Rettungswege zuparken, durch Wald-Wild-Schongebiete gehen, Müll wegwerfen, auf wegen Präparierung gesperrten Skipisten aufsteigen – diese und viele andere Vorwürfe sind immer wieder gegenüber den Menschen zu hören, die Erholung und Erlebnis in den Alpen und Mittelgebirgen suchten.
Wo viele Menschen sind, werden viele Fehler gemacht, selbst wenn die allermeisten guten Willens sind. Fehler aber gefährden nicht nur die Menschen selbst durch alpine Gefahren, sondern auch die Natur und den sozialen Frieden untereinander und mit den Einheimischen. Und damit letztlich die Möglichkeit für Sport und Erholung überhaupt – denn wenn die Belastung für Menschen und Natur vor Ort zuviel wird, erscheinen oft strenge Regelungen oder Verbote als einzige Lösung. Deshalb müssen wir alle unsere Verantwortung für die Natur, die Menschen und unseren Sport wahrnehmen. Als Leitlinie dafür propagiert der Deutsche Alpenverein das F.U.N.-Prinzip, das eben nicht nur für freudigen Genuss steht, sondern auch für Verantwortung: „Freundlich“ zu den Mitmenschen, „umsichtig“ gegenüber den Gefahren des Sports und „naturverträglich“. Wenn wir alle diese Haltung leben, haben wir schon viel getan für eine gute gemeinsame Zukunft.
Wie werden wir besser?
Wir können aber noch mehr tun, über uns hinaus wirken – indem wir uns auch gegenseitig an der Nase packen mit Blick auf das Gemeinwohl, sozusagen „Schwarmhilfe“ anbieten. Denn bewusst oder unabsichtlich wird das F.U.N.-Prinzip nicht immer optimal beachtet. Das müssen nicht als ahnungslos verschriene Neulinge sein, die zum Beispiel in der Dämmerung Wild irritieren oder den Weg verlieren.
Auch „alte Hasen“ können zum Problem beitragen – und sei es nur, weil sie nicht verstehen (wollen?), dass sich Zeiten ändern. So dass der gewohnte Parkplatz nicht für den heutigen Massenzulauf taugt, die sensible Natur nach Einbruch der Dunkelheit Ruhe braucht oder der Lieblingsfels vom Wanderfalken für die Brutzeit benötigt wird.
Zum Glück gibt es sehr viel weniger schwarze als weiße Schafe. Der Trick wäre nun, dass die weißen Schafe aktiv werden und die schwarzen darauf hinweisen, welche Gefahren und Überlastungen ihr Verhalten birgt und wie sie es besser machen können. Denn wir dürfen und sollten ja davon ausgehen, dass niemand böse Absichten hat, sondern dass alle für sich selbst, die Natur und die Mitmenschen das Beste wollen, sich aber vielleicht der Probleme nicht bewusst sind.
In den Kletterhallen haben wir schon gute Erfahrungen damit gesammelt, wie wir uns im Geist des Gemeinwohls gegenseitig helfen können. Sicherungsfehler sind relativ einfach zu erkennen und zu beurteilen, und die direkte Rückmeldung aus der Nachbarschaft ist leichter möglich als durch Hallenpersonal, das nicht überall sein kann.
Wichtig dabei ist die Grundhaltung: Es geht nicht um ein „Ertappen“ oder um Vorwürfe; das würde einen offenen Austausch erschweren. Es geht darum, mögliche Konsequenzen zu skizzieren und bessere Alternativen anzuregen. Die Menschen, die Feedback geben, und die, die es nehmen, begegnen sich auf Augenhöhe und haben den Nutzen aller im Blick.
Entsprechend „macht der Ton die Musik“: Der „Sender“ bringt seine Botschaft an, drängt aber nicht unbedingt auf Beachtung – schließlich ist Eigenverantwortung einer der höchsten Werte im Bergsport. Wenn der „Empfänger“ diese Eigenverantwortung ernst nimmt, nimmt er oder sie die Botschaft an, reflektiert ihre Relevanz und dankt dem „Sender“ für das Engagement.
Wann soll ich was sagen?
Wann nun solche Intervention angebracht ist, auch dafür liefert das Beispiel aus den Kletterhallen eine Leitschnur. Es gibt Fälle, wo man als verantwortlicher Mitmensch etwas sagen (und auch auf Beachtung drängen) muss, nämlich wenn der Fehler unmittelbare schwere Folgen hätte – ein falscher oder unfertiger Einbindeknoten etwa führt beim Ablassen unweigerlich zum Absturz.
Dann gibt es Fälle, wo man sich einmischen sollte, nämlich wenn ernstere Folgen mittelfristig zu erwarten sind – zum Beispiel bei gewohnheitsmäßigem „Hand oben“-Sichern mit Tube. Wer dagegen nur so sichert, dass sich störende Seilkrangel bilden, macht es sich schwerer als nötig – hier kann man einen Tipp geben, damit’s der Mitmensch leichter hat.
Es gibt klare Fälle, etwa wenn jemand bei Trockenheit im Wald ein Feuer anzündet, im Winter in Gelände mit Steilabbruch einfährt oder auf einem Rettungsweg parkt. Oft aber wird es Ansichtssache sein, ob man den Mut aufbringen will, einem anderen Menschen dreinzureden. Der Blick auf die Zukunft des Ganzen kann dabei beiden Seiten helfen.
Und natürlich funktioniert diese „Schwarmhilfe“ auch nur in aktueller Situation. Wenn das Auto quer über den Weg geparkt dasteht oder wenn die Plastiktüte auf dem Weg liegt, kann ich niemanden ansprechen. Ich könnte höchstens eine freundliche Hinweisnotiz an den Scheibenwischer klemmen – oder den fremden Müll mitnehmen, einen unnötigen Abkürzer mit Ästen verlegen.
Es spricht schließlich nichts dagegen, fremde Fehler selbst wieder gut zu machen. Wir sind viele, hieß einmal ein DAV-Slogan.
Wenn wir vielen auch gut sind – und wenn wir die paar weniger Guten zum Besseren motivieren können: Dann sind wir eine starke Gemeinschaft, die auch eine gute Zukunft vor sich hat.
Tipp: Wann sag ich etwas & wie?
Ich "muss" etwas sagen:
bei Gefahr/ Überlastung!
wenn essenzielle Regeln verletzt werden!
Wie sage ich es?
Freundlich (soziale Rücksicht)
Parken auf Rettungswegen; Aufstieg auf wegen Präparierung gesperrter Skipiste; Kleinkind unter Kletternden platzieren; Steine werfen in uneinsehbares Gelände; Aufstieg im Zickzack über vielbefahrene Skipiste; andere gefährden...Umsichtig (bergsportliche Kompetenz)
Varianten-Einfahrt in Gelände mit Steilabbruch; Fehler beim Einbinden; Sicherungsgerät falsch eingelegt; Warnung vor beschädigten Wegstücken (Klettersteig)...Naturverträglich
Betreten/Befahren von Wald-Wild-Schongebieten im Winter; Geschützte Pflanzen pflücken; Feuer bei Trockenheit; Missachtung von Schutzgebieten; langlebigen Müll hinterlassen; Weidetiere mit dem Hund in Bedrängnis bringen...
Ich "sollte" etwas sagen:
bei Gefahr/ Überlastung!
deutlich ungünstigem Verhalten!
Wie sage ich es?
Freundlich (soziale Rücksicht)
Mit MTB Wandernde stören/erschrecken; Aufstieg auf vielbefahrener Skipiste mit drei oder mehr Personen nebeneinander; behindernd parken; kein Warnruf nach Steinschlag-Auslösung...Umsichtig (bergsportliche Kompetenz)
Knoten nicht festgezogen; Stolpriger Aufstieg in vereister, steiler Spur mit Absturzgefahr (Tipp: Harsch- oder Steigeisen!); Sicherungsgerät nachlässig bedient; unangemessene Ausrüstung; Warnung vor unerwartbaren/ungewöhnlichen Gefahrenstellen...Naturverträglich
So später Aufbruch, dass man nachts in sensibler Natur unterwegs sein wird; Hundekacke auf Skipiste hinterlassen; seltene Pflanzen pflücken; Feuer im Freien; Weidetiere belästigen; Müll hinterlassen...
Ich "kann" etwas sagen:
wenn etwas suboptimal, unerfreulich oder unpraktisch ist/ war und das Learning fördert.
Wie sage ich es?
Freundlich (soziale Rücksicht)
Zertrampeln einer gut angelegten Spur mit Schneeschuhen oder zu Fuß; platzverschwendend parken; Wandfuß mit Material zustellen; unnötig schreien; Motor unnötig laufen lassen; beim Rasten den Weg blockieren; unfreundlich zu anderen sein...Umsichtig (bergsportliche Kompetenz)
Sicherungsgerät unpraktisch bedienen; Warnung vor Gefahrenstellen; mit ungünstigen Schuhen unterwegs sein; Hinweis auf überfüllte Rastplätze/ Gipfel/ Hütten oder schlechten Wegzustand...Naturverträglich
Rauchen/ Gaskocher im Wald; Bei nachmittäglichem Aufbruch Check: Zeitplan im Blick, Stirnlampe dabei?; massiv Chalk und Tickmarks verwenden; Müll hinterlassen; Wege ankürzen oder parallele Wege begehen...
Im Winter
Im Winter kann man ganz einfach auch Gutes für die Gemeinschaft tun: durch Anlegen einer optimalen Skitourenspur mit gleichmäßiger Neigung und guter Gelände-Ausnutzung. Gerade auch dann, wenn die vorhandene Spur unergonomische Steilstellen enthält. Und dass man auf Fragen nach der Lawinenlage seine persönliche Einschätzung teilt - aber nur auf Fragen hin, sollte ohnehin selbstverständlich sein.