Jo, Franz und Hanna (v.l.) queren auf ihrer eigenen Route gemeinsam die Alpen.
Hanna und Franz (v.r.) begleiten mich auf der Tour meines Lebens. Foto: DAV/Güntner
Alpenüberquerung von Kelchsau nach Kasern

Die Tour meines Lebens

Dieses Jahr stelle ich mich meiner größten Herausforderung: In vier Tagen quere ich mit meinen Kolleg*innen Hanna und Franz auf einsamen Wegen die Alpen.

Ein regnerischer Start

Erst als wir bei strömendem Regen am Startpunkt unserer Tour stehen, realisiere ich, auf was ich mich eingelassen habe: Vier Tage, knapp fünfzig Kilometer und etwa 5700 Auf- beziehungsweise Abstiegsmeter liegen vor uns. Als Fortsetzung der DAV-Videoserie Sommer Meines Lebens sollte eigentlich mein Kollege Markus diese Alpenüberquerung machen. Stattdessen sitzt Markus mit einem verletzten Fuß zuhause und ich stehe tropfend im Kurzen Grund in Kelchsau. Eine Mehrtagestour habe ich vorher noch nicht gemacht.

Aufgeregt und voller Erwartungen starte ich gemeinsam mit meinen Kolleg*innen Hanna und Franz unseren Aufstieg zur Neuen Bamberger Hütte (1756 m). Der anhaltende Regen lockt zahlreiche Alpensalamander heraus. Auf dem matschigen Weg müssen wir ständig aufpassen, nicht auf einen draufzutreten. Kurz nachdem wir den Schutz der Bäume verlassen, hört der Regen auf. Pünktlich zum Abendessen stehen wir nach zwei Stunden Wanderung vor der Neuen Bamberger Hütte. Es war eine kurze erste Etappe, perfekt für mich zum Einlaufen.

Bei Nebel ins Salzburger Land

Am nächsten Morgen geht es für uns bei Nebel hinauf ins Hochgebirge. Da ich die Chance nutzen und auf unserer Tour noch einen Gipfel mitnehmen will, ist unser erstes Ziel der 2361 Meter hohe Tristkopf. Um uns herum leuchtet der Almrausch rosa in den Hängen und überall plätschern kleine Bäche ins Tal. Durch die satte grüne Postkartenlandschaft steigen wir immer weiter auf. Um auf den Tristkopf zu gelangen, müssen wir kurz vorm Gipfel ein Schneefeld queren – eine Premiere für mich. Ungeübt folge ich vorsichtig Hannas Spur auf die andere Seite. Wenige Minuten später stehe ich auf meinem bisher höchsten Gipfel.

Unsere Jause packen wir hier oben gar nicht erst aus. Der kalte Wind ist zu stark und auch die erhoffte Aussicht bleibt aus. Stattdessen machen wir uns direkt wieder an den Abstieg über das Nadernachjoch (2100 m). Zwischen Wollgras und Pferdeherden schlängelt sich der Weg durch den Almboden nach Krimml. Nach fast sechzehn Kilometern und etwa zweitausend Höhenmetern auf und ab falle ich abends erschöpft ins Bett.

Mit Muskelkater ins Herz des Nationalpark Hohe Tauern

Die dritte Etappe unserer Alpenüberquerung führt uns an den Krimmler Wasserfällen entlang ins Krimmler Achental. Während ich versuche, mich durch die höchsten Wasserfälle Österreichs von meinem Muskelkater ablenken zu lassen, schaut Franz mit Sorge aufs Wetter. Am Nachmittag soll ein Unwetter aufziehen. Um es rechtzeitig auf die Richterhütte (2374 m) zu schaffen, kürzen wir unseren Weg mit dem Hüttentaxi um gut zehn Kilometer ab.

Vom Krimmler Tauernhaus (1622 m) steigen wir auf ins Rainbachtal. Bis zur Richterhütte müssen wir noch zwei Schneefelder queren. Am Ende der Etappe kommen wir müde aber noch vor dem Gewitter auf der Hütte an, wo noch deutlich mehr Schnee liegt als gedacht. In der warmen Stube planen wir unseren morgigen Übergang nach Südtirol.

Müssen wir unsere Tour abbrechen?

Über Nacht schneit es. Wir entscheiden uns, trotzdem zur Windbachscharte (2693 m) aufzusteigen, um uns ein Bild von der Schneelage im Talkessel bis zum Krimmler Tauern (2634 m) zu machen. Immerhin spielt das Wetter heute mit und wir haben freie Sicht auf das Rainbachkees und die umliegenden Gipfel. Ich hingegen habe nur die gespurten Tritte im Schnee vor mir im Blick. Wir queren ein Schneefeld nach dem anderen. Die Anspannung, die sich mit der Unsicherheit über das Ende dieser Tour in die Gruppe eingeschlichen hat, ist deutlich zu spüren. Als Franz dann auch noch die Kamera einpackt, weiß ich, dass die Lage ernst ist.

Kurz unterhalb der Windbachscharte halten wir an einem großen Schneefeld an. Nach kurzem Abwägen beschließt Franz, ohne uns weiterzugehen. Er will oben an der Scharte nachschauen, ob sich der Aufstieg über das steile Schneefeld für uns lohnt. Ich beobachte mit einem mulmigen Gefühl, wie er sich mit zwei Steinen in der Hand einen Weg durch den Schnee bahnt. Ob wir diese Tour heute hier abbrechen müssen?