Es gilt das gesprochene Wort.
Sehr geehrte Damen und Herren,
nach nunmehr gut 40 Jahren in unterschiedlichen Funktionen endet morgen meine Zeit als DAV-Präsident. Von diesem Zeitraum konnte ich über 25 Jahre als Präsident die Entwicklungen des DAV aktiv mitgestalten. Das waren große und auch motivierende Herausforderungen für mich.
Rückblickend gibt es zahlreiche Entscheidungen und Weichenstellungen, die den DAV zu dem modernen Verein gemacht haben, wie er sich heute präsentiert. Ich möchte an dieser Stelle keine Aufzählung von allen wichtigen Situationen vornehmen, sondern mich auf einzelne besonders bemerkenswerte Stationen beschränken. Und ich teile mit Ihnen Gedanken, die mich und uns in der jetzigen Zeit bewegen. Meine Rede stelle ich deshalb unter das Motto:
Beginnen möchte ich mit den Geschäftsstellen.
Gleich nach meiner ersten Wahl im Jahr 1992 mussten wir zur Kenntnis nehmen, dass der Standort Praterinsel nur zu erhalten sein würde, wenn dort die Geschäftsstelle aufgegeben und ein reines Museum entstehen würde. In der Folge wurde die Bundesgeschäftsstelle in die Von-Kahr-Straße verlegt. Im Laufe der Jahre wurde dieser Standort, an dem keine Erweiterung möglich war, aber zu klein. Erneut mussten wir eine neue Bleibe suchen.
Mit dem ehemaligen Bürogebäude des Langenscheidt Verlags wurde 2015 ein geeignetes Objekt gefunden, das aber erst von Grund auf renoviert und saniert werden musste. Genau das bot die Gelegenheit ein Gebäude nach den Kriterien und Wünschen des DAV zu erstellen. Die im Februar 2021 in Betrieb genommene neue Bundesgeschäftsstelle in der Anni-Albers-Straße ist ein Muster für die Umsetzung von Nachhaltigkeit in der Verwertung von vorhandener Bausubstanz und im Betrieb eines modernen Bürogebäudes. Die Architektur und das Betriebskonzept passen genau zum DAV und sind darüber hinaus beispielgebend.
Die Realisierung des Museums
Der Umbau der Praterinsel zum Museum erwies sich als Glücksfall für den DAV, denn er konnte damit seiner Kulturarbeit ein neues und angemessenes Gesicht verleihen. Die seit der Einweihung 1996 im Museum präsentierten Ausstellungen und Veranstaltungen haben dem DAV in der Stadt München und darüber hinaus Ansehen und Anerkennung verschafft.
Antisemitismus im Alpenverein
Mit dem Start des Museums begann der DAV seine Geschichte systematisch zu hinterfragen. Die aktive Beteiligung des Alpenvereins am Antisemitismus schon Jahrzehnte vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten ist eine bittere Wahrheit. Seine Rolle als Mittäter während der Zeit von 1933 bis 1945 ebenso.
Die Erkenntnisse waren eindeutig und haben unmittelbaren Einfluss auf unsere Werte genommen, die die Basis für unsere Handlungen und unsere Entscheidungen sind.
Es ist unverzichtbar, dass wir uns gerade in dieser Zeit dazu bekennen und diese auch aktiv einfordern, denn Antisemitismus, Rassismus und Gewalt nehmen ungebremst zu. Dem treten wir weiterhin entschieden entgegen.
Gut 25 Jahre nach Museumseröffnung war es erforderlich, eine neue Konzeption für das gesamte Haus zu entwickeln. Aktuell ist der Umbau samt Generalsanierung in vollem Gang und wird zum Herbst nächsten Jahres abgeschlossen sein. Dann wird das Alpine Museum in vollkommen neuem Glanz erstrahlen und erweiterte, attraktive Perspektiven für eine zukunftsorientierte Kulturarbeit des DAV bieten.
Der Bergsport ist der Kern des DAV
Als sich im Jahr 1984 auf dem Symposium in Brixen das Sportklettern einen festen Platz erkämpft hatte, begann eine Entwicklung, die heute noch anhält und bei weitem noch nicht abgeschlossen ist. Damals hatte vermutlich niemand an den Bau von Kletterhallen, an Wettkampfformate oder gar an Olympische Spiele gedacht. Es ging darum, alte Traditionen aufzubrechen, weniger technische Hilfsmittel beim Klettern zu verwenden, den Fels auf sportliche Weise by fair means zu bezwingen. Das war die große Diskussion, die seinerzeit stattfand.
In der Folge entstanden erste Kletterwettkämpfe und bereits 1985 fand in München ein internationaler Wettkampf statt, an dem die ganze Weltelite teilnahm. Damit wurde der Grundstein für das Klettern in der Halle im DAV gelegt. Die Kletteranlage in München Thalkirchen brachte 1999 den Bau von Kletterhallen massiv ins Rollen und mit heute über 500 Kletterhallen unterschiedlichster Größe und Konzeptionen ist der Klettersport überall in Deutschland fest etabliert. In jedem Bundesland, in jeder Großstadt sind wir zu Hause und wir erobern auch den ländlichen Raum deutschlandweit.
Mit diesen Entwicklungen stellte sich nachdrücklich die Frage zur Position des DAV in der deutschen Sportlandschaft und einer Mitgliedschaft im Deutschen Sportbund. Es gab schwierige und teils sehr emotionale Diskussionen zu einem Beitritt, den die Hauptversammlung 1992 in Ingolstadt dann letztendlich beschloss. Wir sind das jüngste Kind in der olympischen Familie und der drittgrößte Verband im heutigen DOSB.
Heute sehen wir den Klettersport als eine Sportart, die sowohl im Breitensport als auch im Spitzensport fest verankert ist und über außerordentliche Attraktivität verfügt. Klettern als Wettkampfsportart ist national und international voll etabliert. Im DAV finden Wettkämpfe auf allen Ebenen und in allen Geschlechts- und Altersklassen sowie im Paraklettern statt.
Diese Entwicklung im Sportklettern hat den DAV in den letzten vier Jahrzehnten so verändert wie keine andere. Die Faszination des Sportkletterns ist ungebrochen. Klettern hat einen andauernden außerordentlichen Zulauf und ist zunehmend von den Bergen in die Städte eingezogen. Damit bietet es vielen Menschen, insbesondere den Kindern, Jugendlichen und Familien Gelegenheit, ohne großen Aufwand zu jeder Tageszeit Klettern zu können. Die Sektionen bieten dazu den notwendigen Rahmen und eine qualifizierte Betreuung.
Klimafolgen
Ehe ich zum Klimaschutz komme, spreche ich das Thema Klimafolgen an.
Der Gletscherabbruch an der Marmolata im Juli und der Bergsturz am Piz Cengalo im Jahr 2018 mit insgesamt mehr als zwanzig Todesopfern sind dramatische Ereignisse, die uns aufgeschreckt haben.
Kletterrouten und traditionelle Anstiege auf zahlreiche Gipfel der Alpen sind zeitweise oder ganzjährig aufgrund von Steinschlag nicht mehr begehbar. Der extreme Gletscherrückgang führt dazu, dass Gletscherquerungen nicht mehr möglich sind und damit Wege abgeschnitten werden. Im Zusammenwirken mit Starkregen verursacht die Gletscherschmelze ernsthafte Probleme bei der Trink- und Brauchwasserversorgung auf zahlreichen Alpenvereinshütten und der durch den Klimawandel verursachte Rückgang des Permafrostes ist die Ursache für Hüttenschließungen aufgrund von schwindender Bodenstabilität. In der Schweiz, in Frankreich und in Österreich sind in diesem Jahr mehr als zehn Hütten gesperrt gewesen und niemand kann konkret Auskunft darüber geben, ob sie überhaupt wieder geöffnet werden.
Wir müssen uns konkret damit befassen, wie wir mit diesen Ereignissen umgehen, wie wir reagieren wollen. Je nach Zielsetzung kommen grundlegend unterschiedliche Maßnahmen zum Tragen.
Eine Herangehensweise könnte darin bestehen, massive technische Mittel einzusetzen. So könnten Hütten mit einer Vielzahl von Betonankern gesichert werden. Gletscherübergänge könnten mit Hängebrücken überwunden werden und Trinkwasser könnte mit Hubschraubern zu den Hütten gebracht werden. Die ersten Hängebrücken sind in den Ötztaler Alpen bereits im Bau oder schon fertig installiert und in der Schweiz wird überlegt, aufgegebene Hütten an einem Ersatzstandort wieder zu errichten.
Ich frage Sie, sind das die richtigen Lösungen?
Eine andere Alternative könnte darin bestehen, die Veränderungen zu akzeptieren. Das würde sehr gut mit unseren Leitwerten, wie zum Beispiel dem Respekt vor der Natur in Einklang stehen. Das würde aber auch bedeuten, dass Hüttenstandorte aufgegeben werden, Wege nicht mehr begangen werden können. Verschiedene Gipfel und Wände könnten nicht mehr bestiegen werden.
Ich halte einen derart massiven technischem Einsatz für äußerst fragwürdig. Ich bin überzeugt, dass die Natur sich Bereiche zurückholen wird, die wir zuvor durch Hütten und Wege vereinnahmt haben.
Diese Sichtweise wird insbesondere diejenigen von Ihnen alarmieren, die Hütten in diesen Regionen haben und auch die Bergsteigerinnen und Bergsteiger, die auf Gipfel und attraktive Routen nicht verzichten wollen.
Daher besteht die dringende Notwendigkeit für einen abgestimmten Umgang mit den Klimaveränderungen, die weiter zunehmen werden.
Um eine weitere Zunahme dieser Klimafolgen zu verhindern, gilt es präventiv zu wirken. Ich bin damit beim Thema:
Klimaschutz
Der permanent fortschreitende Klimawandel hat im DAV vor etwa vier Jahren eine breite Diskussion in Gang gesetzt. Diese führte dazu, dass der Schutz des Klimas eine zentrale Position in den Aktivitäten einnimmt und auf allen Ebenen des Vereins verankert wurde. Klimastrategie und Klimaschutzkonzept geben anspruchsvolle Ziele zur Reduktion der Emissionen, die durch den DAV verursacht werden, vor. Alle dazu notwendigen Grundsatzbeschlüsse wurden unter großer Akzeptanz mit sehr großen Mehrheiten gefasst.
Mit einer gewissen Ernüchterung müssen wir nun feststellen, dass die Umsetzung wesentlich mehr Energie und Engagement von allen Beteiligten verlangt, als die meisten von uns je erwartet hatten. Trotzdem zeigt das erste Jahr der Umsetzungsphase ermutigende Ergebnisse, wenn auch nicht die erhofften Fortschritte erreicht wurden. Das lag auch an uns, es machen nicht alle mit.
Es ist offenkundig, dass in fast allen Bereichen, sei es zum Beispiel bei der Bilanzierung, in der Kommunikation, in der Erstellung der IT-Infrastruktur, trotz umfangreicher Personaleinstellungen mehr Kapazitäten benötigt werden. Der selbst auferlegte hohe Zeitdruck bis 2026 eine Einsparung von 30 Prozent und bis 2030 die Klimaneutralität zu erreichen, führt an manchen Stellen zu Unzufriedenheit. Das spüren wir mehr und mehr.
Ich werbe nochmals ausdrücklich für die Einhaltung unserer gemeinsam beschlossenen Zielsetzungen und möchte dazu ermuntern, nicht nachzulassen und zielgerichtet den Klimaschutz voranzutreiben. Das erfordert eine konsequente Überzeugung und sehr viel Durchhaltevermögen. Es ist ganz offensichtlich, dass wir uns auf dem richtigen Weg befinden. Denen, die sich bisher noch abwartend oder zurückhaltend verhalten, rufe ich zu – Geben Sie sich den notwendigen Ruck und steigen Sie mit ein. Es gibt keine Alternative zu diesem eingeschlagenen Weg!
Aktuelle Krisen
Diese Erkenntnis gilt auch und gerade vor dem Hintergrund der letzten zweieinhalb Jahre. Sie haben den DAV vor vollkommen unerwartete und gravierende Herausforderungen gestellt. Die Pandemie hat uns von einem Tag auf den anderen getroffen. Das Vereinsleben kam schlagartig zum Erliegen. Unter Beteiligung aller im DAV ist es in gelungen, diese Krise erfolgreich zu bestehen. Die darin zum Ausdruck gekommene Solidarität ist beeindruckend und wegweisend. Sie zeigt den Zusammenhalt im DAV. Mein besonderer Dank gilt meinen Präsidiumskolleg*innen, dem Verbandsrat, allen Sektionsvorständen und besonders den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bundesgeschäftsstelle, die teilweise über die Belastungsgrenze hinaus gearbeitet haben.
Kaum hatten wir gehofft, wieder einigermaßen normal arbeiten zu können, als Russland den schrecklichen und durch nichts begründbaren Krieg gegen die Ukraine begann. In der Ukraine zeigt sich, wie verletzlich unser geopolitisches System ist. Wir sind aus einer Atmosphäre der Sorglosigkeit und der Selbstverständlichkeit aufgeschreckt worden. Die Erwartungen an Wohlstand und Prosperität zerplatzen geradezu. Die Folgen dieses Krieges treffen alle, wenn auch auf sehr unterschiedliche Weise und Intensität.
Für den DAV bedeutet dies, dass wir insbesondere mit kaum einschätzbaren Kostensteigerungen umgehen müssen. Praktisch alle unsere Aktivitäten und Bereiche sind davon betroffen. Das Präsidium ist sehr besorgt darüber, dass bei Überschreitung von derzeit noch nicht klar definierbaren Grenzen, Leistungen reduziert werden müssen. Dies würde sowohl den Bundesverband als auch die Sektionen treffen.
Bisher konnten inflationsbedingte Kostensteigerungen durch Mitgliederwachstum relativ einfach kompensiert werden. In diesem Jahr werden wir erstmals trotz eines deutlichen Mitgliederwachstums nur ein Viertel der Inflation kompensieren können. Unsere jeweiligen Budgets werden ab sofort enger ausgestattet sein.
Wir und das Umfeld um uns herum haben sich durch die Pandemie, den Krieg und den Klimawandel innerhalb weniger Jahre oder gar Monate in bisher nicht gekanntem Ausmaß verändert. Es sind auch die Kräfte von außerhalb, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen.
Obwohl diese äußeren Einflüsse eine Vereinsentwicklung erschweren, stellt der DAV seine Widerstands- und Entwicklungsfähigkeit immer wieder unter Beweis. Das zeigt sich in seinen Zukunftsprojekten Digitalisierung, Kommunikation und im Klimaschutz.
Die JDAV
Unsere DAV Jugend ist und bleibt eigenständig. Sie wächst und gedeiht.
Die Zukunftsorientierung des Deutschen Alpenvereins lässt sich eindrucksvoll an dieser Jugend ablesen. Die JDAV hat sich in einer Weise entwickelt und etabliert, um die uns andere Verbände in der deutschen Sportlandschaft beneiden.
Als eigenständige Organisation innerhalb des DAV bestimmt sie selbst über ihre Zielsetzungen, Aktivitäten und Wertevorstellungen. Es ist beeindruckend mit welchem Verantwortungsbewusstsein sie den Austausch mit allen Bereichen des Vereins wahrnimmt und sich aktiv beteiligt. Die Zusammenarbeit mit der Jugend hat mir in all den Jahren eine besondere Freude bereitet und mich motiviert. Sie ist gerade in diesen schweren Zeiten so wichtig.
Wir alle sind Mutmacher und Krisenmanager zugleich. Die aktuell wirklich schwierigen Zeiten geben Anlass zu besonderer Aufmerksamkeit, zu abgewogenem und zu besonnenem Handeln. Sie sind keineswegs Anlass zu Pessimismus oder gar Panik. Aber sie verlangen einen angemessenen und konsequenten Umgang.
Ich wiederhole an dieser Stelle: Wir haben aus unserer Geschichte gelernt. Wir treten ein für Freiheit, Respekt, Toleranz und Offenheit.
Der DAV hat in den letzten vier Jahrzehnten eine äußerst positive Entwicklung genommen, auf die wir alle gemeinsam mit Zufriedenheit und Stolz zurückblicken können. Eine Entwicklung, die solide und nachhaltig gestaltet wurde. Genau daraus erhalten wir das notwendige Selbstvertrauen und auch Selbstbewusstsein.
Unsere besondere Stärke ist unsere ausgeprägte Solidarität. Die innere Verbandsstruktur und das außergewöhnliche ehrenamtliche Engagement bilden hierfür die Basis. Ich bin überzeugt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Ich bin überzeugt, dass große Kontinuität uns auch zukünftig auszeichnen wird. Und ich bin überzeugt, dass wir mit dem Präsidium, dem Verbandsrat, genauso wie bei Ihnen in den Sektionen, über hervorragende Teams verfügen. Gemeinsam bestehen wir die vor uns liegenden Herausforderungen.
Mein Motto: Herausforderungen als Motivation und Motor für Menschen.
Menschen sind mir immer wichtig gewesen. Der DAV ist und bleibt nahe bei den Menschen, das ist mein Wunsch für die Zukunft.
Alles Gute, DAV!