„Wenn wir Abfall als Ressource verstehen, haben wir etwas erreicht“, sagt Prof. Edeltraud Günther von der United Nations University UNU-Flores. Unser „Müll“ gehört nicht auf die Deponie, sondern enthält wertvolle Rohstoffe. Die sind aber nicht ohne weiteres nutzbar, es braucht ein gutes System aus politischen Zielen und Rahmenbedingungen, industriellen Netzwerken und wissenschaftlichen Erkenntnissen, bis eine Kreislaufwirtschaft funktioniert.
Unsere Mitverantwortung dafür beginnt schon bei der Erkenntnis, dass die Recyclingfrage die letzte ist, die wir uns stellen sollten. Vorher können wir – bei Bergausrüstung, aber auch anderen Alltagsgegenständen – mit Konsumzurückhaltung, Pflege und Reparatur und Bemühungen für ein „Second Life“ schon viel erreichen.
Doch irgendwann stellt sich die Frage, wohin mit den Dingen, die einfach nicht mehr zu nutzen sind. Für Verpackungs-Wertstoffe wie Glas, Papier, sogar für Metalle funktionieren die etablierten Rücknahmesysteme ziemlich gut, sagt Dr. Roman Maletz vom Institut für Abfall- und Kreislaufwirtschaft der TU Dresden. Der Knackpunkt sind Kunststoffe: es gibt hunderte verschiedene, und oft sind sie schlecht lösbar miteinander kombiniert, wie etwa die Informationsfolie um die Getränkeflasche. Ein guter Kreislauf besteht da nur für PET-Flaschen; allerdings wird dieser „hochwertige Stoffstrom“ (Maletz) dann oft zu Einwegprodukten degradiert, wenn den PET-Jacken beispielsweise Elasthanfasern beigemischt werden.
Junge Recycling-Initiativen
Noch schwieriger ist es mit Bergausrüstung, an die ja höhere Ansprüche gestellt werden. Schon aus Kunststoffkleidung wieder Kleidung zu machen, ist komplex – auch wenn Hersteller wie Vaude (mit der „Rethink“-Kollektion) versuchen, ihre Produkte aus „Monokunststoff“, also nur einem einzigen Grundstoff, herzustellen. Ein Klettersteigset oder einen Tourenskistiefel in Einzelmaterialien zu zerlegen, dürfte Laien schnell überfordern – und dann bleibt immer noch die Frage offen, wo man die Stoffe zum Recyceln abgeben könnte.
Der „heilige Gral“ des Recyclings sei es, so Phil Westenberger, Produktverantwortlicher beim Bergsportausrüster Edelrid, aus einem gebrauchten Kletterseil wieder ein neues zu machen. Denn das Polyamid, aus dem es besteht, kann man nicht ohne weiteres einschmelzen und wieder zu neuem Garn ziehen, das die hohen Ansprüche an „persönliche Schutzausrüstung“ erfüllt. Sechs Jahre Entwicklungsarbeit steckte Edelrid allein in das Seil Neo 3R, das zu 50 % aus Produktionsresten besteht – und schon ein Drittel mehr kostet. Wer wäre bereit, für ein 100-%-Recyclingseil das Doppelte zu zahlen?
Einen anderen Weg gehen einige Unternehmen, die gebrauchte Ausrüstung einsammeln und daraus direkt neue Produkte erzeugen. So wiederholen Globetrotter, Mountain Equipment und JDAV derzeit das Projekt „Downcycling“, das Daunen aus Thermokleidung und Federbetten für neue Daunenjacken nutzt. In etlichen Kletterhallen stehen die Tonnen der Rosenheimer Firma Newseed, in die man alte Seile entsorgen kann – daraus werden dann Chalkbags, Taschen, Liegestuhlbezüge und ähnliches. Oder eine Outdoorsandale, zusammen mit der Firma Doghammer, die für deren Sohlen Weinkorken sammelt und aus Skifellen „Reuse-Hüttenschuhe“ macht. Die Österreicherin Jana Gams bietet auf ihrer Website para-upcycling.at Taschen und Rucksäcke an, die sie aus eingesandten Gleitschirmen näht.
Das alles mag kein echtes Recycling sein, sondern eher Weiterverwertung, aber es sind schöne Initiativen. Ähnlich wie das Startup Gemsjäger Ski: Die „Latten“ bestehen tatsächlich nur aus Holz, mit aufgeschraubter Stahlkante, sind also am Gleitzeitende leicht sortenrein zu recyceln. Ein Beispiel dafür, dass Recycling bei der Produktion anfängt, mit der Überlegung: Was lässt sich nach Ende der Benutzung leicht wieder auseinandersortieren?
Mehr zum Thema Recycling:
Recycling im Bergsport
Zu gut für die Tonne?
Wie können wir mehr Recycling im Bergsport erreichen? Können alte Seile, Klettergurte, Karabiner und Helme in neue Produkte verwandelt werden?
Wertpotenzial von Abfall verstehen
Roman Maletz engagiert sich im Startup „Holypoly“, das Kunststoff verarbeitende Firmen zu Rücknahme- und Recyclingprojekten berät. Ein Unternehmen etwa sammelt in Skigebieten ausrangierte Skistiefel ein, baut sie auseinander und recycliert die Außenschale. Die Firma NUK sammelt gebrauchte Schnuller und Babyflaschen und lässt daraus Sandförmchen produzieren. Und die Spielzeugfirma Mattel (Barbie) plant, aus gesammeltem, kaputtem Spielzeug einen Kinderspielplatz zu bauen.
Man könnte kritisieren, dass die erzeugten Produkte nicht die gleichen Ansprüche erfüllen wie die ursprünglichen – ein Fall von „Downcycling“. Besser wäre, gleichwertige (Recycling-) oder höherwertige (Upcycling-) Produkte zu erzeugen. Was nicht einfach ist, siehe Bergseil. „Chemisches Recycling“ könnte dafür eine Lösung sein, bei dem die Kunststoffe quasi chemisch neu zusammengesetzt werden. Dafür braucht es aber viel Energie – ohne die gesellschaftliche Transformation zum regenerativen Strom stimmt die Rechnung nicht.
Ein anderes Problem sind aber wieder einmal: wir. So mussten einige Firmen Rücknahmeprogramme einstellen, weil nur ein paar Dutzend Jacken oder Rucksäcke eingesandt wurden. In einer Welt des "Wisch und Weg" scheint es schwierig, das Wertpotenzial von Abfall zu verstehen. Vielleicht müssen sich da erst noch ein paar Kreise in den Köpfen schließen.
Voraussetzung für Kreislaufwirtschaft
Für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft müssen drei Gruppen möglichst reibungslos zusammenspielen:
Hersteller, die recycelte Rohstoffe nutzen und nachhaltig, langlebig und recyclingfreundlich produzieren.
Wir „Verbraucher*innen“, die unseren Konsum zügeln, Gegenstände sorgsam behandeln, „Abfälle“ korrekt recyceln und gesellschaftlich Einfluss nehmen auf …
das „System“, das den Kreis von der Entsorgung und Rücknahme hin zum optimalen Recycling für neue Produkte schließt.
Viele detaillierte Informationen zu diesem Zusammenspiel bieten drei ausführliche Beiträge auf bergundsteigen.com.