Sportkletterstürze richtig halten!

Sanfte Landung

Dank zunehmender Verbreitung von Halbautomaten ist es leichter geworden, Stürze beim Sportklettern „sicher“ zu halten. Nun heißt es daran arbeiten, dass sie auch angemessen „weich“ gebremst werden. Eine Aufgabe für den Sichernden, aber auch für den Stürzenden.

Ein Schrei, ein lauter Rumms gegen die Kletterwand, und noch ein Schrei! Der Blick um die Ecke zeigt: Der Sicherer hat den Sturz tapfer gehalten, zwei Meter von der Wand entfernt stemmt er sich gegen den Zug des Seils. Der gestürzte Kletterer hängt stöhnend im Seil und hält sich den Fuß. Was ist passiert? Der Sturz am achten Haken wurde zwar gehalten, aber so hart, dass beim Anprall an der Wand das Sprunggelenk gebrochen ist.

Ins Seil zu stürzen gehört zum Sportklettern. Den Sturz zu halten, bevor der Stürzende auf dem Boden liegt, ist die Grundvoraussetzung. Aber damit ist es noch nicht getan: Um harten Anprall gegen die Wand zu vermeiden, müssen Sicherer und Kletterer richtig agieren.

Grundverständnis: Tritt man beim Klettern – freiwillig oder unfreiwillig – den Abflug an, erfährt man zuerst eine Phase der Beschleunigung: Bis sich das Seil spannt, beschleunigt er ungebremst. Die Länge dieser „freien Sturzhöhe“ hängt von der Entfernung zur Zwischensicherung ab und (!) von der Schlappseilmenge. Merke: Zusätzliches Schlappseil macht den Sturz nicht weicher, sondern verlängert nur die Phase ungebremster Beschleunigung! Bei einem Sturz von gerade mal drei Metern erreicht ein Körper fast 30 km/h. Und das muss anschließend wieder abgebremst werden: Die Bremsphase beginnt! Je länger der Bremsweg, umso weicher wird der Sturz, je kürzer umso härter. Hätte man beim Stabhochsprung Betonboden statt Weichbodenmatte, wäre der Sport noch unbeliebter – schon dieser knappe Meter dämpft den Sturz aus sechs Meter Höhe körperverträglich. Sanftes Bremsen ist auch beim Sportklettern im Regelfall angesagt – nur bei akuter Aufprallgefahr in Nähe des Bodens oder eines größeren Absatzes ist die Variante „Vollbremsung“ berechtigt oder gar nötig.

Den Sturz sicher zu halten, sollte so selbstverständlich sein wie angstfreies Loslassen. Damit’s nicht „scheppert“, springt die stürzende Person nicht ab, sondern lässt sich wandparallel „sacken“. Und die sichernde Person bemüht sich, die Beschleunigungsphase kurz zu halten und dann mit langem Bremsweg sanft zu bremsen. Illustration: Georg Sojer

Doch wie geht weiches Sichern?

Am einfachsten mit der „Körperdynamik“: Wer sichert, gibt dem Seilzug bewusst nach und hebt dabei ein Stück (Bremsweg) vom Boden ab; je nach Gewichtsunterschied passiv oder aktiv. Ist die stürzende Person schwerer (5-10kg) als die sichernde, reicht es, sich vom Seil nach oben ziehen zu lassen statt sich dagegen zu stemmen. Ist die stürzende Person aber leichter, wird es schwieriger, den Sturz weich abzubremsen – umso mehr, je größer die Gewichtsdifferenz. Wer sichert, muss dann dem Sturzzug aktiv nach oben folgen – die Wand regelrecht ein bis zwei Schritte „hochlaufen“. Grundvoraussetzung ist die aktionsbereite Körperposition: Schrittstellung, leicht gebeugte Knie. Der Knackpunkt ist das richtige Timing: Mitgehen, sobald das Seil am Gurt zieht. Dazu braucht es intensives Üben, am besten bei einem angeleiteten Sturz- und Sicherungstraining. Ebenfalls wichtig: Nahe an der Wand stehen, damit man gut nach oben kommt.

Die köperdynamische Lösung hat generelle Grenzen bei größeren Gewichtsunterschieden (>15kg). Ist der*die Kletter*in deutlich schwerer, kann man durch Reibungserhöhung (Ohm, Bauer, Reibungsclipp) oder Gewichterhöhung (Sandsack) verhindern, dass die sichernde Person zu weit hochgezogen wird und unkontrolliert an die Wand prallt.

Ist der*die Kletter*in deutlich leichter, ist Körperdynamik nur noch schwer realisierbar. Eine Bremswegverlängerung ist aber auch mit anderen Methoden möglich: Die Lösung „Gerätedynamik“ funktioniert mit dynamischen Sicherungsgeräten wie Tube, Achter und HMS. Wer sichert, hält das Bremsseil mit der Bremshand weit nach hinten ausgestreckt. Mit dem Sturzzug führt man die Hand dosiert zum Gerät hin und verlängert so den Bremsweg. Kombiniert mit einer Bewegung zur Wand hin („Mini-Körperdynamik“) lässt sich der Sturz leidlich weich abfangen.

Für Halbautomaten nutzen Profis gelegentlich die „Sensorhanddynamik“, eine für die Breite ziemlich anspruchsvolle Methode. Dazu zieht man, wenn ein Sturz sich ankündigt, einen knappen Arm voll Seil aus dem Sicherungsgerät und hält es so, dass es zwischen Führhand und Gerät eine Schlaufe bildet; die andere Hand kontrolliert immer das Bremsseil. Beim Sturz versucht man dann, den ersten Impuls quasi mit Armkraft zu halten; dabei wird der Arm normalerweise nachgeben, aber ein bisschen Energie abfangen. Strafft sich die Seilschlaufe, bremst das Gerät – durch den nach oben gezogenen Arm wird das aktive Mitgehen in die Körperdynamik leichter (siehe auch Sensorhanddynamik).

Doch auch beim Klettern kann man zumindest bei kontrollierten Stürzen den Anprall gegen die Wand beeinflussen. Springt man weit nach hinten ab, wird man umso stärker gegen die Wand gezogen und knallt hart an. Ziel ist also, je nach Wandneigung so flach wie möglich „abzutropfen“: wie man sich in einen Sessel fallen lässt. Absolutes No-Go ist das Kommando „zu“, wenn sich der Einbindepunkt über der letzten Zwischensicherung befindet. Wenn die sichernde Person dann das Seil strammzieht und sich reinsetzt, sind harter Anprall und Verletzung garantiert! (s. auch Panorama 3/20, S. 46 ff)

Tipps:

  • Weich sichern – wann immer es geht!

  • Grundmethode: weich sichern durch Körperdynamik

  • Aktiv mitgehen oder passiv hochziehen lassen

  • Am Timing üben, üben, üben …

  • Vorsicht bei größeren Gewichtsunterschieden!

  • Flach stürzen – Kein „Zu“ oberhalb der Exe!

Themen dieses Artikels