Mentale Stärke ist die Fähigkeit, auch unter kritischen Bedingungen wie Stress oder hohem Leistungsdruck, leistungsfähig und vor allem souverän zu bleiben. Es geht darum, z. B. an ausgesetzten Stellen nicht in unkontrollierbare Nervosität bis hin zur Panik zu geraten, sondern seine Gedanken und Gefühle unter Kontrolle zu bringen, Ruhe zu bewahren und das eigene Können gezielt einzusetzen. Und ja es darf auch Spaß machen!
Mentale Stärke hilft insbesondere bei:
Unsicherheit, Nervosität und Angst, z. B. bei der Querung eines Grates, ausgesetzten Stellen, aufziehendem Gewitter oder auch bei Orientierungsschwierigkeiten, wenn man sich verlaufen hat
Heiklen Entscheidungssituationen, z. B. rechtzeitiges Abbrechen/Umdrehen bei einer Tour, Wahl der Tour bei schwierigen Wetterbedingungen und bei einer Unfallsituation
In kritischen Gruppensituationen Ruhe zu bewahren und für sich die richtige Entscheidung treffen
Rehabilitation nach einer Verletzungspause
Der Spitzensport hat das mentale Training längst für sich erkannt und nutzt es sehr erfolgreich, um vor allem in Wettkampfsituationen optimale Leistungsfähigkeit abzurufen.
Mentale Stärke alleine ersetzt weder körperliche Fitness und Können, noch bergwanderspezifisches Wissen wie Tourenplanung und Wetterkunde. Für eine Beurteilung der Gefahren am Berg braucht es weiterhin fachliche Ausbildung und Erfahrung.
Panik, Phobien und andere Angststörungen können nicht alleine mit einem Mentaltraining am Berg behandelt werden. Dazu braucht es ärztliche oder psychologische Unterstützung.
Die wichtigsten Schlüssel und Methoden, mentale Stärke einzusetzen, sind:
Die Atmung bewusst einsetzen und mit gezielten Atemübungen die Nervosität und Angst regulieren (siehe auch Hyperventilation). Das beginnt mit einem bewusst gesetzten tiefen Atemzug, um sich zu stärken oder einem verlängerten Ausatmen, um sich zu beruhigen und zu sammeln.
Die Aufmerksamkeit bewusst lenken und kontrollieren – vom Wettergeschehen bis hin zu den eigenen Gefühlen, um frühzeitig angemessen reagieren zu können!
Wichtig ist hierbei auch die Blicksteuerung: Sobald man das „Problem“ erkannt hat („Hier ist eine absturzgefährdete Passage“), gilt es, sich auf die Lösungsaspekte des Problems zu fokussieren („Fünf Meter vor mir ist der Weg besonders schlecht, bis dahin geht es aber gut“).
Regulation der eigenen Gedanken durch Selbstanweisungen z. B. „Ich weiß, dass ich trittsicher bin“, „Ich kann einen solchen Weg Schritt für Schritt sicher gehen“, „Ich habe gutes Schuhwerk“, „Ich sammele mich und dann weiß ich, dass ich die nächsten 10 Meter auch ruhig bleiben kann“, „Wenn es schwieriger wird, lasse ich X vorgehen und gehe in seinen*ihren Tritten.“
Körperhaltung und Muskelspannung gezielt einsetzen und regulieren.
Gezielte Visualisierungsübungen – das Spannende dabei ist: Unser Gehirn unterscheidet nicht zwischen Vorstellung und Realität; die wiederholte Vorstellung einer Bewegung erzeugt ähnliche biophysiologische Prozesse im Gehirn wie die tatsächlich durchgeführte Bewegung. Es wird sozusagen neues Verhalten im Trockentraining geübt. In Kombination mit effektivem Training hat es natürlicherweise die größten Effekte.
Hilfreiche Tipps und Übungen findest du im Buch „Mental stark am Berg“ von Maya Lalive und Jan Rauch (Schweizer Alpen Club, SAC) sowie im Buch „Berggenuss statt Höhenangst“ von Petra Müssig.
Nicht alle Menschen sind in der Lage, sich durch Training an ausgesetzte Bergwege zu gewöhnen. Souveränitätsgefühl und mentale Stärke kann nicht erzwungen, sondern höchstens trainiert werden. Schlussendlich muss jede*r für sich herausfinden, wo die persönliche Wohlfühlgrenze aktuell liegt und wie weit man diese verschieben will. Auch das ist bereits mentale Stärke.
Hier geht's zum Glossar mit weiteren wichtigen Begriffen aus dem BergwanderCheck.