Im Oktober 2022 war er das jüngste Mitglied der DAV-Sektion Coburg, kein Jahr später der jüngste Hüttenbesucher, der je auf dem Refuge de Petra Piana am GR 20 zu Gast war: Matteo ist knapp eineinhalb Jahre alt und hat schon jede Menge Berg- und Reiseerfahrung gesammelt. Seine Eltern Sara und Hannes haben die gemeinsame Elternzeit letzten Sommer intensiv genutzt: drei Wochen Korsika mit einigen Etappen auf dem alpinen Fernwanderweg GR20, dann nach Österreich und Italien, weiter über Kroatien und Bosnien und Herzegowina bis nach Montenegro und Albanien. Während der Schulferien hat Hannes neunjähriger Sohn Oliver das Trio ergänzt. „Die beiden Jungs lieben sich“, freut sich der Papa.
Jüngster Übernachtungsgast am GR 20
Gemeinsam in den Bergen sind Hannes und Sara, seit sie sich kennen: „Früher haben wir auf der Ladefläche unseres Kombis übernachtet“, erzählt Hannes. „Zu dritt oder zu viert und mit mittlerweile deutlich mehr Gepäck ist jetzt immer das Zelt dabei, hin und wieder mieten wir auch eine kleine Ferienwohnung. Auf der Balkanreise haben wir uns einfach treiben lassen und wussten nicht genau, wohin der nächste Tag uns führt.“ Eine entspannte Einstellung, während manchen Eltern vielleicht schon der bloße Gedanke an spontanes Reisen durch Europa oder Mehrtagestouren durch alpines Terrain den Schweiß auf die Stirn treibt. Ob sie dafür unterwegs auch mal negative Kommentare ernten? „Es gibt schon Leute, die das selbst nie machen würden und das dann entsprechend doof oder unverantwortlich finden. Zum Beispiel im Zelt zu übernachten. Gerade wenn es nachts nur acht oder neun Grad hat oder es regnet und man trotzdem weiterläuft, kommt das schon mal vor“, sagt Hannes. Doch Sara ergänzt: „Auf der anderen Seite gibt es sehr viel Zuspruch und ganz viele neugierige Fragen, wie in der Hütte am GR 20.“
Das wundert nicht, schließlich ist der korsische Fernwanderweg alles andere als ein kinderwagenfreundlicher Panoramaspaziergang. Und mehr als ein paar Tage am Stück wandern wird dann doch etwas schwierig. Schwerer Rucksack, Kraxe, Windeln (auf korsischen Hütten gibt es Mülleimer) und Proviant für die eine oder andere Zeltübernachtung – beim Familien-Outdoor-Abenteuer kommt einiges zusammen. Wobei die Abenteuer dieser Bergfamilie stets gut geplant und durchdacht sind, schließlich sind Sara und Hannes sehr bergerfahren und vorausschauend, haben von klein auf viel Zeit in der Natur verbracht. Und dass Matteo Bergluft, Zelten oder auch Hüttenübernachtungen gut bekommen, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass er selbst in einer rappelvollen Hütte mit vielen fremden Menschen völlig entspannt und gut gelaunt von Tisch zu Tisch krabbelt und sein Spielzeug herzeigt. Auch in der Kraxe sitzt er besonders gern, schaut in die Landschaft oder schläft, während der Papa ihn durch die Gegend schaukelt. Und zu Hause sitzt Matteo im geländegängigen Kinderwagen, mit dem Hannes auch die steilsten Wege rund um Coburg hochläuft. „Autofahren klappt dagegen sehr schlecht“ – so das Fazit der Eltern.
In und mit der Natur aufwachsen, das ist Sara und Hannes bei Matteo und Oliver sehr wichtig: „Ich möchte vermeiden, dass Unterhaltung mit Fernseher oder Tablet für unsere Kinder zur Normalität wird. Und ich möchte zeigen, dass kurze Wege auch zu Fuß oder mit dem Rad statt mit Bus oder Auto möglich sind“, sagt Hannes. Dass Kinder sich draußen gern und viel bewegen, ist kein Selbstläufer, dem Nachwuchs muss es in erster Linie Spaß machen. Damit das funktioniert, braucht es einen entsprechenden Anreiz – bei Oliver sind das unter anderem Klettersteige. „Bei zu langen Wanderungen wird es ihm langweilig, wie jedem Kind. Letztes Jahr war ich mit ihm in den Dolomiten unterwegs und er wollte von sich aus unbedingt einen Dreitausender besteigen. Das war echt schön.“ „Wir möchten zeigen und weitergeben, was uns gefällt, was uns die Natur und die Berge geben“, ergänzt Sara. „Matteo muss kein Bergsteiger werden, den Respekt vor der Natur weiterzugeben, das ist entscheidend.“ „Wobei ich schon traurig wäre, wenn ein gemeinsamer Bergurlaub nicht mehr möglich ist, weil er irgendwann auf 5-Sterne-Komfort und Strandurlaub umschwenkt“, schiebt Hannes mit einem Zwinkern hinterher.
Hannes ist in Ostdeutschland aufgewachsen, ab 1990 war er mit seinen Eltern und der Schwester regelmäßig in den Alpen unterwegs, zum Beispiel im Elbsandsteingebirge und überall dort, wo es möglich war. Draußen sein, Campen und die Liebe für die Berge wurden ihm schon in die Wiege gelegt. Besonders Skitouren sind seine große Leidenschaft, alpiner Meilenstein war 2013 der Peak Lenin (7134 m) in Kirgistan. Für Hannes sind die Berge essenzieller Bestandteil seines Lebens: „Wenn ich nicht regelmäßig in die Berge gehe, geht es mir nicht gut.“ Sara kommt aus Venedig, ihre bergbegeisterte Familie hat bis heute eine Ferienwohnung in der Nähe der Drei Zinnen. Wandern und Hüttenübernachtungen in den Dolomiten gehörten für sie schon als Kind „einfach dazu“, ebenso Zeltlager mit der Jugendgruppe, wo sie vom Knotenbinden bis zum Essenkochen so ziemlich alles gelernt hat, was outdoor nützlich ist. Vom Vater geerbt hat sie die Kletterleidenschaft, Mehrseillängen wie in den Dolomiten steigt in der Regel Sara vor. Zuhause klettern Hannes und sie in der ehrenamtlich betriebenen Coburger Kletterhalle, wo beide regelmäßig auch beim Thekendienst helfen. Matteo ist inzwischen oft mit dabei und wird von allen gern gesehen.
Über den italienischen Alpenverein CAI kam bei Sara die Leidenschaft für Ski- und Hochtouren dazu, was wiederum den Grundstein für ihre Coburger Familiengeschichte legte: 2016 zog die kaufmännische Angestellte berufsbedingt nach Deutschland, ein Jahr später lernte sie während einer Skitour auf der Pforzheimer Hütte im Sellrain den Fertigungsplaner Hannes kennen. Die erste gemeinsame Skitour führte sie zum Winterraum des Taschachhauses, im Sommer ging es nach Südtirol zum Klettern an die Große Zinne. Gemeinsame Highlights wurden dann die Viertausender, angefangen mit dem Gran Paradiso und dem Monte-Rosa-Massiv 2018. Auch auf dem Mont Blanc standen sie (2019), 2020 bestiegen sie den Ortler über den Hintergrat. Die Kleine Zinne fehlt ihnen noch, das sind dann wieder mittelfristig größere Pläne für die Zweierseilschaft Sara und Hannes. Wann das sein wird? „Momentan habe ich gar keine Eile, die Zeit wird ohnehin schnell vergehen, bis Matteo groß ist und sein eigenes Leben lebt“, erklärt Sara. „Wenn wir wie in der Elternzeit gemeinsam unterwegs sind, andere Länder und Kulturen sehen … das ist jetzt das Größte!“