme mit Superkondensatoren. Diese Superkondensatoren schaffen es bisher zwar noch nicht, langfristig so viel Energie zu speichern wie vergleichbar große Akkumulatoren. Allerdings sind sie nicht nur leichter und erheblich langlebiger, ihre Leistungsdichte ist zudem höher. So können sie Energie sehr schnell speichern und v.a. sehr schnell wieder abgeben. Das ist ein großer Vorteil, wenn es darum geht, das Hochleistungsgebläse in einem Lawinenrucksack zu versorgen.
Fazit: Aktuelle Lawinenrucksäcke mit Superkondensatoren und Gebläse sind teuer. Für ein 30-Liter-Exemplar mit Kartuschensystem und Kabelzug werden ca. 800 Euro fällig, für ein ähnlich großes Superkondensator-Modell desselben Herstellers ca. 1300 Euro.
Die Vorteile der neuen elektronischen Geräte:
Komplette Testauslösungen sind unproblematisch. So kann authentisch für den Notfall trainiert werden.
Eine zweite Auslösung am selben Tag ist möglich, ohne eine Kartusche wechseln zu müssen.
Die Auslösung erfolgt auch bei äußerst niedrigen Temperaturen zuverlässig.
Der Verzicht auf Gaskartuschen erleichtert die Instandhaltung: Kein Nachwiegen der Kartusche, kein Austausch!
Die Gewichtsunterschiede zwischen den leichten Kartuschensystemen und den leichten Systemen mit Superkondensatoren sind marginal (50 bis 60 Gramm).
Welche Ausstattungsmerkmale zeichnen einen guten Lawinenrucksack aus?
Ein guter Lawinenrucksack hat nicht nur ein zuverlässiges Auslösesystem, er bietet zudem folgendes:
eine variable Positionierung des Auslösegriffs entsprechend Körpergröße und Händigkeit,
einen hohen Tragekomfort (bequemes Rückenteil + ausreichend breite Schulterträger),
einen festen Sitz, auch bei der Verwendung von glatten Textilien (wie z.B. Primaloft-Jacken),
eine leicht montierbare Beinschlaufe, die den Verlust des Rucksacks in der Lawine verhindert,
eine mühelose Bedienbarkeit der Schnallen und Reißverschlüsse mit Handschuhen,
eine leichte Zugänglichkeit zum Hauptfach und zum Fach für die Notfallausrüstung,
Befestigungsmöglichkeiten für Helm, Ski, Pickel,
verschieden große Rucksackblasen für die Rucksackbasis mit der Auslöseeinheit, bzw. eine variable Montage der Auslöseeinheit in verschieden großen Rucksäcken.
Welche Argumente sprechen gegen die Verwendung eines Lawinenrucksacks?
Manche Anwender*innen greifen auf Lawinenrucksäcke zurück, um Unsicherheiten oder Unwissen beim Risikomanagement zu kompensieren. Das ist keine gute Idee, Ausrüstung darf nie Ausbildung ersetzen.
Eine ordentliche Tourenplanung zu Hause, der ständige Abgleich der Planung mit den Verhältnissen vor Ort sowie eine strukturierte Beurteilung des Einzelhangs, ggf. mit analytischen Verfahren, bleiben unverzichtbar. Ebenso unverzichtbar: die Standardsicherheitsausrüstung, bestehend aus Schaufel, Sonde und LVS-Gerät sowie Routine im Umgang damit.
Einige selbstkritische Schneesportler*innen beobachten, dass sie mit einem Lawinen-Airbag-System auf dem Rücken zu offensiven Entscheidungen am Einzelhang neigen. Hier ist reflektiertes Verhalten und im Zweifelsfall Zurückhaltung gefragt.