Im dritten Themenbereich der Dauerausstellung im Alpinen Museum dreht sich nach „Abenteuer“ und „Körperempfinden“ alles um Leistung. Was für uns beim Bergsteigen eine besondere Leistung bedeutet, bestimmen wir dabei selbst – ob wir uns nun etwas beweisen oder über uns hinauswachsen wollen. Aber es gibt viele verschiedene Faktoren, die die Sicht auf unsere eigene Leistung beeinflussen. Das können Freund*innen oder Bewertungen aufgrund unseres Geschlechts sein, ein Sportstil oder schon die einfache Frage: War ich langsamer oder schneller als die auf dem Wegschild angegebene Zeit?
Großartige Leistung beeindruckt
Vor allem sind es die hervorstechenden alpinistischen Höchstleistungen, die uns faszinieren. In der Ausstellung symbolisiert das gleich zu Beginn des Themenbereichs eine Büste von Anderl Heckmair. Seine Erstbegehung der Eiger-Nordwand 1938 gilt bis heute als eine der herausragendsten Leistungen in der Alpingeschichte. Der Einfluss, den Berühmtheiten auf uns haben, wird auch an einfachen Gegenständen deutlich: So erscheint ein Gegenstand in einem anderen Licht, sobald man ihn mit einer bestimmten Person oder Geschichte in Verbindung setzt. Die Ausstellung zeigt unter anderem den Eispickel von Andreas Hinterstoisser, den er bei seinem tragisch geendeten Begehungsversuch der Eiger-Nordwand 1936 verwendete. Die Besucher*innen können die Kamera von Reinhard Karl betrachten, die er bei seinen Berg- und Klettertouren dabeihatte und mit deren Aufnahmen er die Alpinfotografie nachhaltig beeinflusste. Außerdem ist die Funktionsjacke von Ines Papert zu sehen, die sie bei der Erstbesteigung des Likhu Chuli (Himalaya) im Jahr 2013 trug.
Wie steht es um die eigene Leistung?
Das direkte Umfeld nimmt großen Einfluss auf die eigene Leistungseinschätzung. In der Ausstellung ist ein Bildschirm mit fingierten Social-Media-Profilen installiert, der beispielhaft zeigt, wie das Verfolgen von Leistungen anderer die eigene Wahrnehmung beeinflusst: Schaffen Bekannte eine Kletterroute, an die ich mich nicht herangewagt hätte, ordne ich mein eigenes Kletterkönnen niedriger ein. Oder sehe ich die Bike-Story einer Freundin auf Instagram, bei der die Höhenmeter für mich nur an einem sehr guten Tag machbar wären, führt das womöglich zu einer geringeren Bewertung meiner eigenen Fähigkeiten. Eine Mountainbike-Broschüre des Alpenvereins von 1989 zeigt außerdem, dass auch klassische Rollenzuschreibungen unser Leistungserwarten prägen.
Leistung will verglichen werden
Doch natürlich wollen wir nicht nur die Leistung anderer bestaunen, sondern die eigene Leistung auch einordnen können. Bereits in den 1890er Jahren entstanden erste Schwierigkeitsskalen beim Klettern. 1926 veröffentlichte Wilhelm „Willo“ Welzenbach ein sechsstufiges Bewertungssystem: die Grundlage der heutigen UIAA-Schwierigkeitsskala. Dann setzte Helmut Kiene mit der Erstbegehung der „Pumprisse“ 1977 im Wilden Kaiser einen Meilenstein und bewies, wie sich Leistung stetig steigern kann: Die Route galt offiziell als die erste alpine Klettertour im siebten Schwierigkeitsgrad. Die UIAA-Skala wurde daraufhin durch ein offenes Bewertungssystem ersetzt – mittlerweile wird (im Sportklettern) der zwölfte Schwierigkeitsgrad (XII) erklommen, und das Klettern erreicht damit die Grenze des Leistbaren.
„By fair means“ ist schon über 100 Jahre alt
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts machte Paul Preuß nicht nur durch seine bahnbrechenden Kletterleistungen auf sich aufmerksam, sondern vor allem durch die von ihm postulierten „Klettergrundsätze“: Mit seinem Plädoyer für das Freiklettern löste er 1911 den sogenannten „Mauerhakenstreit“ aus, der eine jahrzehntelange Diskussion um die korrekte Benutzung von Hilfsmitteln wie Haken oder Seil einleitete. Dennoch erfreute sich gerade in den 1980er Jahren die Verwendung von Trittleitern und anderen technischen Hilfsmitteln großer Beliebtheit. Extremkletterer Kurt Albert wiederum kam in den 1970er Jahren zu der Überzeugung, dass es keine technischen Hilfsmittel zur Fortbewegung am Fels braucht, und dachte sich den roten Punkt als Symbol der Freikletter-Bewegung aus: „Rotpunkt“ bedeutet, eine Route im Vorstieg in einem Zug zu durchsteigen, ohne sich an Haken oder anderen künstlichen Hilfsmitteln festzuhalten oder auszuruhen. Mittlerweile ist Rotpunkt der maßgebliche Kletterstil. Durch das Hallenklettern haben Bouldern und Klettern insbesondere in den letzten Jahren großen Zuwachs bekommen. Der Leistungsgedanke und der Wunsch, sich mit anderen zu messen, ist dabei drinnen wie draußen groß. Schon seit den 1980er Jahren organisiert der Alpenverein deshalb Kletterwettkämpfe, seit 2021 ist Sportklettern sogar olympische Disziplin.
Ein neues Zuhause für die Berge
Das Alpine Museum des DAV auf der Münchner Praterinsel eröffnet als modernes, offenes, barrierefreies Haus mit Ausstellungen, Bibliothek, Archiv, Gastronomie und Veranstaltungsräumen im Frühjahr 2024 neu. Aktuelle Infos gibt’s im Bautagebuch auf alpenverein.de/36098.
Zur Wiedereröffnung startet auch die neu konzipierte Dauerausstellung, die inklusiv und mit vielen multimedialen sowie Erlebnis- und Mitmachstationen zeigen will, aus welchen unterschiedlichen Gründen Menschen in die Berge gehen. Damit will sie gleichzeitig für einen respektvollen Umgang untereinander und mit der Natur werben.
Die Schwerpunkte der Ausstellung wurden in Panorama vorgestellt: