Der Mix machts
Grund genug, unseren Körper optimal mit Nährstoffen zu versorgen. Doch was genau heißt das?* Welche speziellen Empfehlungen gilt es zu beherzigen, damit der Körper am Berg nicht im ungünstigsten Moment schlapp macht? Damit unsere Freizeitaktivitäten eher Freude als Qual sind – auch, wenn wir hier und da vielleicht unsere persönlichen Grenzen verschieben.
Das Wichtigste vorweg: die Frage der idealen Ernährung zielt auf unser Wohlbefinden, auf die körperliche und geistige Fitness. Eine optimale Leistungsbereitschaft erreicht unser Körper dann, wenn unsere Alltagskost ausgewogen und vollwertig ist. Wenn wir Nährstoffe – Kohlenhydrate, Proteine und Fette sowie Vitamine und Mineralien – täglich und langfristig in einem gesunden Mix zu uns nehmen. Dabei ist es nebensächlich, ob wir auf den Berg wollen oder lieber im Tal bleiben.
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt eine Ernährung auf überwiegend pflanzlicher Basis: Idealerweise mindestens drei Portionen Gemüse und zwei Portionen Obst am Tag. Alles sollte möglichst frisch und nur kurz gegart sein. Dazu Hülsenfrüchte und Nüsse, Brot, Getreide, Reis, Kartoffeln und Nudeln. Außerdem täglich Milchprodukte, hin und wieder Fleisch, Fisch und Eier und nur sehr sparsam Süßigkeiten.
Die wahrscheinlich meisten werden sich dabei an die Ernährungspyramide erinnern, die in der Schule erklärt wurde. In letzter Zeit wurde diese Pyramide justiert und verfeinert. Und wo bis in die frühen 2000er Jahre noch kohlenhydrathaltige Lebensmittel das Gros der empfohlenen Nahrung ausmachten, geht der Rat heute zu einer Ernährung, in der Obst und Gemüse die prozentual größte Rolle spielen. Denn im Durchschnitt haben wir längst nicht mehr so viel Bewegung wie die Menschen vor, sagen wir, 50 Jahren - für unsere oftmals sitzenden Tätigkeiten brauchen wir weniger schnell verfügbare Kohlenhydrate.
Soweit zum idealen Alltag. Doch wie sieht das am Berg während der Brotzeit aus? Wie am Vorabend einer großen Tour? Und wie danach? – Genügen die grundsätzlichen Empfehlungen oder braucht der Körper für bestimmte Aktivitäten doch noch eine extra Portion Energie?
Das A & O: Genügend Flüssigkeit
Wasser ist die Grundlage allen Lebens. In Extremsituationen kommen Menschen mitunter wochenlang ohne Nahrung aus. Jedoch nur einige wenige Tage ohne Wasser.
Schon ohne sportliche Aktivität benötigt der Körper pro Tag 1,5 bis 2 Liter Flüssigkeit. An Tagen, an denen wir am Berg unterwegs sind, sollte die Trinkmenge um mindestens einen halben Liter erhöht werden, besser mehr. Dabei kann es hilfreich sein, ein Trinkblasensystem zu nutzen. Weil der Schlauch immer griffbereit ist, trinkt man im Vergleich zur traditionellen Flasche im Rucksack etwa 30 Prozent mehr. Wasser ist für gewöhnlich genug; bei starkem Schwitzen lässt sich der Elektrolyt- und Mineralhaushalt mit isotonischen Getränken in Balance halten. Dafür braucht es keine „Sportgetränke“ – Saftschorlen oder ein alkoholfreies Weißbier reichen aus.
Motor für den Bergsport: Kohlenhydrate
Wer in der Freizeit sportelt – bei regelmäßiger Aktivität, wohlgemerkt – sollte dann doch wieder auf einen etwas höheren Anteil an Kohlenhydraten in der Ernährung setzen. Denn Kohlenhydrate sind die wichtigste Energiequelle für unsere Muskeln, bei Ausdauersportarten machen sie daher idealerweise 50 bis 60 Prozent der Nahrung aus. So ist morgens ein Marmeladenbrot eine gute Wahl: Die schnell vom Körper aufnehmbaren Einfachzucker der Marmelade erleichtern den Start in den Tag, die komplexeren Mehrfachzucker können später abgerufen werden. Und auch Müsli mit Joghurt dankt der Körper.
Am besten liegen zwischen der Mahlzeit und der sportlichen Aktivität zwei bis drei Stunden. Denn für die Verdauung wird mehr Blut gebraucht, das derweil in der Muskulatur nicht zur Verfügung steht. Wer allzu schnell antritt, fühlt sich eventuell träge oder bekommt Magenschmerzen.
Vor allem für Ausdauersportarten wie das Wandern oder (Ski-)Bergsteigen hat man idealerweise immer noch einen energiereichen und leicht bekömmlichen Snack dabei. Nach persönlicher Vorliebe bieten sich vor allem Trockenobst, Müsliriegel oder auch Bananen an. Letztere sind wahre Energiebomben unter den Obstsorten, außerdem beinhalten sie viele wichtige Nährstoffe wie Kalium und Magnesium.
Am besten bis zu zwei Stunden nach der Aktivität am Berg nimmt man dann wiederum leicht verdauliche Kohlenhydrate, etwas Eiweiß und wenig Fett zu sich. Zu empfehlen unter anderem: Mehlspeisen. Wie passend, wenn der Kaiserschmarrn das Lieblings-Hüttenessen ist.
Mit Schmackes durch die Wand: Proteine für Kraftausdauer
Wie sieht es nun aber bei Bergsportarten wie dem Klettern aus, wo nicht allein Ausdauer, sondern auch Kraft eine Rolle spielt? Gibt es eine „richtige Ernährung“ fürs Klettern? Die Antwort lautet: Jein. Die Ernährung sollte auch fürs Klettern vor allem abwechslungsreich sein. Während die einen dabei aufs Frühstück schwören, ist für andere die wichtigste Mahlzeit erst das Abendessen.
Besonderes Augenmerk, könnte man meinen, liegt für Kletter*innen auf den Proteinen. Schließlich bestehen Muskeln hauptsächlich aus ihnen. Auch hier gilt: Ausgewogenheit ist Trumpf. Und selbst bei kraftbetonten Aktivitäten sollte im Freizeitbereich auf Nährstoffergänzungsmittel verzichtet werden. Der Eiweißbedarf lässt sich besonders gut und auf ganz natürliche Weise mit Hülsenfrüchten und auch Getreiden decken, hin und wieder darf es auch etwas Fleisch sein. Fehlt dem Körper Eiweiß, meldet er sich oft irgendwann lautstark mit Heißhunger, Müdigkeit und auch fehlender Konzentration.
Die Sache mit den Fetten
Für alle, die klettern oder generell ihre Freizeit mit Bergsport füllen, spielen Fette eine untergeordnete Rolle und sollten – wie allgemein empfohlen – maximal 30 Prozent der Ernährung ausmachen. Ideal sind hochwertige, mehrfach ungesättigte Fettsäuren. Sie stecken in vielen Pflanzenölen oder auch in Nüssen.
Mängel erkennen: Vitamine & Mineralien
Last but not least: Für die Gesundheit und Leistungsfähigkeit essentiell sind Vitamine und Mineralstoffe. Mit einer ausgewogenen, energiebedarfsdeckenden Ernährung erreicht man – auch als Bergsportler*in – die Referenzwerte ohne Weiteres. Dennoch gibt es bei Langzeitbelastungen, wie sie bei Ausdauersportarten am Berg eintreten, einige kritische Nährstoffe. Mangelt es an ihnen, schickt der Körper Signale. Zu diesen Nährstoffen zählen vor allem Eisen, Kalzium, Natrium und Magnesium. Genauso wie Vitamin D.
Insbesondere durch das Schwitzen verliert der Körper viele dieser Nährstoffe. Ein möglicher Magnesiummangel beispielsweise äußert sich unter anderem durch Wadenkrämpfe und Verspannungen. Wenn also nach langen Touren mit selbst dem bestsitzenden Rucksack der Nacken öfter schmerzt, kann der regelmäßige Griff zu Kürbis- sowie Sonnenblumenkernen helfen. Sie gehören zu den unangefochtenen Spitzenreitern unter den magnesiumreichen Lebensmitteln.
Auf Natriummangel, also zu wenig Salz im Körper, reagiert der Körper besonders empfindlich. Er kann sich mit Unwohlsein und Symptomen wie Kopf- und Muskelschmerzen, aber auch Übelkeit und Erbrechen bemerkbar machen. Natrium ist ein natürlicher Bestandteil des Wassers, etwa vier Milligramm finden sich in 100 Milliliter Trinkwasser. Signalisiert einem der Körper Durst und reagieren wir mit Flüssigkeitszufuhr, so kommen Wasser- und Elektrolythaushalt gleichermaßen wieder in Balance – eine höchst präzise, natürliche und lebenswichtige Steuerung.
Stichwort: Superfood
Was ist nun also die perfekte Verpflegung am Berg? Ein Avocadosandwich und Müsliriegel mit Chiasamen und Gojibeeren? Die Nährwerte sprechen dafür, mit besonders vielen Ballaststoffen, besonders vielen Spurenelementen, einem hohen Gehalt an ungesättigten Fettsäuren. Der Hype um diese „Superfoods“ auch. Dabei ist bei genauerer Betrachtung der gesundheitliche Mehrwert im Vergleich zu heimischen Früchten und Gemüsen häufig nicht gegeben. Im Gegenteil: oft sind solche Superfood-Produkte stark schadstoffbelastet und – weil von weit her – durch eine schlechte Ökobilanz gekennzeichnet. Hinzu kommen weitere Umweltprobleme durch den Plantagenanbau, wobei zum Beispiel inzwischen das Trinkwasser für die heimische Bevölkerung knapp wird.
Wer zu derartigen Problemen nicht beitragen möchte, muss schon sehr genau hinschauen und möglichst regional kaufen. Auch hierzulande wächst vieles, das mit exzellenten Nährwerten aufwartet und den weitgereisten Superfoods durchaus Konkurrenz machen kann. Leinsamen können beispielsweise genauso viel wie Chiasamen, Hirse ist eine gute Alternative zu Quinoa, Walnüsse liefern genau wie Avocados wertvolle Inhaltsstoffe – und sind dabei auch praktischer am Berg. Nur die Banane werden viele nicht gleich komplett von ihrer Liste streichen wollen. Doch auch hier gilt: es braucht gar kein kompletter Verzicht sein, viel wichtiger ist auch am Berg der bewusste Umgang mit unseren Energiequellen.
Ernährungsmantra & Berggenuss
Klingt eigentlich ganz plausibel? Droht man dennoch mal wieder den Überblick zu verlieren über die diversen Diäten und Ernährungs-Empfehlungen, kann also als Mantra gelten: abwechslungsreich, regional und saisonal.
Alpenvereinshütten, die besonderes Augenmerk auf die Regionalität (und damit automatisch Saisonalität) von Speisen und Getränken legen, erkennt man an der „So schmecken die Berge“-Plakette.
Liegt keine Hütte auf dem Weg, dann tut’s auch die gute, alte Stulle. Als Kalorienlieferanten für Zwischendurch ein paar Nüsse, Trockenfrüchte oder Müsliriegel, ergänzt um einen Traubenzucker, als Energieboost, wenn die Kräfte unerwartet schwinden.
Ansonsten hilft es, sich seiner Vorlieben bewusst sein, in diese aber auch ebenso bewusst einzugreifen und sie zu steuern. Schließlich, das dürfte allerspätestens jetzt klar sein, werden Wohlbefinden und „Leistung“ am Berg maßgeblich von der richtigen Ernährung beeinflusst.
Sonstige Tipps & Tricks
Bei kühleren Temperaturen, speziell im Winter, darauf achten, genügend Flüssigkeit zu sich zu nehmen (bspw. auch in Form einer Brühe aus der Thermoskanne)
Manche schwören aufs „Vor-Essen“, vor einer Mehrtagestour. – Das kleine Energiepolster auf den Hüften (ver-)schwindet am Berg bald wieder.
Bei der Entscheidung für zusätzliche Snacks und Zwischenmahlzeiten kann das Packmaß ausschlaggebend sein. Dafür auf die (mitunter sehr unterschiedlichen) Energie-/Kaloriengehalte von Riegeln etc. achten.
Wer regelmäßig, auch im Winter und auch an trüben Tagen raus geht, beugt Vitamin-D-Mangel vor und hebt so die Stimmung. Unter Einwirkung von UV-Strahlen stellt der Körper das Vitamin selbst her.
*in diesem Text verzichten wir bewusst darauf, auf Fragen von Lebensmittelunverträglichkeiten sowie von vegetarischer oder veganer Ernährung einzugehen.