"Elena, warst du schon mal Eisklettern? Ich fände es gut, wenn du das mal ausprobierst.“ Diese freundliche Formulierung von Bergauf-Bergab Moderator Michi Düchs war der Auslöser meines Selbstversuchs. Dass es sich nicht um eine unverbindliche Frage, sondern um eine handfeste Idee handelte, ließ sich eindeutig aus Michis Gesicht ablesen und mir wurde klar: Ich muss mich warm anziehen.
Von der Halle an den Fels
Wenige Tage später, ein früher Morgen im Februar. Die Luft kristallklar, genau wie der Himmel. Gut, dass wir einen sonnigen Tag zum Klettern erwischt haben. Wir, das sind mein Kletterpartner Gereon und ich. Auf verschneiten Pfaden machen wir uns auf den Weg in die Taschachschlucht im Pitztal. Da die Rucksäcke unserer Seilschaft lediglich mit sommerlicher Alpinklettererfahrung gefüllt sind, begleiten uns der Bergführer Sepp Gloggner und sein Freund René.
Und da stehen wir nun, vor einer blauen Wand aus gefrorenem Wasser, mit großen Augen, während unser Atem in kleinen Wolken aufsteigt. Nach einer kurzen Einführung in die Steigeisentechnik setzen Gereon und ich unsere Füße zum ersten Mal in die Eiswand. Ohne Eispickel, um uns ganz auf die Frontalzacken zu konzentrieren. Während unsere Hände vergeblich versuchen, Halt im glatten Eis zu finden, arbeiten wir uns mit den Steigeisen zentimeterweise die Wand hinauf. Das erfordert ziemlich viel Fußspitzengefühl, denn nicht überall ist das Eis gleichermaßen stabil.
Das Eiswasser findet schnell einen Weg ins Innere meiner Handschuhe, und so steigt die Vorfreude, gleich mit Eispickeln zu klettern. „Je härter das Eis ist, wie jetzt, wenn es so richtig kalt und spröde ist, desto schwieriger ist es, die Eisgeräte richtig zu setzen, sodass man genug Vertrauen hat, dass sie halten“, sagt René. Zum Glück sind wir im Toprope gesichert – optimal für den Einstieg – und ich stelle fest: Das Gefühl, mit Eisgeräten zu klettern, ist nicht so unmittelbar wie Felsklettern, wenn unsere Finger jede noch so kleine Struktur aufspüren. Doch schon nach wenigen Minuten scheint mein Kopf die Eisgeräte als verlängerte Arme akzeptiert zu haben, an Treffsicherheit und Vertrauen lässt sich schnell arbeiten.
Vom Fels ins Eis
Besonders faszinierend, wenn auch naheliegend, ist der wesentliche Unterschied zwischen dem Fels- und Eisklettern: Kletterrouten am Fels leben von Beständigkeit, ihre Beschreibung in Topos gleicht einer Inhaltsanalyse. Beim Eisklettern ist das nicht ganz so.
Schon vor über vierzig Jahren hat ihn das Eisklettern in seinen Bann gezogen. Die sportliche Anforderung, schwierige Routen zu meistern und dabei sowohl das eigene Können als auch die eigenen Grenzen richtig einzuschätzen, reizt ihn nach wie vor. Ebenso die Entwicklung des Materials: „Die Ausrüstung hat das Eisklettern geformt.“ Neben Steigeisen und Eisgeräten stellt die Kurbeleisschraube die größte Revolution dar. „Plötzlich hat man an einem Eisgerät hängen und die Schraube mit nur einer Hand ins Eis drehen können“, erklärt Sepp. Dass das Kurbeln ein wenig Übung erfordert, während man in der Eiswand hängt, stellen Gereon und ich recht schnell fest.
Trotz Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt ist mir inzwischen richtig warm geworden. Ich denke: Toll, Eisklettern im Winter, das lässt sich gut aushalten. Zumindest für die Person, die in der Wand unterwegs ist. Die am Boden wartenden Kletterer versuchen sich durch eine Choreografie schwingender Gliedmaßen vor dem Auskühlen zu bewahren. Zu unserem Glück bahnt sich gegen Mittag die Sonne an. Vorsichtig wagt sie einen Blick in die Schlucht, streift jedoch nur den oberen Rand der Felswand auf der gegenüberliegenden Seite. Schade. Aber das gehört wohl dazu, zum Eisklettern.
Der Tag danach hält eine Überraschung bereit: Muskelkater unterhalb der Waden, wirklich gewöhnungsbedürftig. Vielleicht ein Zeichen für intensives Vertrauen in die Steigeisen? Auf jeden Fall ein schönes, wenn auch temporäres Andenken an einen Klettertag in einer kalten Welt an den Wänden aus Wasser.