Felsstürze einst ...
Schon immer in der Erdgeschichte und auch in früheren Jahrzehnten gab es einzelne große Fels- oder Bergstürze sowie Hangrutsche.
Während einer Warmperiode vor 3500–4000 Jahren formte ein Bergsturz der Zugspitze mit ca. 350 Millionen Kubikmetern Gestein den Eibsee; aus dem Hochkaltermassiv rauschten in der gleichen Zeit etwa 15 Millionen Kubikmeter Gestein ins Tal und formten den heutigen Hintersee.
Eines der bekanntesten und tragischsten Ereignisse der vergangenen Jahrzehnte war 1963 in der Nordost-italienischen Vajontschlucht, wo eine Bergflanke mit etwa 270 Millionen Kubikmeter Gestein in einen Stausee rutschte. Dies löste eine Flutwelle aus, die energiegeladen über die Staumauer schwappte und sich über das Bergdorf Longarone ergoss. Damals starben etwa 2000 Menschen. Eine (menschgemachte) Katastrophe, die wohl vermeidbar gewesen wäre, hätte man die Einwände von Einheimischen und Experten beim Bau des Stausees nicht unter den Teppich gekehrt.
... und heute
Weitere Beispiele aus der Schweiz: 2006 lösten sich vom Eiger etwa 500.000 Kubikmeter Gestein und stürzten auf den Unteren Grindelwaldgletscher, im gleichen Jahr polterten rund 1 Million Kubikmeter am Dents du Midi ins Tal. Die Blicke sind auch nach Brienz gerichtet: Im Mai 2023 mussten die Menschen ihr Bergdorf verlassen, weil ein Fels- oder gar Bergsturz drohte – Mitte Juni dann brach ein Volumen von zunächst schätzungsweise 1 bis 1,5 Millionen Kubikmeter ab.
Grundsätzlich sind viele kleine und große Felsbewegungen eine normale Erscheinung in den Bergen, sie gehören zumeist zum natürlichen Verwitterungsprozess. Oft kündigen sie sich über mehr oder minder lange Zeit an. So wird im Allgäu seit Jahren der Hochvogel engmaschig überwacht, nachdem Spalten im Gipfelbereich deutlich größer wurden – der Berg droht auseinanderzubrechen.
Was in den jüngsten Jahren anders ist: Immer öfter kommt es zu Felsstürzen in Hochgebirgslagen, von denen man dies bisher in dieser Art nicht kannte: so kamen 2017 acht Menschen ums Leben, als von der Nordflanke des 3369 Meter hohen Piz Cengalo im Schweizer Kanton Graubünden etwa drei Millionen Kubikmeter Gestein abbrachen und ins Tal stürzten; die dadurch ausgelösten Murgänge führten außerdem zu großen Zerstörungen und zu Evakuierungen im Tal.
Der Faktor, der bei Fels- und Bergstürzen inzwischen immer häufiger eine Rolle spielt, ist auftauender Permafrost. Denn der Permafrost ist – notwendige niedrige Temperaturen vorausgesetzt – der Kitt, der die Alpen zusammenhält.
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Hauptfaktoren für einen Felssturz
Bei Fels- und Bergstürzen spielen neben dem verschwindenden Permafrost zwei weitere Faktoren eine zentrale Rolle – Gletscherrückgang und die Zunahme von Extremwetterereignissen.
Gletscher können eine Art "Stützmauer" sein für Felswände, sie drücken quasi gegen den Wandfuß und haben dadurch eine stabilisierende Wirkung. Die rasante Gletscherschmelze und das Absacken der Gletscheroberfläche kann zu einem Verlust der Stabilität führen. Dazu kommt dann der Hauptfaktor: auftauender Permafrost. Bleibt das Material im Berg unter null Grad und somit gefroren, kann er ganze Felswände stabilisieren – quasi als Kleber, der die Alpen oberhalb von rund 2800 bis 3000 Metern zusammenhält. Und nun der oft auslösende Faktor: Extremwetterereignisse. Diese nehmen erwiesenermaßen zu: Hitzewellen und Trockenheit gefolgt von Starkregen. Diese Temperaturschwankungen und Regenereignisse können dann der finale Trigger sein.
Hast du einen Felssturz gesehen? – Bitte melden!
Das Schweizer Institut für Schnee- und Lawinenforschung (SLF) sammelt für Forschungszwecke Angaben zu Felsstürzen in Permafrostgebieten. Falls du im Hochgebirge einen Felssturz beobachtet hast, fülle den SLF-Fragebogen aus und unterstütze so als Citizen Scientist die Forschung des Instituts.
Warum kommt der Bergsturz jetzt, obwohl das Frühjahr nicht sonderlich warm war?
Eigentlich war es im Gebirge im Frühjahr 2023 nicht überdurchschnittlich warm, eher im Bereich des Klimamittels. Im Sommer und Herbst 2022 hingegen war es überdurchschnittlich warm. Das Problem beim alpinen Permafrost im Hochgebirge: es dauert eine ganze Weile, bis die warmen Temperaturen von der Felsoberfläche bis in die Tiefe des Berges vordringen; dies geschieht nicht direkt und es gibt einen zeitlichen Versatz. Es kann also mehrere Monate dauern, bis der Wärmeeintrag des vergangenen Sommers ins Berginnere vordringt und dort zeitlich verzögert den Permafrost erwärmt. Genau aus diesem Grund können Fels- und Bergstürze zum Beispiel auch mitten im Winter passieren bei kalten Temperaturen, wie beispielsweise beim Felssturz am Piz Kesch mitten im Februar 2014.
Mehr Informationen
An dieser Stelle eine Übersicht mit wichtigen Links zu Artikeln des DAV, die das Phänomen Permafrost genauer erklären; ebenso wie das Zusammenspiel der verschiedenen Faktoren und Prozesse, die für das Auslösen von größeren Fels- oder gar Bergstürzen verantwortlich sind:
Alpiner Permafrost. Klimaanzeiger und Klebstoff der Alpen – eine detaillierte Beschreibung
Gletscher, Naturgefahren und Klimawandel: Interview mit Tobias Hipp, Gletscherexperte im Ressort Naturschutz und Kartographie beim DAV
Gletscher schmelzen, Permafrost taut. Was die Klimaerwärmung in den Alpen anrichtet
Alpine Landschaften verstehen – Begriffe von Steinschlag bis Bergsturz