Alpines Genussklettern
Genussklettern in alpinen Plaisirtouren. Kommandos und Standplatzbau sind hier relativ einfach, aber müssen zu 100 Prozent sitzen. Foto: DAV/Christian Pfanzelt
Optimal statt nur okay!

Standplatzabläufe in Mehrseillängenrouten

In Plaisirrouten und zahlreichen alpinen Klassikern sind die Stände mit soliden Bohrhaken versehen. Standplätze sind immer ein sensibler Punkt in der Sicherungskette – ein Versagen muss ausgeschlossen sein. Standplatzbau, Sicherungsmethoden und Seilschaftsabläufe müssen perfekt funktionieren, um sicher, stressfrei und schnell klettern zu können.

Das Motto muss heißen: Opimal statt nur okay!

Standplatz an einzelnem, soliden Fixpunkt

Dient ein einzelner geklebter oder einzementierter Ringhaken als Standplatz, erfolgt die Selbstsicherung (siehe Extrakasten) mittels Mastwurf mit dem Kletterseil und Verschlusskarabiner direkt im Ring. Für die Partnersicherung kommt ein weiterer Verschlusskarabiner daneben (Fixpunktsicherung: siehe Kasten) in den Ring, hierbei den weiteren Routenverlauf antizipieren: geht die Route nach rechts weiter, wird die Partnersicherung rechts der Selbstsicherung eingehängt, geht es nach links, dann links davon (rechts-links-Trennung). Hat man einen einzelnen Bühler (Abb. 1) ohne Ring, hängt man einen möglichst großen Verschlusskarabiner in diesen und verfährt wie oben beschrieben. Der Karabiner „ersetzt“ den Ring, der geschlossene Schenkel (ohne Verschluss) zeigt in die weitere Kletterrichtung. Bei Wechselführung (Nachsteiger*in wird zu Vorsteiger*in) kann die Selbstsicherung auch direkt in den ersten Karabiner und an dessen geschlossenen Schenkel die Partnersicherung eingehängt werden. Eine räumliche Trennung von Selbst- und Partnersicherung ist insbesondere an Hängeständen von Vorteil, um die HMS-Sicherung ungehindert bedienen zu können.

Bei einem einfachen Klebehaken ersetzt ein Verschlusskarabiner den Ring. In einen Ringhaken kommen zwei Verschlusskarabiner für Selbst- und Partnersicherung. Illustration: Georg Sojer

Standplatz an zwei Fixpunkten (mindestens ein solider Bohrhaken)

In modernen Plaisirrouten hat man meist zwei übereinander platzierte Bohrhaken: Diese werden mittels Reihenschaltung miteinander verbunden – das Prinzip: versagt ein Fixpunkt greift sofort der nächste! Daher muss der Zentralpunkt des Standes am tieferen Fixpunkt sein und beide Fixpunkte müssen ohne Schlappseil miteinander verbunden sein. Üblicherweise nutzt man dazu eine vorbereitete Bandschlinge mit doppeltem Bulinauge (Abb. 2). Dieses wird mit Verschlusskarabiner in den unteren, das freie Ende mit Verschluss- oder Normalkarabiner in den oberen Fixpunkt eingehängt – mittels Sackstich wird die Schlinge so verkürzt, dass beide Punkte eng miteinander verbunden sind, das Bulinauge sollte dabei nicht nach oben gezogen werden. Die Selbstsicherung erfolgt mittels eigenem Schraubkarabiner und Mastwurf entweder im Auge oder im unteren Schrauber (räumliche Trennung), die Partnersicherung (HMS) wird im Auge eingehängt – auf rechts-links- Trennung achten. Bei Wechselführung kann die Reihenschaltung mit dem Kletterseil erfolgen und beide Fixpunkte werden mit Mastwurf miteinander verbunden. Die Kameradensicherung wird im unteren Verschlusskarabiner aufgehängt – der geschlossene Karabinerschenkel zeigt wieder in die weitere Kletterrichtung.

Die Fixpunkte werden mit dem Seil und Mastwürfen (links), oder einer Bandschlinge mit doppeltem Bulinauge verbunden. Illustration: Georg Sojer

Seilschaftsablauf und Kommandos

Nicht nur der Standplatzbau sollte flutschen, auch die Seilschaftsabläufe müssen perfekt abgestimmt sein, um zeitliche Verzögerungen oder gar fatale Irrtümer zu vermeiden. Wichtig: Jedem Seilschaftsmitglied sind die unterschiedlichen Schritte und deren Abfolge klar. Die Abstimmung kann über Sichtkontakt und Zeichen (meist nicht möglich), verbale Kommandos (nicht immer möglich), über „Seil-Morsezeichen“ (muss gut abgestimmt sein) oder blindes Verständnis (nur für extrem gut eingespielte Seilschaften!) erfolgen. Beim Mehrseillängenklettern ist eine möglichst knappe und klare Kommunikation entscheidend. Die erste relevante Information ist: Wer vorsteigt, hat Stand (ist selbstgesichert) und kann aus der Sicherung genommen werden. Das übliche Kommando ist „Stand“ – vorher abgestimmt, kann dies auch über eindeutiges „Seil-Morsezeichen“ übermittelt werden (z.B. fünf Mal am roten Seilstrang ziehen; oder: ich hole 4m nur das blaue Seil ein, etc.), bzw. bei Sichtkontakt mit Handzeichen und sichtbarem Hängen in der Selbstsicherung. Wer nachsteigt, löst nun die Partnersicherung (optionales Kommando „Seil ein“). Das restliche Seil sollte nun schnell eingeholt werden. Ist das Seil zu Ende, wird die Partnersicherung für den/die Nachsteiger*in eingelegt – dies ist die zweite relevante Information, die eindeutig vermittelt werden muss: Das übliche Kommando ist hier „Nachkommen“ – wer nachsteigt, löst nun die Selbstsicherung und beginnt zu klettern. Um fatale Irrtümer zu vermeiden, sollte nach dem Einziehen des Restseils sofort die Sicherung für den Nachstieg eingelegt und bedient werden.

Vorsicht

  • Vermeide mehrere Karabiner in einer Hakenöse.

  • Vermeide überkreuzlaufende Seile von Partner- & Selbstsicherung.

  • Vermeide Seilschlingen, die sich verhängen können oder Steinschlag auslösen.

  • Vermeide unklare Seilkommandos oder -abläufe.

Seilversorgung

Am Stand muss man das Seil so „versorgen“, dass es für die nächste Seillänge perfekt läuft. Ist am Standplatz ausreichend Platz (Absatz, Band o.ä.), wird das Seil Schlaufe für Schlaufe in einem kompakten Haufen abgelegt – bei Wechselführung läuft das Seil dann perfekt von oben weg. Erfolgt kein Führungswechsel, sollte das Seil beim Nachstieg komplett durchgezogen werden, sobald die Sicherung am Stand erfolgt ist. Ist ein Ablegen des Seils nicht möglich, lässt man das Seil in Schlaufen runter hängen – je steiler die Wand, desto besser funktioniert diese Methode. Dabei fängt man mit langen Schlaufen an (so lang wie möglich, ohne dass sich das Seil verhängen kann) und wird mit jeder Schlaufe ca. 0,5 m kürzer, dadurch läuft das Seil bei der anschließenden Vorstiegssicherung ungehindert und die Schlaufen verfangen sich nicht ineinander. Die Schlaufen selbst werden häufig über Füße oder Selbstsicherung gelegt, beides ist nur bedingt zu empfehlen. Besser nach jeder Schlaufe doppelten Sackstich machen und im Karabiner am Stand fixieren. Beim Vorstiegssichern müssen diese Knoten nach und nach geöffnet werden, dies erfordert entsprechende Voraussicht und Übung. Grundsätzlich sollte das Seil aber immer entwirrt werden, bevor man in die nächste Seillänge startet, damit es zuverlässig läuft. Standplatzbau und -abläufe zu optimieren, erfordert neben dem nötigen Wissen Übung und die Bereitschaft, eingeschliffene Abläufe zu hinterfragen – denn „okay“ ist nicht immer gut genug!

Selbstsicherung

Die Selbstsicherung am Stand erfolgt über Mastwurf im Schraubkarabiner. Vorteil: Die Länge der Selbstsicherung ist anpassbar, ohne das System zu öffnen – die Selbstsicherung sollte immer leicht auf Zug sein. Bei zwei Seilsträngen sollten beide Seile in dem Karabiner parallel eingehängt werden, dies verhindert Verknotungen im Seil. Die Selbstsicherung mit Bandschlinge am Anseilring und Verschlusskarabiner ist in der Länge wenig flexibel und muss während des Kletterns am Gurt verstaut werden. Dies erschwert Übersichtlichkeit und Zugang zum sonstigen Material und ist daher nicht zu empfehlen. Wer auf seine Selbstsicherungsschlinge nicht verzichten will, sollte zu speziellen, anpassbaren Systemen aus Kernmantelmaterial greifen.

Fixpunktsicherung

Die Kameradensicherung mittels HMS vom Fixpunkt ist die Standardmethode für alle alpinen Lebenslagen. Aus der Sportkletter-Gewohnheit heraus wird häufig über den Körper gesichert. Dabei ist der Körper Teil der Sicherungskette, es besteht Verletzungsgefahr durch Anprall und ein Agieren im Notfall ist erschwert. Will man dennoch über Körper sichern, müssen einige Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Sturzzug muss gerade nach oben erfolgen.

  • Gewichtsunterschied max. 5-10 kg.

  • Keine Hindernisse (Dächer, Kanten, etc.) über dem Stand (Anprallgefahr).

  • Wer sichert, muss sich tief (min. 1,5 m) unter den Stand hängen.

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