Orientierung ohne Handyempfang
Jede*r kennt den Ärger mit den Funklöchern, nicht nur auf abgelegenen Gipfeln oder Hütten, auch im bayerischen Oberland. Da will man abends nach der Tour die schönsten Bergbilder teilen oder kurz zu Hause anrufen und nichts geht. Einerseits kann „digital detox“ durchaus erholsam wirken, aber im Ernstfall – bei Verletzung, Blockierung oder Verirren – bedeutet ein fehlendes Mobilfunknetz ein echtes Problem. Ist man allein unterwegs, kann man nur auf Hilfe hoffen, die zufällig des Weges kommt. Zu zweit muss man die verunfallte Person zurücklassen und irgendwohin (auf)steigen, um nach Empfang zu suchen. Bei Touren in den Alpen wie bei längeren Unternehmungen in den Bergen der Welt können satellitengestützte Kommunikationsgeräte im Ernstfall Leben retten und generell ein gewisses Sicherheitsgefühl vermitteln. Doch wer durchschaut schon die verschiedenen Systeme? Dieser Artikel bietet eine Orientierung, das passende Gerät für verschiedene Einsatzbereiche zu finden.
Netze und Erreichbarkeit
Egal, mit welcher Art von Gerät man auf Satelliten zugreifen will, man muss sich für einen von drei Anbietern entscheiden, die jeweils eigene Satellitennetze betreiben, die für Bergsteigende praxistauglich sind: Iridium, Inmarsat und Thuraya. Diese Entscheidung betrifft Netz und Gerät – Roaming wie beim Handy gibt es normalerweise nicht. Um den Service nutzen zu können, braucht es „Sichtkontakt“ zum Satelliten, also eine freie Verbindungslinie; Wolken stören nicht. Aber die Stellung der Satelliten über der Erde kann die Erreichbarkeit einschränken. Das Iridium-Satellitennetz ist als einziges weltweit einsetzbar, da es eine ganze Flotte niedrig kreisender Satelliten nutzt, deren Bahnen über die Pole führen und die Erde umspannen wie Orangenschnitze. Allerdings können beispielsweise steile Berge die Sicht in Richtung Satellit verdecken, so dass einige Minuten Wartezeit entstehen, bis der nächste Satellit ins Sichtfeld kommt. Thuraya und Inmarsat dagegen nutzen „geostationäre“ Satelliten, die hoch über dem Äquator stehen und immer den gleichen Teil der Erdoberfläche „überblicken“. Inmarsat bietet eine weltweite Netzabdeckung ohne polarnahe Regionen, das Thuraya-Satellitennetz erfasst die größten Teile von Europa, Asien und Afrika. Auch bei diesen beiden Netzen kann die Erreichbarkeit scheitern: wenn der Blick in Richtung Äquator durch Hindernisse verstellt ist, etwa wenn man in einem eingeschnittenen Canyon oder einer steilen Bergwand unterwegs ist. Dann hilft Warten allerdings nichts, sondern man muss die Position verändern, um freie Sicht zum Satelliten (also in Richtung Äquator) zu bekommen.
Satellitentelefonie
Über Satellit zu telefonieren, ist die einfachste Möglichkeit, weltweit auch in abgelegenen Gebieten zu kommunizieren – und das zu wesentlich günstigerem Preis als beim Roaming mit der heimischen SIM-Karte außerhalb Europas (regulär 2,99 €/Min. in Ländergruppe 3): Telefonate mit Iridum kosten etwa 1,20 € pro Minute, bei Inmarsat 1,30 € und mit Thuraya etwa 1,35 € (jeweils für Postpaid-Verträge, siehe unten und Vergleichstabelle). Daheimgebliebene Angehörige oder Freunde können kostenlose SMS an alle Netze aus dem Internet versenden und so einen Gesprächstermin vereinbaren, da das Satellitentelefon unterwegs nicht ständig eingeschaltet oder eingeloggt ist. Thuraya/Inmarsat/Iridium-Nutzerinnen können im Gegenzug SMS-Mitteilungen an beliebige E-Mail-Adressen senden. Eine praktische Zusatzfunktion bei einigen Geräten ist der eingebaute GPS-Empfänger, der einen Notruf per programmierbarem SOS-Knopf ermöglicht. Zudem bietet die ZAMG Innsbruck an, persönlich zugeschnittene Bergwetterinformationen per Textnachricht an das Satellitentelefon zu senden.
Satellitentelefone sind immer noch größer und klobiger als Smartphones – die leichtesten wiegen rund 200 Gramm. Da das Telefon eine Verbindung zum weit entfernten Satelliten aufbaut, wird der Akku stärker beansprucht als der eines Handys. Deshalb ist es wichtig, den Akku vor jeder Tour vollständig zu laden und bei längeren Unternehmungen ohne Stromnetz einen Ersatzakku mitzunehmen. Dafür bieten Satellitentelefone im Notfall den Vorteil des direkten Gesprächs: Rückfragen der Rettungsstelle sind möglich, etwa nach genauer Position, Zustand des Verletzten, Wetter und Gelände vor Ort. Dies kann die Rettung wesentlich vereinfachen und ermöglicht auch, organisatorische Dinge leichter zu regeln als per Textnachricht. Ein großer Nachteil der Satellitentelefone ist ihr hoher Preis.
Das outdoortaugliche Thuraya XT-Pro kostet beispielsweise 829 €, das Inmarsat IsatPhone 2 momentan 719 €. Deshalb lohnt sich der Kauf hauptsächlich für Expeditionsreisende oder Bergführer, die regelmäßig länger in abgelegenen Regionen unterwegs sind. Je nach jährlicher Einsatzdauer muss man sich für eine Prepaid- oder Postpaid-Option entscheiden. Bei Prepaid-Optionen erwirbt man eine SIM-Karte mit einer bestimmten Zahl an Gesprächseinheiten, die dann zum Beispiel 30 Tage gültig sind und danach bei Nichtverbrauch verfallen. Bei Postpaid-Verträgen bleibt das Telefon einsatzbereit, es fallen jedoch monatliche Gebühren an (siehe Vergleichstabelle). Wer nur gelegentlich eine längere Auslandsbergreise unternimmt, kann ein Sat-Telefon für die Reisezeit günstig mieten (zum Beispiel ab 4,50 € pro Tag für ein Thuraya XT-Pro bei satfon.de). Nach der Rückkehr zahlt man nur die Mietgebühr und die unterwegs verbrauchten Gesprächseinheiten.
Hier gibt es eine Übersicht der verschiedenen Geräte (Stand 2019).
Satellitentracking und -SOS
Für den Einsatz in den Alpen lohnt sich die Anschaffung eines Satellitentelefons eher nicht, außer man plant eine wochenlange Durchquerung und möchte von überall telefonieren können. Wer nur eine schnelle Notfallmeldung mit seiner Position absetzen möchte, dem bieten die Garmin InReach-Geräte eine günstige Alternative. Garmin InReach Explorer+, Garmin InReach Mini und Garmin InReach SE+ arbeiten mit dem globalen Satellitennetz Iridium. Mit ihnen kann man Textnachrichten an E-Mail-Adressen versenden und SMS empfangen und senden. Zudem ermöglichen sie grundlegende GPS-Navigationsfunktionen und den Versand von SOS-Meldungen an den globalen Rettungsdienst GEOS Alliance. Die Geräte werden für den vollen Funktionsumfang online aktiviert (garmin.com). Es gibt auch Kurzzeit-Tarife für begrenzte Reisezeiträume.
Neben dem Nachrichtenempfang und -versand kann man das Tracking nutzen, bei dem in bestimmten Intervallen (alle 10 Minuten bis 4 Stunden) die GPS-Position übertragen wird. Die Angehörigen können so auf einer Online-Karte mitverfolgen, wo man sich genau befindet oder hinbewegt. Auch die momentane GPS-Position lässt sich per Textnachricht versenden.
Mit vorheriger Online-Konfiguration im Garmin InReach-Portal oder mit der zugehörigen Earthmate-App auf dem Smartphone ist es möglich, Karten (durch Garmin vorgegebene OpenStreetMaps) des Zielgebiets für das Tracking oder die Routen-Navigation auf das Gerät zu laden und Nachrichten vom Gipfelerfolg direkt auf Facebook und Twitter zu posten. Vorteile der InReach-Geräte sind die geringeren Kosten, der weltweite Einsatzbereich, die Tracking- und SOS-Funktion, das kleine Volumen und Gewicht (Garmin InReach Mini: 100 g) und die Robustheit (staub- und wasserdicht, schlagfest). Ein Nachteil: Es gibt sie nur im Abonnement mit monatlichen Kosten. Und im Notfall ist die Kommunikation auf kurze Textnachrichten beschränkt, die man auf der virtuellen Tastatur der InReach-Geräte ziemlich mühsam Buchstabe für Buchstabe eintippen muss, was einiges an Zeit kosten kann.
Seit April 2019 ist das Tracking- und SOS-Gerät ProteGear A*Live (protegear.de) auf dem Markt, das Iridium- und GSM-Netz kombiniert und weltweite Netzabdeckung für den Notfall verspricht. Bei Mobilfunk- Empfang läuft das Tracking über das GSM-Netz – steht für mehr als 10 Minuten kein GSM-Empfang zur Verfügung, wählt sich das Gerät ins Satellitennetz ein (mit zusätzlicher Tagesgebühr).
Das ProteGear A*Live wird per Bluetooth und dazugehöriger App mit dem Smartphone gekoppelt, so dass der Versand und Empfang von E-Mails und SMS am Handy möglich ist. Das Gerät hat einen manuellen SOS-Button und versendet bei entsprechender Programmierung automatisch einen Notruf, wenn man eine definierte „Safe Zone“ verlässt, sich nach einem Sturz fünf Minuten lang nicht mehr bewegt oder der ABS-Rucksack auslöst. Bisher gibt es kaum Erfahrungswerte zu diesem neuen Gerät.
Smartphone-Erweiterungen
Seit einigen Jahren ist es möglich, das eigene Smartphone (Android- oder Apple iOS- Betriebssystem) mit dem Iridium Go! oder dem Thuraya SatSleeve Hotspot zu einem Telefon mit Satellitennetzverbindung zu erweitern.
Das Iridium Go! ist ein kleines, staub- und spritzwassergeschütztes Kästchen (12 x 8 x 3 cm, mit kurzer Antenne und Display), das sich per WLAN und App mit dem Smartphone verbindet. Über die App kann man Textnachrichten an E-Mail-Adressen senden und kostenlose SMS (bei Versand über die Iridium-Webseite) empfangen. Außerdem sind mit dem gekoppelten Handy auch Telefonate über das Satellitennetz möglich, dabei kann man auf die eigenen Kontakte am Smartphone zugreifen. Über den SOS-Button am Gerät können Notfallmeldungen mitsamt der GPS-Position an bestimmte Kontakte oder den GEOS-Notfall-Service versendet werden.
Auch für das Thuraya SatSleeve installiert man zunächst die zugehörige App auf dem Smartphone, dann koppelt man per Bluetooth die beiden Geräte. Nach erfolgreicher Einwahl ins Thuraya-Netz kann man am Smartphone telefonieren und Textnachrichten versenden und empfangen. Außerdem gibt es eine SOS-Taste zum Anrufen einer voreingestellten Nummer ohne das Smartphone (über Mikrofon und Lautsprecher am Gerät).
Nachteile der beiden Erweiterungen sind die Abhängigkeit vom Smartphone, dessen Akku (besonders bei Kälte) sich schneller entlädt und das meistens keinen so guten Witterungsschutz und kein so robustes Display bietet wie ein eigenständiges Satellitentelefon. Ist das Display kaputt oder der Akku des gekoppelten Smartphones leer, kann man mit dem Iridium Go! nicht telefonieren oder Nachrichten senden, mit dem Thuraya SatSleeve nur über die SOS-Taste zu einem Notrufkontakt.
Hier gibt es eine Übersicht der verschiedenen Geräte (Stand 2019).
Notrufnummern
Vom Satellitentelefon aus kann man alle regulären Rufnummern (immer mit Vorwahl) in terrestrischen Netzen anrufen – nicht aber nationale Notruf- und Service-Kurzwahlen aller Länder, wie etwa 112 in Deutschland oder 140 in Österreich! Zudem kann bei Anrufen vom Satellitentelefon an diese Notrufnummern die Position des Anrufers nicht festgestellt werden, im Gegensatz zu Fest- und Mobilfunknetz. Der Anruf lässt sich daher nicht an die lokale Leitstelle durchstellen.
Deshalb sollte man vor dem Aufbruch die lokalen Rufnummern samt Länder- und Ortsvorwahl der relevanten Stellen (Polizei, Krankenhaus, Rettungsdienst …) im Internet, Reiseführer oder aus sonstigen Quellen recherchieren. Die einfachste Lösung bei Inmarsat- und Iridium-Geräten mit GPS-Empfänger ist der kostenpflichtige (und -intensive) weltweite Rettungsdienst GEOS, der mit dem Notruf direkt per SMS die Koordinate erhält (geostravelsafety.com). GEOS bietet zudem bei vorheriger Anmeldung weitere kostenpflichtige Services wie Reiseassistenz oder Rückholung an.
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