Wird es der Menschheit gelingen, ein gutes Leben für alle zu retten? Der Blick in einen gemischt gefüllten Recyclingcontainer, eine Flughafenhalle voller Menschen oder in die Fernsehnachrichten könnte daran zweifeln lassen. Wer regelmäßig Alpengletscher besucht und ihr rasantes Schwinden sieht, könnte denken, dass nicht nur dort irreversible Kipppunkte überschritten sind. Und die unabhängige Wissenschaft belegt immer genauer, dass aktuelle Probleme durch Großbrände, Trockenperioden, Überschwemmungen und mehr nur kleine Vorboten des Wetterchaos sind, das durch unsere Treibhausgasemissionen angefeuert wird. Und dass die bisherigen Maßnahmen der Politik nicht ausreichen. Doch zu verzweifeln oder zu resignieren, wie das Kaninchen vor der Schlange, macht die Entwicklung nur noch zwingender. Und womöglich – Motto „nach mir die Sintflut“ – gar unverändert das Maximum für sich persönlich herauszuholen, ist mit der Menschenwürde und der Verantwortung für die humane Gemeinschaft unvereinbar. Auch der Blick auf andere, die etwa zum Shoppen nach New York jetten, hilft nicht weiter. Genauso wenig wie die Aussage „Deutschland allein kann’s nicht retten.“ Denn:
Deutschland hat seinen „gerechten“ Anteil am weltweiten Emissionsbudget längst über-ausgeschöpft
Der Vertrag von Paris ist völkerrechtlich bindend und muss erfüllt werden
Deutschland kann es (sich) leisten
Es braucht Menschen, die vorangehen und zeigen, dass es funktioniert
Genauso kann man selbst die Vorreiterrolle übernehmen und damit zumindest beim Blick in den Spiegel Selbstwirksamkeit fühlen. Kleine Schritte in die richtige Richtung sind gefragt:
Beim persönlichen Klima- und Weltverbrauch-Fußabdruck
Durch Eintreten für Verbesserungen am Arbeitsplatz, in der Gemeinde, in der Politik
Durch finanzielle oder ehrenamtliche Unterstützung für Initiativen, die die Welt „besser“ und nachhaltiger machen wollen
Lösungsansätze nutzen
Vieles ist einfach und mit gesundem Menschenverstand einsehbar, wie etwa, dass ein schwerer SUV rund 25 Prozent mehr Energie braucht als das vergleichbare Normalmodell. Anderes braucht Hintergrundwissen, zum Beispiel, wo die größten Strom- oder Energiesparpotenziale im Haus liegen – dazu hat diese Serie „Mach‘s einfach“ versucht beizutragen. Und manches ist extrem schwer abwägbar: Eine neue Wärmepumpe kaufen, wenn die Gasheizung auch mit Biogas aus Abfällen betrieben werden kann? Ein neues E-Auto, das im Betrieb keine Emissionen ausstößt, oder den alten sparsamen Diesel noch bis zum Ende der Lebensdauer nutzen? Noch komplexer wird die Abwägung, wenn das „System“ betroffen ist, nicht nur das persönliche Umfeld.
Eine Fahrt ins Gebirge zu viert kann emissionsärmer (und billiger …) sein als mit Bahn und Bus. Aber wenn die öffentlichen Verkehrsangebote nicht stärker genutzt werden, wird der ÖV sicher nicht besser. Verzicht auf Rindfleisch ist gut für die Emissionsbilanz, auf Almen aber sichert die Beweidung die Biodiversität. „Bio“ einkaufen oder Projekte der „regenerativen Landwirtschaft“ unterstützen? Nicht alle Widersprüche sind auflösbar, manche muss man aushalten – und manche Fragen nach bestem humanem Gewissen persönlich beantworten. Im Bemühen, sein Bestes zu geben.
Kleine Schritte, ganz einfach
Biodiversität im Garten schaffen: Magerrasen oder Wildblumenwiese anlegen, eigenes Obst und Gemüse anbauen, einen Baum pflanzen: Es gibt viele Möglichkeiten, Lebensqualität aufzuwerten und Natur zu fördern.
Die Sonne ins Haus holen: Mit einem „Balkonkraftwerk“ lässt sich ein guter Beitrag zur häuslichen Energieversorgung leisten, die Kosten amortisieren sich schnell.
Das brauche ich nicht: Muss es das Neueste, Beste, Coolste sein? Oder tut’s das Alte mit etwas Pflege nicht doch noch? Ersatz lässt sich übrigens auch gebraucht kaufen.
Politik bewegen: Allein kann man die Welt nicht retten; wer lokal für gute Klimapolitik aktiv werden will, kann das beispielsweise mit germanzero.de.
Wohlstand teilen: Spenden, die in benachteiligten Weltregionen Bildung und nachhaltige Entwicklung fördern, setzen an den Grundproblemen an: Armut und dadurch bedingte Überbevölkerung.
Häufig liegt der Schlüssel darin, etwas anders zu machen, etwas Neues zu probieren:
Auf den Wochenmarkt gehen und mit den dort erstandenen saisonalen Produkten neue Rezepte kreieren
Second Hand einkaufen und Refurbished-Produkte entdecken
die Hometrails erkunden
über nahegelegene Hügel und durch die Felder im Umland wandern
mit dem Rad ans Urlaubsziel fahren
Natürlich kann man das alles als Verzicht sehen: Verzicht auf Fleisch und Avocados, Verzicht auf die neuesten Gadgets, Verzicht aufs leistungsstarke Auto, Verzicht auf Komfort. Das hilft nur leider nicht. Unser aktueller durchschnittlicher Lebensstil in Deutschland liegt weit über dem, was die Erde abfangen kann, dafür bräuchten wir die Ressourcen von drei Erden. Wenn wir unsere Lebensgrundlagen erhalten wollen, müssen wir etwas anders machen und neue Wege gehen. Bekannte Wege verlassen, gewohnte Muster durchbrechen – das ist oft nicht leicht, aber umso öfter lohnend und bereichernd, weil wir uns fordern und Neues probieren, uns geistig und körperlich fit halten, in vielen Fällen sogar zusätzlich den Geldbeutel schonen.
Wer sich darauf einlässt, stellt fest, dass Verzicht auch zum Gewinn werden kann. Das „einfache Leben“, wie es so schön heißt, kann uns so viel bieten – das kennen wir doch aus den Bergen und suchen es dort nicht zufällig.
Mit diesem Beitrag endet die Serie „Mach’s einfach“, die das DAV-Klimaschutzprojekt begleitet hat. Wir danken allen Leser*innen, die sich mit Zuschriften an die Redaktion eingebracht haben. Da die Themen Klimaschutz, Biodiversität und Nachhaltigkeit auch weiterhin von zentraler Bedeutung im DAV sind, werden wir in unseren Medien auch künftig darüber berichten.
Klimaschutz braucht uns alle!
Der DAV hat sich 2021 mit Verabschiedung seiner Klimaschutzstrategie und eines ambitionierten Klimaschutzkonzeptes auf den Weg zur Klimaneutralität bis 2030 gemacht. Bei der Umsetzung stehen Vermeidungs- und Reduktionsmaßnahmen im Zentrum.
Rund 270 Sektionen haben inzwischen das Amt der Klimaschutzkoordination eingeführt, 180 Sektionen an der Emissionsbilanzierung teilgenommen.
Bisher hat die Projektgruppe Klimaschutz die Entwicklung der Maßnahmen begleitet – über 70 Ehrenamtliche und Hauptberufliche, die in 25 Lenkungskreis-, 40 Kernteam- und gut 100 Expertenkreis-Sitzungen Ideen und Konzepte entwickelten, um die Sektionen bei der Umsetzung und Kommunikation von Maßnahmen, etwa in Kletteranlagen, auf Hütten oder bei der An- und Abreise in die Berge zu unterstützen. So konnten viele Geschichten gelingenden Klimaschutzes im DAV geschrieben und darüber berichtet werden.
Die Zahlen zeigen allerdings, dass dringend weitere Anstrengungen notwendig sind, um die gesetzten Ziele zu erreichen. Deshalb werden offene Aufgaben zum Ende der Projektlaufzeit an den ab 2025 verantwortlichen Klimabeirat und seine Arbeitsgruppen übergeben. Wirksamer Klimaschutz bleibt eine der zentralen Aufgaben im DAV und bedarf auch künftig intensiver Begleitung: Klimaschutz geht uns alle an, Klimaschutz braucht uns alle!