Zwei Menschen fahren Rad auf Weg zwischen herbstlich gefärbten Bäumen
Herbstliche Stimmung auf dem Räuber-Kneißl-Radweg. Foto: Thorsten Brönner
Räuber-Kneißl-Radweg

Mit dem Rad auf Gangsterjagd

Fahrradtour und spannende Geschichtslektion: Auf vier abwechslungsreichen Rundkursen kann man in das turbulente Leben des Ganoven Mathias Kneißl eintauchen. Die insgesamt 110 Kilometer lange Tour nahe München hat besonders für Familien viel zu bieten.

Wer auf dem Räuber Kneißl Radweg unterwegs ist, kann sich auf viele Hochgefühle freuen. Schnauft man aus der Münchner Schotterebene nach Nordwesten hinauf ins Donau-Isar-Hügelland, zwingt einen die Aussicht gleich zum Anhalten. Der Blick schweift über die Türme der großen Stadt, fliegt gen Süden und bleibt am Zackenband der Alpen hängen. Zeit lassen, hier und da mal anhalten, das klappt wunderbar auf den vier Radrunden. Schließlich ist man nicht auf der Flucht, niemand heftet einem an den Fersen. Als Mathias Kneißl vor 120 Jahren durch die heutigen Landkreise Dachau und Fürstenfeldbruck zog, ging es ihm anders. In eine kriminelle Familie hineingeboren – eine „Zuchthauspflanze“, wie sein Lehrer sagte – trieb er damals sein Unwesen in der Gegend. Kneißls Leben lieferte Stoff für Bücher, Theaterstücke und Filme.

Ein bayerisches Gangsterr(o)admovie

Auch ohne besondere Vorbereitung ist die Tour ein Genuss. Bevor man in den Sattel klettert, sollte man sich allerdings die GPS-Daten und den Audioguide zum Radweg aufs Handy laden – und auf geht’s ins bayerische Gangsterr(o)admovie! Am S-Bahnhof von Karlsfeld fällt gleich ein Routenschild auf. Es zeigt in jägergrüner Farbe eine Pickelhaube, ein Gewehr und einen Seppelhut – die Symbole der Radeljagd. Keine Angst, die erste Runde ist leicht. Man bummelt durch das flache Dachauer Moos, zieht an Wassergräben entlang, taucht ein in Waldstücke. Es geht an Feldern vorbei, dann wieder lassen einen die Autobahnen A8 und A99 Münchens Nähe spüren. Welche Höhepunkte liegen an der Runde? Der Langwieder See, der Waldschwaig- und der Karlsfelder See. Also: Im Sommer unbedingt Badesachen einpacken! Die zweite Runde bereitet der ganzen Familie Freude. An den Flüssen Amper und Maisach rollt es sich leicht dahin. Wer an einem bewölkten Werktag durch die oberbayerische Provinz zieht, braucht nur ein bisschen Fantasie, um sich Kneißl mit dem Fahrrad auf einem seiner Streifzüge vorzustellen. Bewaffnet überfiel er um das Jahr 1900 in der Gegend Einödhöfe. Vielleicht hat er dort im Wirtshaus eine Halbe getrunken oder in dem Hof da drüben Unterschlupf gefunden? Einmal soll er sich in einem Jauchefass vor den Gendarmen versteckt haben. In den ruhigen Dörfern fühlt man sich in jene Tage versetzt. Alles noch wie früher: die Kirchen mit ihren Zwiebeltürmen, auch der Glockenschlag. Nördlich von Bergkirchen steigt das Donau-Isar-Hügelland in einer Geländestufe empor. Als Belohnung für den Anstieg winkt einer von insgesamt neun Kneißl-Rastplätzen. Hier ist der beste Ort für eine Brotzeit: Im Süden leuchtet Münchens Silhouette, dahinter die Bayerischen Voralpen.

Bayerische Voralpen in Sicht: Auf dem Räuber Kneißl Radweg laden die Fernblicke oft zum Verweilen ein. Foto: Thorsten Brönner

Von der Vergangenheit ins Hier und Jetzt

Auf Runde Nummer drei radelt man am Dorf Geisenhofen vorbei. Dort verkroch sich Kneißl am 5. März 1901 im Aumacher-Anwesen. Im Audioguide erzählt der Sprecher: „Mit circa 1500 Schuss Munition beschossen die Gendarme den Stadel des Anwesens und stürmten im Anschluss das Wohnhaus. Der schwerverletzte Kneißl wurde mit dem Zug nach München transportiert und vom Leibarzt des Prinzregenten notoperiert.“ Nach seiner umstrittenen Hinrichtung im Jahr 1902 verbreitete sich in der Bevölkerung der Spruch: „In Geisenhofen hams ihn zuagricht, in München hergricht und in Augsburg higricht.“ Auf der Radrunde gleiten alle Gedanken wieder ins Hier und Jetzt. Die Dörfer tragen Namen wie Germerswang, Kuchenried und Einsbach. Südöstlich von Überacker dehnt sich das Fußbergmoos aus. Geschotterte Wege führen hinein. In der Dämmerung grasen Rehe auf den Wiesen zwischen den Birkenwäldchen. Schließlich steht eine Entscheidung an: Den Ring beschließen und zurück nach Maisach fahren? Oder die nächste Tour anhängen? Sie lohnt sich durchaus. Mathias Kneißl wuchs in der Schachenmühle bei Sulzemoos auf. Früher drehten sich in der Gegend viele Mühlräder. Bis heute hat sich die Furtmühle erhalten, die auf der vierten Runde passiert wird. Sie sonnt sich im Norden des Landkreises Fürstenfeldbruck im Tal des Flüsschens Glonn. Das Museum weckt alle Sinne. Wer es durchstreift, inspiziert die alten Maschinen und nimmt Werkzeuge in die Hand. Man riecht Sägespäne und Schmieröle, hört der Mühle beim Arbeiten zu. Und schließlich lässt man sich die im Museumsladen erworbenen Schmankerl schmecken. Auf der Weiterfahrt wird schnell klar, dies ist unter den vier Runden die ruhigste Schleife. Sie verbindet Pfaffenhofen an der Glonn im Westen mit Sulzemoos im Osten. Wälder wechseln mit Feldern und Senken mit Blicken bis zu den Alpen. Die genüssliche Tour lässt sich im Biergarten der Brauerei Maisach bei einem Räuber-Kneißl-Bier beschließen. Prost – auf den Räuber Kneißl Radweg!

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