Zwei Menschen mit Tourenski stehen auf schneebedeckter Kuppe mit Ausblick auf verschneite Gipfel
Das Großarltal bietet im Winter ein stattliches Repertoire an Tourenmöglichkeiten von sanft bis knackig und weit abseits des Skigebiets. Foto: Ute Watzl
Skitouren im Salzburger Land

Großarlig!

Quasi ein Geheimtipp für die immer schneeärmeren Winter: Das Großarltal im Salzburger Land. Dank eines besonderen Mikroklimas ist dort manch ein Seitental etwas besser mit Schnee versorgt als die Nachbartäler und die zahlreichen Almen versprechen freie Skihänge.

Seit zwei Stunden schon zieht Sepp seine Spur gleichmäßig durch den Schnee, zwei Stunden Stille, wie sie nur eine Winterlandschaft ausstrahlt, zwei Stunden außer uns kein anderer Mensch. Nun steht er vor diesem steilen Felszacken, der eigensinnig und unvermittelt aus der eher sanft geschwungenen Schneelandschaft hervorragt, untypisch für dieses Tal, kurios auch sein Name: Schuhflicker. Sepp sagt: „Das ist unsere Tour mit dem Südtirol-Touch.“

Die Hohen Tauern am Horizont. Sepp erklärt das Panorama. Foto: Ute Watzl

Wir sind aber im Großarltal im Salzburger Land und lassen unseren Blick über die winterliche Prachtlandschaft schweifen. „Ein bissl was geht immer“ – unter diesem Motto sind wir im schneearmen Winter hergereist. Doch das haben wir nicht zu hoffen gewagt: Schnee direkt vom Parkplatz weg, kein Tragen der Ski, und oberhalb des Waldes ein Traum in Weiß. „Wir haben in diesem Seitental ein besonderes Mikroklima“, erklärt Sepp den überraschenden Schneereichtum. „Immer etwas besser mit Schnee versorgt und föhngeschützt.“

Das Tal der Almen

Das Großarltal ist mehr als nur ein Tal. Es sind seine zwölf Seitentäler, die es zum Skitourengehen so interessant machen. Jedes dieser Täler wartet mit verschiedensten Routen auf. Und weil es wegen der rund vierzig bewirtschafteten Almen auch gern das „Tal der Almen“ genannt wird, darf man auf viele ideale, freie Skihänge hoffen, wovon wir uns in diesen Tagen nur zu gern einen Eindruck verschaffen wollen – vorausgesetzt, wir finden genügend Schnee. Glücklich, wer jemanden mit Ortskenntnis dabei hat.

Das Großarltal bietet traumhafte Skitouren über sanftes Almgelände. Foto: Ute Watzl

Bergsteigerdorf Hüttschlag – eine Erfolgsgeschichte

Einen wie Josef „Sepp“ Kendler zum Beispiel. Sepp ist Großarltaler Urgestein, geboren in Hüttschlag, das seit 2008 Teil der Alpenvereinsinitiative „Bergsteigerdörfer“ ist. Doch nicht nur das. Ohne Sepp wäre das Tal für Bergsportler*innen nicht das, was es heute ist. Sepp ist Obmann der Sektion Großarl-Hüttschlag des Österreichischen Alpenvereins, leitet aber auch den Bergsport-Verein „Berg-Gesund“ im Großarltal. Genau genommen hat er „Berg-Gesund“ ins Leben gerufen. Eine ganze Reihe Berg- und Wanderführer*innen aus seinem privaten Netzwerk bieten für genussorientierte Gäste des Großarltals im Winter Ski- und Schneeschuhtouren oder Wanderungen an. „Als Hüttschlag Bergsteigerdorf wurde, wollten wir ein attraktives Aktivprogramm für jedermann aufbauen“, sagt Sepp. Seitdem sei die Bekanntheit des stillen Tals förmlich explodiert. Die wenigen Hotels sind im Winter fast nur von Skitourenfans gebucht. Besonders idyllisch wohnen diese im Bauerndörfl Rindereben hoch über Hüttschlag, mit seinen großzügigen Ferienwohnungen und aussichtsreichen Terrassen am steilen Hang. Hier herrscht Stille – anders als in Großarl, wo das Skigebiet weiter ausgebaut wird und man weiter auf klassischen Alpinski- Tourismus setzt.

Jenseits der Baumgrenze führt ein flacher Rücken weiter. Trotz des mäßigen Winters 2022/23 war die Schneesituation im Großarltal recht anständig. Foto: Ute Watzl

Aber auch rund um Großarl lassen sich in den Seitentälern trotz des Skigebiets die vielen Tourengipfel auf wenig überlaufenen und stillen Routen besteigen. Das macht das Großarltal für Sepp auch so besonders: „Zum Tourengehen haben wir hier unglaublich viele Möglichkeiten, von einfachen Routen auf sanfte Bergkuppen wie den Loosbühel, das Filzmooshörndl oder den Penkkopf bis hin zu langen, anspruchsvollen wie auf den Keeskogel, den Fastdreitausender am Talschluss.“ Auch wenn die Lawinensituation kritischer ist, wird man im Gipfel-Repertoire des Großarltals fündig – ein bissl was geht immer, weswegen Sepp von Gästen aus Südtirol, Kärnten, Oberösterreich, Tirol und Bayern zu berichten weiß. Viele Touren starten auf einer Höhe von über 1000 Metern. So auch Sepps persönlicher Favorit unter den Genusstouren – der Schuhflicker (2214 m).

Ist nicht mehr weit! Der Schuhflicker gehört zu den schönsten Skitouren im Tal. Foto: Ute Watzl

Verschiedene Legenden ranken sich um ihn und die benachbarte Arlspitze (2140 m). In Sepps Saga sind die beiden Felstürme zwei versteinerte Schustergesellen. Beide thronen nun vor uns. Kurz vor der Schranke beim letzten Bauernhof auf knapp 1300 Metern sind wir gestartet. Über den Almweg erreichen wir die stattliche aber leider im Winter geschlossene Hütte der Aualm auf 1789 Metern nach einer Stunde. Von dort spurt Sepp über Almwiesen bis hierher hinauf. In der Hoffnung auf ein wenig Pulver für die Abfahrt nehmen wir nun die Route nach links unterhalb der Arlspitze und steigen noch die letzten Höhenmeter unter dieser Felsnadel in Spitzkehren hoch zum Aukopf. Der empfängt uns mit einem Gedenkkreuz, einem Respekt einflößenden Blick auf die Südwand des Schuhflickers und der grandiosen Aussicht über das Gasteinertal auf die Goldberggruppe mit Hocharn und Sonnblick. Die Sache mit dem Pulver allerdings hat sich größtenteils dann doch schon erledigt. Trotzdem fellen wir in Vorfreude ab und lassen die Höhenmeter in mal mehr mal weniger leichten Schwüngen hinter uns. Viel zu schnell stehen wir wieder an der Aualm und gleiten den Rest entlang der Aufstiegsspur hinab.

Abfahrtsspaß im Pongau. Ein Trend der letzten Winter: Firn gibt es immer früher im Jahr. Foto: Ute Watzl

Die warmen Temperaturen und die dürftige Schneelage diktieren uns auch am kommenden Tag das Programm. Doch wir haben ja Sepp. Und der hat nicht nur den passenden Tourentipp parat – nämlich das Ellmautal mit der Filzmoosalm. Seiner Initiative ist es auch zu verdanken, dass dort und an allen anderen ausgewiesenen Skitouren-Startpunkten Lawinencheckpoints und Infotafeln installiert sind. Das Ellmautal ist ein beliebter Skitourenspot, unschwer zu erkennen am großen Parkplatz. Die vielleicht beliebteste Tour im Tal führt von hier aus über die Filzmoosalm aufs Filzmooshörndl und zurück mit einem kurzen Gegenanstieg über den Loosbühel und die daruntergelegene gleichnamige Alm. Beliebt ist sie auch deshalb, weil die Loosbühelalm im Winter geöffnet ist. Nach der Abfahrt noch ein frisches Almbierchen – ein perfekter Tourentag! Noch völlig geblendet von der verschneiten Schönheit des Talkessels unterhalb des Filzmooshörndls, der sich vom Loosbühel zurückblickend wie eine weiße Arena ausbreitet, stoßen wir mit Sepp auf das Großarltal an: einfach großarlig!

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