Geographie
Das Riesengebirge (tschechisch Krkonoše, polnisch Karkonosze) ist Teil des bergigen Grenzkamms zwischen Polen und Tschechien.
Es hat einen subalpinen Charakter und ist geprägt von eiszeitlichen Gletscherkaren und kristallklaren Bergseen: Einerseits gibt sich die Gebirgskette sanft gewellt mit rundlich-kahlen Gipfeln. Nach Norden, zur polnischen Seite, zeigen sich immer wieder auch steile, felsige Abbrüche und Flanken sowie tief eingeschnittene Täler. Das Riesengebirge ist eine der niederschlagreichsten Regionen Mitteleuropas und gilt als schneesicherstes Mittelgebirge des Kontinents, in seinem Klima ähnelt es dem in Nord-Skandinavien.
Der Riesengebirgs-Hauptkamm verläuft überwiegend in Ost-West-Richtung und ist etwa 35 Kilometer lang; er ist die Wasserscheide zwischen Oder und Elbe.
Das Riesengebirge ist ein Teil der Sudeten, die das Böhmische Becken im Nordosten umrahmen. Andere Gebirgsgruppen, die zu den Sudeten gehören, sind unter anderen das Altvater- und Heuscheuergebirge sowie die Glazer Berge. Ursprünglich zählten zum Riesengebirge auch die Erhebungen des westlich anschließenden Isergebirges (Góry Izerskie), welches erst seit dem 19. Jahrhundert als eigenständiges Gebirge gilt.
Hohe und besondere Gipfel
Das Riesengebirge ist das höchste Gebirge von Tschechien (nicht jedoch von Polen, dies ist die Hohe Tatra).
Sein höchster Gipfel ist die Schneekoppe (tschechisch Sněžka, polnisch Śnieżka). Mit ihren 1602 Metern ist sie Sehnsuchtsziel vieler Reisender, allerdings mit Liftanlagen und mehr recht verbaut.
Die höchste Erhebung des westlichen Hauptkamms ist das Hohe Rad (1509 m, polnisch Wielki Szyszak,tschechisch Vysoké Kolo), andere bekannte Berge sind die Große Sturmhaube (1424 m, Śmielec) sowie der Reifträger (Szrenica, 1362 m). Auf tschechischer Seite gibt es neben dem eigentlichen Hauptkamm (Schlesischer Kamm) einen weiteren Böhmischen Kamm, der etwa 18 Kilometer lang ist – dort finden sich die Kesselkoppe (1435 m, Kotel) und der Hochwiesenberg (1555 m, Luční hora).
Wege & Routen
Eine beliebte Wanderung führt entlang des alten Kammwegs, es geht dabei abwechselnd durch Geröllfelder und über weite Bergwiesen. Schon Ende des 19. Jahrhunderts bauten Mitglieder des Riesengebirgsvereins entlang der Kammlinie einen Wanderweg. Besonderheit: der Weg ist über weite Strecken – ähnlich einem Karrenweg – gepflastert.
Die Tageswanderung auf die Schneekoppe ist sowohl von tschechischer als auch von polnischer Seite sehr beliebt; vom polnischen Karpacz aus beträgt die Gehzeit etwa 5 h (13 km/900 Höhenmeter auf markierten, gut ausgebauten Wegen).
Das Riesengebirge gilt als das schneesicherste der europäischen Mittelgebirge. Im Winter steht ein dichtes und gut markiertes Loipennetz zur Verfügung; vor allem im tschechischen Harrachov und Špindlerův Mlýn sowie im polnischen Karpacz und Poreba. Auf tschechischer Seite verläuft außerdem der Riesengebirgs-Skiwanderweg (Krkonosska lyzarska cesta) von Harrachov über mehrere Hütten bis Zacler.
Hütten
Hütten heißen im Riesengebirge „Bauden“; hier lässt sich etwas essen und trinken und übernachten – mancherorts einfach, anderenorts in modern hergerichteten Lagern oder hotelartig. Die höchstgelegene, größte und vielleicht auch älteste Bergbaude im Riesengebirge ist die Luční bouda (Wiesenbaude). Auf 1410 m steht sie auf der „Weißen Wiese“, einer Hochebene nahe der Schneekoppe. Über diese Wiese führte ein alter Verbindungsweg zwischen Schlesien und Böhmen.
Andere Bauden sind unter anderem: Dom Śląski (Schlesierhaus), Moravská bouda (Mährische Baude) oder Petrova bouda (Petersbaude), außerdem Schronisko Na Hali Szrenickiej (Neue Schlesische Baude) und Jelenka bouda (Emmaquellenbaude).
Schutzgebiete
Das Riesengebirge ist in weiten Teilen Nationalpark. Auf polnischer Seite ist der Nationalpark Riesengebirge (Karkonoski Park Narodowy, KPN) 55 Quadratkilometer groß und steht seit 1959 unter Naturschutz. Auf tschechischer Seite ist der weitaus größere Teil des Riesengebirges seit 1963 geschützt, dort heißt er Krkonošský Národní Park (KRNAP).
Große Teile des Riesengebirges stehen seit 1992 außerdem als Biosphärenreservat unter UNESCO-Schutz; es ist eines der umfangreichsten Naturschutzgebiete Europas.
Flora
An und für sich typisch für das Riesengebirge sind Buchen- und Mischwälder mit Bergulmen, Tannen, Fichten, Ahornbäumen; diese wurden in der Vergangenheit jedoch oft durch Fichten-Monokulturen ersetzt. Immerhin: nahezu verheilt sind die Narben des großen Waldsterbens der 1980er-Jahre.
Rund um Bergbauden liegen Heuwiesen und Weideflächen, die Heimat verschiedener seltener Pflanzen wie Böhmische Glockenblume, Schwalbenwurz-Enzian oder Gelbes Stiefmütterchen sind.
In den Höhenlagen des Riesengebirges ist es kühl und windig, die jährliche Durchschnittstemperatur auf dem Hauptkamm beträgt 0,1 Grad Celsius. An diese Bedingungen angepasst, finden sich oberhalb der Baumgrenze (1200m) dann oft einzig Krüppelholzgewächse bzw. kahle, freie Gipfel, auf denen nur noch Flechten und einige wenige, besonders resistente Pflanzen vorkommen (wie die Zwergprimel oder Alpenkuhschelle).
Typisch außerdem: Borstgraswiesen und Hochtorfmoore. Auf tschechischer Seite, nahe Špindlerův Mlýn (Spindlermühle) befindet sich auf einer Hochebene die Quelle der Elbe. Weiter unten, aus den dichten Fichtenwäldern ragen immer wieder bizarre Felsen auf (ähnlich wie im weiter westlich gelegenen Elbsandsteingebirge).
Fauna
Wie vielerorts sind auch im Riesengebirge die Braunbären seit dem frühen 19. Jahrhundert ausgerottet; ebenso Wolf, Luchs und Wildkatze.
Beheimatet sind im Riesengebirge heute kleinere Raubtiere wie Baum- und Steinmarder, Dachs und Mauswiesel. Außerdem leben in der Gebirgsregion Hirsche, Rehe, Mäusebussarde, Habichte und Sperber. Selten sind Auerhuhn und Haselhuhn, häufiger das Birkhuhn.
Kulturelles & Historisches
Das Riesengebirge galt lange Zeit als eine raue, unzugängliche Region; die Menschen wagten sich nur zögerlich dorthin. Als aber Geschichten von märchenhaften Goldfunden bekannt wurden, machten sich die Ersten, unter ihnen Abenteurer aus Italien, auf den Weg in die Berge. Sie suchten auch nach Halbedelsteinen, die sie dann vor allem im Isergebirge fanden (Bergkristalle, Achate, Jaspise). Um 1400 dann kamen sächsische Bergleute dazu und gruben nach Erzen. Eine lange Bergbaugeschichte begann.
Im Riesengebirge lassen sich viele verschiedene Gesteine finden, wie Glimmerschiefer und Gneise, Granite und Bergkristalle. Unter Edelsteinsuchenden und Bergleuten machten ab dem späten 16. Jahrhundert Erzählungen die Runde über Rübezahl, einen launischen Berggeist. Er ist die bekannteste Sagenfigur des Riesengebirges – in der Volksfantasie ein schalkhafter Waldschrat, der die Menschen neckt; sie in die Irre leiten, ihnen aber auch als Retter in der Not helfen kann.
Ins Riesengebirge kamen viele Schriftsteller: Johann Wolfgang Goethe wanderte von Krummhübel (Karpacz) zur Hampelbaude und zur Schneekoppe. Theodor Körner, Heinrich Kleist, Theodor Fontane und viele andere kamen. Die Kunstwissenschaft sieht im Riesengebirge einen der Geburtsorte der deutschen Malerei, die Berge inspirierten zahlreiche Maler zu vielen, heute berühmten Bildern, allen voran: Caspar David Friedrich. Er wanderte im Sommer 1810 von Dresden aus zur Schneekoppe; währenddessen sammelt er Motive, die er später in Riesengebirgsgemälde verwandelt … und die dieses kleine Mittelgebirge zum wohl ersten Sehnsuchtsziel werden ließen.
Im Panorama-Magazin geblättert
Auf vergessenen Spuren. Der „Alte Kammweg“ im Erz- und Riesengebirge. (DAV Panorama 3/2020 – zum Heft)
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